Nachhaltige Kleidung – geht das überhaupt?
Unsere Kleiderschränke sind voll – an den Schnäppchen im Bekleidungsgeschäft kommen wir trotzdem nur schwer vorbei. Ein Kleidungsstück mehr oder weniger schadet doch nicht, oder?
Die Modebranche wurde innerhalb der letzten Jahre revolutioniert: Die weltweite Textilproduktion hat sich seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt, Entwurf, Produktion und Verkauf der Kleidung muss immer schneller ablaufen. Im Jahr 2014 wurden erstmalig mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert, doch insbesondere in Europa und Amerika scheint der Hunger nach immer mehr neuer und bestenfalls günstigen Kleidung grenzenlos. Marktführer wie H&M oder ZARA bieten mit Erfolg im zwei Wochen Takt neue Kollektionen an. Fast Fashion auf höchstem Niveau, auf Kosten der billigen Arbeitskräfte und unserem Ökosystem.
Rasantes Wachstum auf Kosten der Arbeiter
Die meiste unserer Kleidung wird derzeit in Asien produziert. Insbesondere Bangladesch ist bekannt für seine häufig in der Kritik stehenden Textilindustrie, welche einen Anteil von mehr als 10% am Bruttosozialprodukt des Landes hat. Günstige Produktion und viele, billige Arbeitskräfte zogen die meisten bekannten Modemarken in das Land, sodass heutzutage rund 80% der Exporte Bangladeschs auf die Textilproduktion zurückzuführen sind.
Damit einher gehen katastrophale Arbeitsbedingungen für die überwiegend weiblichen Angestellten, mit regelmäßigen Verstößen gegen die geltenden Menschenrechte. Arbeitsschichten von mehr als 12 Stunden und ein Verdienst von weniger als zwei Euro pro Tag sind keine Seltenheit. Auch die Sicherheitsstandards standen insbesondere nach dem Unglück von Sabhar im Jahr 2013 in der Kritik. Ein achtgeschossiges Gebäude, in dem mehrere Textilfabriken untergebracht waren, war am 24. April in der Nähe der Hauptstadt Dhaka kollabiert, 1135 Menschen starben. Zwar waren am Vortag Schäden an den Außenmauern festgestellt und das Betreten des Geländes von der Polizei untersagt worden, doch wollten die Textilfirmen dennoch produzieren. Unglücke wie diese beschreiben den Druck, unter welchem die Produzenten und Angestellten stehen, um Deadlines einzuhalten und den westlichen Hunger nach immer günstigerer und schnellerer Kleidung zu befriedigen.
Rasantes Wachstum auf Kosten der Natur
Doch nicht nur die Arbeiter leiden unter dem erhöhten Kleiderkonsum des Westens, sondern auch die Natur. Die globale Textilindustrie emittiert jährlich rund 1500 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid, mehr als Flug- und Schiffverkehr zusammen. Sowohl bei der Produktion von Polyester, der von der Kleidungsindustrie meist genutzten Kunstfaser, da sie schnell und leicht hergestellt werden kann, als auch bei der Fertigung der Kleidung und den langen Transportwegen, entsteht das schädliche Gas. Die ökologischen Folgen zeigen sich weltweit durch die Erwärmung des Klimas ebenso wie durch extreme Wetterphänomene wie starke Hitzewellen oder Dürren.
Des Weiteren gefährdet die Textilindustrie auch unsere Meere und Flüsse und die darin vorkommenden Lebewesen. Beim Waschen von Kunstfaserkleidung lösen sich kleine Mikrofasern, welche durch Abwasserleitung bis in die natürlichen Gewässer gelangen können. Dort werden sie von Meereslebewesen und Vögeln für Nahrung gehalten und gefressen. Außerdem wird in der Textilbranche vermehrt mit Chemikalien gearbeitet – rund 43 Millionen Tonnen werden jährlich zum Beispiel in Form von Dünger oder Pestiziden für den Anbau von Baumwolle verwendet. Diese Chemikalien gelangen langfristig auch in die Gewässer und belasten unsere Tier- und Pflanzenwelt.
