Mein Kopf ist angewachsen. // Kõik on hea ?
Egal in welcher Sprache sich die Menschen in meinem Umfeld verständlich machen, ob die dunklen Tannenwipfel von Schnee bedeckt sind oder Palmenblätter in der warmen Briese wiegen, wohin ich auch reise, mein Kopf ist dabei und nur weil ich Deutschland verlasse, heißt das nicht, dass meine Probleme dort bleiben und auf meine Rückkehr warten.
Gerade wenn man sich nicht in seiner gewohnten Umgebung oder im Heimatland befindet, passieren unzählig viele Dinge, die zumindest ich nicht sofort begreifen und realisieren kann. Neue Gesichter, interessante Gespräche, lange Nächte, immer kürzer werdende Tage, Herausforderungen, einer immer weniger fremd wirkende Sprache und ein langsam einkehrender Alltag. Die einkehrende Dunkelheit brachte Zweifel mit sich und stahl mein Lächeln, zumindest mein ehrlich gemeintes. Ich strauchelte, zwischen Arbeit, Sprachunterricht und Reisen versuchte ich nicht zu fallen, der Anziehungskraft nachzugeben und morgens den Wecker ignorierend einfach liegen zu bleiben. Dabei ist doch alles gut oder wie ich nun auch sagen kann: „kõik on hea.“ Nach fast schon vier Monaten sprechen meine Kollegen endlich mit mir, nehmen mich als Teil des Teams war, ich kann ebenso ein wenig mit ihnen kommunizieren und auch die Interaktion mit den Klienten wird immer besser. Auch in meiner knapp bemessenen freien Zeit bin ich stets beschäftigt und wünsche mir manchmal einen weniger vollen Terminkalender, wobei mir all diese verplante Zeit die Möglichkeit gibt viel von meinem neuen Heimatland kennenzulernen und gemeinsam mit anderen Freiwilligen an Projekten zu arbeiten.
Ob wir uns nun in einem von unserer Organisation arrangierten Meeting treffen, das Wochenende zusammen verbringen oder in der Vorweihnachtszeit gemeinsam die Traditionen unserer Heimatländer vorstellten, die Wiedersehensfreude ist jedesmal groß und wir verbringen eine wunderbare Zeit. Ich bin unendlich dankbar all diese Erfahrungen sammeln und die tollen Menschen kennenlernen zu dürfen, trotzdem macht mein Kopf oder viel mehr die darin enthaltenen Gedanken regelmäßig einen Strich durch die Rechnung, vermutlich ist es die Dunkelheit oder einfach meine Tendenz jegliche Geschehnisse zu überdenken, denn obwohl ich all diese schönen Dinge erlebe, scheine ich sie nicht in ihrer wirklichen Gestalt wahrnehmen zu können, nicht alle, von Gelächter geprägten Momente erreichen mein Herz, weniger schöne und negative Kleinigkeiten brennen sich auf meine Netzhaut und halten mir jene Angelegenheiten vor, die nicht so verlaufen, wie ich es gerne hätte. Selbstzweifel schleichen sich in meine Gedanken, halten mich klein, machen mich nieder und drängen mich in die dunkelste Ecke meines Zimmers. Lassen mich am hellichten Tag weinend im Badezimmer verschwinden und nachts nicht schlafen.
Aber die dunkelste Zeit ist überstanden, das Licht wird von nun an jeden Tag für wenige Sekunden länger zu sehen sein, bis irgendwann der Frühling mit seinen satten Farben an die Tür klopft.
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