Militärtourismus in Israel - Eine All-Inclusive Kriegserfahrung?
Eine Anti-Terror-Akademie in Israel bietet die absolute Kriegserfahrung im Urlaub: Schießübungen, Uniformen und gespielte Einsätze. Ein wenig makaber?
Israel ist ein Staat, der in vielerlei Hinsicht polarisiert. Ich reiste dort, unvoreingenommen und mit wenig Vorwissen, und ich denke immer noch, dass der Nahostkonflikt sehr komplex und nicht einfach zu bewerten ist. Aber manche Aspekte, manche Geisteshaltungen der israelischen Seite halte ich für moralisch fragwürdig. Darunter gehört unter anderem die „Anti-Terror-Akademie“, eine touristische Militärerfahrung, welche den Nahostkonflikt erlebbar und erklärbar machen soll.
Erst eine Runde Zirkeltraining, Liegestütze auf dem staubigen Boden und dann gehts zum Schießen - So lange, bis das Kaliber leer ist. Es sind echte, halbautomatische Maschinengewehre, mit denen die Touristen dort spielen, und die Munition ist scharf. Natürlich findet alles unter Sicherheitsvorkehrungen statt, damit sich niemand verletzt. Aber irgendwie scheint mir das falsch, dass die Touristen hier mit echten Kriegswaffen hantieren und zielen üben. Es weckt den Anschein, dass der Krieg allgegenwärtig ist, es lässt einen fragen:“ Wo ist der Feind, auf wen ziele ich hier eigentlich?“. Das geht auch über Selbstverteidigung hinaus - das ist ein Angriff.
Die Trainer hier sind ehemalige Soldaten, so wie Eitan Cohen. Ein richtiger Soldat ist er aber eigentlich nicht mehr, er lebt in diesem ewigen Einsatz zwischen Theater und Realität. In dem Militärlager, was sich zwischen Jerusalem und Hebron befindet, finden auch richtige Ausbildungen und Waffentrainings statt, für Sicherheitsprofis aus aller Welt. Der lukrativere Geschäftszweig sind aber die All-Inclusive Kriegserfahrungen für Touristen, die sich hier zwischen Schießständen und Männern in Uniformen, die denen des israelischen Militärs ähneln, tummeln. Sogar einen Souvenirshop gibt es. Für rund 200 Dollar am Tag kann man hier das Leben eines israelischen Soldaten nachempfinden, durch den Wüstensand robben, in einem Jeep fahren und ein Maschinengewehr auf dem Rücken tragen. Eine Abenteuererfahrung, die den Touristen auch noch den Nahostkonflikt erklärt, zertifiziert von der israelischen Regierung.
Gerade das Westjordanland, in dem das Militärcamp liegt, ist ein umstrittenes Territorium: Israelische Siedlungen annektieren Land, welches ursprünglich palästinensisch war. Und in diese konfliktreiche Region ertönt nun das Waffen-Rattern des Übungscamps. Auch viele Israelis, die in den angrenzenden Siedlungen wohnen, kommen öfters ins Camp, um sich über Waffen zu informieren oder sich welche zu kaufen. Der Ethos hier ist klar: Wir werden uns verteidigen, wenn nötig greifen wir auch an. Das Camp scheint eine Mischung aus Sensationslust, Dominanz und Trauma zu sein. Überall erinnern Bilder an die Schrecken der Shoah, an die Verbrechen der Nazis.
Nicht jeder Israeli/ jede Israelitin findet das gut: Das linksliberale Lager kritisiert die Militärcamps häufig. Aber das Militär in Allgemeinen nimmt eine besondere Rolle in der israelischen Gesellschaft ein, es ist vielen die größte Ehre, ihren Militärdienst zu leisten. Tatsächlich gibt es sogar viele Fälle, in denen junge Menschen, die beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen nicht ins Militär aufgenommen werden, klagen. Sie versuchen, sich das Recht einzuklagen, ins Militär gehen zu dürfen und diese gesellschaftlich relevante Sozialisierung zu durchlaufen. Und Militäruniformen sieht man überall: Es sind sehr viele Soldaten in den Städten, an den Straßen und Checkpoints stationiert, es hat mich oft verstört so junge Menschen, Kinder fast, schwer bewaffnet zu sehen. Die Militäruniform ist auch ein beliebtes Kostüm, und wird beispielsweise auf Amazon auch bereits für Kinder verkauft.
Soldatenkostüme oder Touristen-Militärcamps, all das scheint die Schrecken des Krieges zu normalisieren und zu verharmlosen. Es trägt auch nicht dazu bei, den Konflikt zu lösen, ganz im Gegenteil, es verhärtet weiterhin die beiden Lager. Gerade Reisende sollten sich also stets bewusst sein, dass was für sie vielleicht ein Abenteuer ist, für andere der brutale Alltag ist.
Quellen:
https://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/leben/swr2-leben-zwei-stunden-krieg-spielen/-/id=660174/did=22411258/nid=660174/tvboez/index.html
https://www.amazon.de/Dress-Up-America-Israelischer-Soldat/dp/B00XLPGEOW/ref=sr_1_19_sspa?ie=UTF8&qid=1547640650&sr=8-19-spons&keywords=soldat%2Bcostume&th=1