Ökologische Alternativen
Im Durchschnitt kaufen deutsche Verbraucher pro Jahr 60 neue Kleidungsstücke, welche sie aber nur halb so lange tragen wie noch vor 15 Jahren. Der Umgang mit Kleidung hat sich verändert, da sie günstig zu bekommen ist. Kaufen oder nicht kaufen ist heutzutage vermehrt eine Frage der Lust oder des Geschmacks, nicht aber eine Frage des Geldbeutels. Unsere Mode landet dadurch schneller im Müll, schließlich wird der Platz im Kleiderschrank für weitere, kurzlebige Schnäppchen benötigt. 4,7 Kilogramm Textilmüll werden jährlich pro Kopf in Deutschland produziert, in der europäischen Rangliste der Textilverschwender, welche mit 14,8 Kilogramm von Belgien angeführt wird, liegen wir damit auf Platz 7. Die einfachste Lösung, um dieser Verschwendung entgegenzuwirken und gleichzeitig der Fast Fashion-Industrie den Kampf anzusagen, ist der längere Gebrauch unserer Kleidung. Laut Greenpeace könnte schon eine verlängerte Tragedauer von zwei Jahren die CO2-Emmissionen um 24% reduzieren. Dafür müssen wir besser mit unserer Kleidung umgehen und auch bereit sein, kleine Löcher zu flicken oder kreativ sein, und mit bestehender Kleidung neue Kombinationsmöglichkeiten finden.
Wer trotzdem nicht auf das ein oder andere neue Stücke in seinem Kleiderschrank verzichten kann, für den bietet sich das Secondhand-Shopping an. Verband die Allgemeinheit es vor einigen Jahren noch mit bedürftigen Personen von der Straße oder sogenannte „Ökos“ mit Rastazöpfen, finden sich heutzutage Personen aus jeder Gesellschaftsschicht in den Läden wieder. Beginner des Secondhand-Shoppings sollten neben viel Zeit, um sich durch die gebrauchten Kleiderberge zu wühlen, auch Kompromissbereitschaft mitbringen und nicht verzweifelt nach einem bestimmten Kleidungsstück, in individueller Farbe und Größe, suchen, sondern offen für Neues sein.
Wem es dabei and Zeit und Muße mangelt, der sollte bei seinen Shoppingtouren in bekannten Geschäften wenigstens auf den Grünen Knopf achten. Dieser ist ein staatlich eingeführtes Siegel, das die Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards der teilnehmenden Unternehmen garantiert. Damit wird versichert, dass die Produzenten der Kleidung ihre Arbeiter nicht zu Hungerlöhnen und unter unmenschlichen Bedingungen produzieren lassen, ebenso wie die Reduktion von schädlichen Chemikalien während des Arbeitsprozesses.
Um die Textilbranche aber tatsächlich tiefgreifend und langfristig ins Positive zu verändern und somit Mensch und Natur etwas Gutes zu tun, muss ein Umdenken bei allen Beteiligten eintreten. Erst wenn die Mehrheit der Verbraucher der Fast Fashion den Rücken kehrt und stattdessen nachhaltige Kleidung einfordert, werden die Unternehmen dies auch wirklich umsetzen. Die Nachfrage bestimmt schließlich bekanntermaßen noch immer das Angebot.
Quellen:
https://greenwire.greenpeace.de/system/files/2019-04/s01951_greenpeace_report_konsumkollaps_fast_fashion.pdf
https://www.quarks.de/umwelt/so-wenig-tragen-wir-unsere-kleidung/
https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/rekord-beim-textilmuell-jeder-deutsche-wirft-jaehrlich-4-7-kilogramm-kleidung-weg/25453254.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Fast_Fashion
https://de.wikipedia.org/wiki/Geb%C3%A4udeeinsturz_in_Sabhar
https://de.wikipedia.org/wiki/Textilindustrie_in_Bangladesch
https://www.gruener-knopf.de/