Nasses Erwachen
Es ist Montag. Allerdings kein normaler Montag, an dem man sich müde aus dem Bett quält, um eine weitere anstrengende Arbeitswoche zu beginnen. Nein, denn heute gibt es für viele polnische Frauen ein nasses Erwachen, gefolgt von schadenfreudigen, männlichen Gelächter...an diesem speziellen Tag sollte die polnische Frau eine weise Kleiderwahl treffen, die die Farbe weiß ausspart. Denn heute gleicht ihr Weg zur Arbeit einem Videospiel, bei dem an jeder Ecke eine Falle sein könnte...
Überall lauern sie. Jungs oder Männer, mit Wasser in jedem möglichen Behältnis transportiert: Wasserbeutel, Spritzpistolen, Gießkannen, Töpfe mit Schöpfkellen, ja sogar große Wassereimer. Was das soll? Nun, das ist nur eine der zahlreichen Ostertraditionen im konservativem und offensichtlich humorvollen Land Polen...
Wie wichtig den ihnen Ostern ist, merkt man an der Fülle Sitten, die mit diesem wichtigen Ereignis für die gesamte Christenheit verbunden sind. Bereits am Palmsonntag zieht es die Menschen in die Kirche, um den Einzug Jesu in Jerusalem zu feiern. Hier werden Sträuße aus Buchsbaum, Trockenblumen und Weidenzweige im Gottesdienst gesegnet. Früher glaubte man, dass das Aufhängen derselbigen Krankheiten fernhielt.
Am Karfreitag, an dem nach der Bibel Jesus Christus am Kreuz für die Sünden aller Menschen starb, essen Strenggläubige in Polen nur Wasser und Brot. Die meisten essen an diesem Tag als Zeichen der Trauer kein Fleisch. Anders als in Deutschland ist Karfreitag hier ein normaler Arbeitstag. Keine Glocke läutet, die Kirchen sind dunkel. Es gibt viel Gebet und einige Christen wachen die ganze Nacht über. Messen finden im Dunkeln statt sowie symbolische Prozessionen, bei denen der Leib Christi zu Grabe getragen wird. Für viele Menschen ist dieser Anlass eine Anregung zur Nachdenklichkeit und zur eigenen Reflexion.
Am Ostersamstag wird ein besonderer Osterkorb zusammengestellt. Jedes einzelne Stück darin hat seine eigene Bedeutung. Das Brot steht für Wohlstand und ist ein Symbol des Leibes Christi. Das Ei steht dafür, dass Jesus durch seine Auferstehung den Tod besiegt hat. Salz ist ein lebenswichtiges Mineral und früher glaubte man, dass es einen gegen das Böse schützen könne. Für Gesundheit, Reichtum und Fruchtbarkeit stehen die Fleischprodukte im Korb, während der Käse die enge Verbindung von Mensch und Natur symbolisieren soll. Meerrettich steht wiederum für die körperliche Stärke. Nicht fehlen darf das aus Teig gebackene Osterlamm, welches für Jesus steht. Zu guter Letzt enthält das Körbchen noch einen Kuchen, meistens „Mazurek“, welcher für die Vollkommenheit steht. Später werden die Körbe von den Kindern in die Kirche getragen, wo sie feierlich gesegnet werden.
Beinahe 90% aller Polen nennen sich Katholiken. Dies ist sicher auch ein Grund dafür, weshalb in Polen immer noch die Auferstehung Christi im Mittelpunkt steht und der Osterhase eher eine Nebenrolle spielt. So ist es nicht verwunderlich, dass Ostern in Polen mit einer Messe startet. Die Andacht beginnt im Dunkeln. Dann werden die Osterkerzen entzündet und es werden frohe Lieder angestimmt. Die Orgel verkündet mit feierlichem leidenschaftlichem Klang die Auferstehung Jesu, gefolgt vom Glockenläuten. Anschließend zieht eine Freudenprozession um die Kirche. Beim Ostermahl werden die Gaben des Korbes verzehrt. Zusätzlich gibt es noch warme Speisen wie Braten, Geflügel und Suppe mit Ei. Dazu kommen noch zahlreiche Kuchen wie zum Beispiel der beliebte Käsekuchen, welcher in Polen „Sernik“ genannt wird. Das Frühstück leitet man mit gegenseitigen Wünschen ein, bei denen man sich ein Ei aus dem Osterkorb teilt.
Ostereier spielen genauso wie in Deutschland auch in Polen eine große Rolle. Das Besondere ist jedoch, dass es in den verschiedenen Regionen Polens unterschiedliche Techniken gibt, diese zu verzieren. Die Eier haben dementsprechend auch jeweils andere Bezeichnungen. So wird bei den Drapanki ein Muster mithilfe der Kratztechnik in die gefärbte Eierschale geritzt, während die Pisanki durch Wachs besondere Muster und Schriftzüge erhalten. Die Oklejanki werden mit Blüten, Papier und Wolle geschmückt und und und. Bei einigen Familien suchen die Kinder auch Ostereier, die der Osterhase versteckt hat...
Ostermontag ist der Tag mit dem höchsten Wasserverbrauch in ganz Polen. Nur Alte, Babys und eventuell Reisende haben die Chance, der kuriosen Tradition des „śmigus dyngus“ zu entkommen. Die genaue Herkunft ist nicht bekannt, jedoch vermutet man, dass es sie seit 966 nach Christus in Polen existiert. In diesem Jahr wurde das polnische Oberhaupt Mieszko I. Ostermontag getauft. Somit konvertierte Polen zum Katholizismus und eine neue Tradition war geboren. Früher war das Nassspritzen ein Akt der Reinwaschung oder zur Verbesserung der Fruchtbarkeit gedacht. Andere Quellen besagen, dass Jungs Mädchen nass machten, um ihr Gefallen auszudrücken, was wiederum bedeutete, dass eine nasse Frau am Ostermontag eine höhere Chance auf eine Heirat hatte, trockene und beleidigte Frauen eher weniger.
An Ostermontag gibt es besonders auf dem Dorf teilweise riesige Wasserschlachten, bei denen nicht nur die Frauen nass werden. Die Nachbarn stehen drum herum und feuern die Teilnehmer an. Es wurden sogar schon junge Priester gesichtet, auf der Jagd nach den noch trockenen Nonnen aus dem Kloster...welch ein Spaß!
Quellen: (recherchiert am 01.04.2018)
http://www.info-polen.com/traditionen/ostern/
http://www.das-polen-magazin.de/wie-die-polen-ostern-feiern/
https://www.polando.de/ostern-in-polen-polnische-ostertraditionen/
https://www.polishharmony.de/Ostern-in-Polen
Bilder:
http://wiadomosci.ox.pl/wiadomosc,33132,jak-zrobic-kraszanki-.html
https://eatsmarter.de/rezepte/polnische-suppe-mit-wurst-und-wachteleiern-zurek
https://sprzedajemy.pl/pisanki-male-cuda-recznie-wykonane-elblag-2-a1d299-nr54798383