Mein Europäischer Freiwilligendienst
„Wie wichtig bin ich wirklich?“ Habe ich mich oft gefragt während meines Aufenthalts hier in Irland.
Meine Entscheidung einen Freiwilligendienst zu absolvieren hatte verschiedene Gründe, die sich wahrscheinlich mit denen eines jeden Freiwilligem ähneln. Ich wollte raus, etwas von der Welt sehen, ein Jahr Pause zwischen Abitur und Studium und all das mit einer guten Tat kombinieren. Ich wollte ein soziales Projekt unterstützen. Nachdem ich mich viel informiert habe, mich viel beworben habe, fiel meine Wahl dann auf die Simon Community, die mich dann nach Cork geschickt hat. Völlig ahnungslos, was mich erwartet, kam ich dann nach Irland, um für eine Organisation zu arbeiten, die Obdachlosen hilft. Innerhalb meiner ersten zwei Wochen wurde ich mit vielen neuen Sachen konfrontiert, natürlich nicht nur einfach zu verarbeitende.
Ich habe meine „Residents“ kennen gelernt, bin mit ihren Geschichten und Krankheiten vertraut gemacht worden. Das war natürlich nicht alles ganz so leicht. Oft bin ich nach der Arbeit nach Hause gekommen und konnte nicht einfach abschütteln, was ich an dem Tag erlebt habe. Ich hatte so viele Fragen und so viele Verbesserungsvorschläge. Angekommen in meinem letzten Monat frage ich mich, wie wichtig ich wirklich war. Was habe ich erreicht und wo stehe ich persönlich?
Natürlich bringt der Freiwilligendienst unheimlich viele Vorteile für einen persönlich. Er ermöglicht uns neue Sprachen, Kulturen, Menschen und Lebensweisen kennen zu lernen und uns dabei selber weiter zu entwickeln. Aber wie kann ich diesen Luxus wertschätzen, wenn ich das Gefühl nicht loswerde, dass ich nichts bewegt habe, obwohl das doch meine eigentliche Intention war?
Natürlich habe ich mein Bestes gegeben, Seite an Seite mit meinen „Residents“ gestanden und versucht, die Tage besser zu machen, nur um nach 10 Monaten an der ernüchternden Einsicht anzukommen, dass ich auch nur ein kurzer Abschnitt in einer großen Organisation war.
Dennoch ändert es nichts an der Tatsache, dass ohne uns Freiwillige diese Organisation nicht bestehen könnte. Also habe ich sie doch voran bewegt, nur eben auf einem langfristigeren Zeitraum gesehen? Ich habe viel Lob bekommen, für das, was ich mache. Ich finde es gut, dass es Menschen gibt, die meine Intention wertschätzen, deshalb denke ich, dass das der Grund ist, warum ich das Gefühl habe, ich habe nicht genug tun können. Für mich persönlich denke ich aber, dass die größte Einsicht, die ich hier gewonnen habe ist, dass man Menschen ihre Entscheidungen nicht abnehmen kann. Du kannst sie unterstützen, aber du musst sie ihren Weg gehen lassen. Du kannst sie nicht ändern und du kannst nicht mehr tun, als sie zulassen.
Ich bin unheimlich dankbar für die die Möglichkeiten, die Jugendliche heutzutage haben und finde auch, dass Erasmus+ eine gute Struktur für den Europäischen Freiwilligendienst entwickelt hat, jedoch finde ich sollte man das ganze trotzdem aus einem kritischen Standpunkt aus betrachten. Der Europäische Freiwilligendienst besteht seit 1996 und soll ,,jungen Menschen die Chance zu geben, Kompetenzen zu entwickeln, die eine aktive Beteiligung am gesellschaftlichen Leben und am Aufbau eines neuen Europas ermöglichen“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Freiwilligendienst).
Was ist denn ein neues Europa? Offenheit gegenüber anderen Nationen, Beseitigung von Vorurteilen und internationale Freundschaften? Oder gar die Idee einer gemischten Kontinentalkultur anstatt einer individuellen Landeskultur. Wie wichtig sind die Vorbereitungs- und Zwischenseminare wirklich, wenn jeder einzelne der Beteiligten, mit dem ich gesprochen habe, den einzigen Vorteil in diesen sieht, dass man „neue Leute kennen lernt“? All diese Sachen haben mich immer zum Nachdenken angeregt und mich hinterfragen lassen, welche Rolle ich in dem Ganzen wirklich spiele. Alles in allem kann ich jedoch guten Gewissens sagen, dass ich stolz auf meine Entscheidung bin, herzukommen. Und dass ich jeden einzelnen Augenblick genossen habe und unheimlich dankbar für meine neuen internationalen Freundschaften bin. Wir haben alle zusammen etwas bewegt, mehr als jeder individuell wahrscheinlich und das ist ein gutes Gefühl.