Mein erster Blog! Beinahe vier Monate im Land der Oranjes
In diesem Blog möchte ich euch gerne einen kleinen Einblick in meine ersten drei Monate hier im "Land der Tulpen und Fahrräder" geben und euch ein bisschen was über mein Projekt und meine Freiwilligentätigkeit in den Niederlanden erzählen!
Hallo allemaal, wat fijn dat je er bent!
Nun melde ich mich das erste Mal nach über drei Monaten aus dem „gezelligen“ Brabant! Bis jetzt bin ich tatsächlich nicht dazu gekommen, meinen ersten Blogeintrag zu verfassen, obwohl ich mir das so fest vorgenommen hatte! Aber das Ankommen, so wie auch meine ersten Monate hier waren alles andere als langweilig und so finde ich erst jetzt die Zeit, euch an meinen ersten drei Monaten, meinen Gedanken und Erlebnissen teilhaben zu lassen.
Am 6. Januar hatte ich mich, beladen mit einem Rucksack, der gefühlt schwerer war als ich und den ich nur sitzend auf meinen Rücken hieven konnte, da er mich ansonsten einfach nach hinten zog, und einem großen Koffer in den Zug gequetscht, um in unser schönes Nachbarland, welches gleichzeitig meine zweite Heimat ist, die Niederlande zu fahren. Ich war angenommen worden, im Rahmen des europäischen Freiwilligendienstes ein Jahr in 's-Hertogenbosch zu wohnen und in zwei Einrichtungen für Senioren, überwiegend mit Demenzkranken zu arbeiten. Es ist auch eine Reise zurück zu meinen Wurzeln, weil meine Oma in der Stadt geboren wurde.
Ich lebe gemeinsam mit vier anderen Freiwilligen in einem Wohnzentrum in 's-Hertogenbosch. In unserem Gebäudekomplex leben zum größten Teil Senioren, aber auch Studenten, eine Wohngemeinschaft, die aus Menschen mit Autismus besteht, und wir. Drei der anderen Freiwilligen kommen aus Spanien, und eine aus Frankreich. Manchmal komme ich schon durcheinander mit den ganzen Sprachen um mich herum, wobei wir überwiegend Englisch miteinander sprechen. Während alle anderen anderswo in der Stadt arbeiten, bin ich die einzige, die auch in dem Zentrum arbeitet, in dem wir leben. Meine Aufgaben sind sehr breit gefächert. Ich gehe schwimmen mit den Senioren, betreue ein Projekt, bei dem Demenzkranke und Kindergartenkinder in Kontakt kommen, in dem sie beispielsweise zusammen basteln oder kneten und niederländische Kinderlieder singen, die alle Generationen aus voller Seele mitschmettern können. Außerdem arbeite ich in der Tagespflege. Dahin kommen Senioren, die sich alleine fühlen, da sie in ihrem zu Hause sehr isoliert sind, um wieder ein bisschen Kontakt zu anderen Menschen zu haben und somit eine gewisse Tagesstruktur zu erlangen. Wir basteln zusammen, spielen Brettspiele und trinken unzählig viele "kopjes koffie".
Auf niederländisch zu fragen, ob jemand noch ein Tässchen Kaffee möchte, war übrigens das erste, was ich hier gelernt habe. Mittlerweile kann ich euch die Kaffeevorlieben jedes Klienten erläutern. Während es am Anfang noch eine sehr große Herausforderung war, sich die Kaffee Präferenzen von ungefähr 25 Menschen zu merken und ich bestimmt zehn Mal nachfragen musste, ob der Kaffee "zwart" sein soll oder mit "suiker en melk", kann ich euch das jetzt im Schlaf herunterbeten. Das wird mir in meinem Leben bestimmt noch mal weiterhelfen! Des weiteren betreue ich eine Tanzstunde für Demenzkranke und spiele Klavier für den Gottesdienst in einem anderen Wohnzentrum. Meine Tätigkeiten machen mir wirklich viel Spaß und die Menschen hier sind sehr dankbar und zeigen mir jeden Tag, dass sie es wertschätzen, dass ich hier bin. Viele Menschen, mit denen ich mich unterhalten habe, haben mir erzählt, dass sie unglaublich froh sind, dass ein junger Mensch wie ich hier her kommt, nur um Zeit mit ihnen zu verbringen. Voller Dankbarkeit lächeln sie mich an und sagen mir wie "gezellig" sie es mit mir finden. Das gibt mir an Tagen, an denen ich keine Motivation habe, doch immer wieder die nötige Energie, um positiv durch den Tag zu gehen.
Meine Arbeit hier hat in mir außerdem das Interesse für den Beruf der Musiktherapeutin verstärkt. Es ist unglaublich schön zu sehen, was Musik mit den Menschen macht. Eine Dame, die nicht mehr sprechen konnte und sich nicht mehr bewegt hat, mittlerweile ist sie traurigerweise verstorben, hat plötzlich ihren Blick total verändert, als ich begonnen habe zu spielen. Ein älterer Herr applaudiert schon immer nach den ersten drei Tönen, die ich spiele und fängt dann an, die Bewegungen eines Dirigenten zu machen, wenn er mir zuhört. Es macht unglaublich viel Spaß, für die Bewohner zu spielen!
´S-Hertogenbosch, oder auch „Den Bosch“ genannt, macht seinem Ruf als „gezelligste Stadt der Niederlande“ wirklich alle Ehre! Dass die Leute hier gerne und ausgelassen feiern, haben sie nicht zu letzt beim Karneval unter Beweis gestellt, welchen die echten "Bossenars" mit Herz und Seele in ihrem „Oeteldonk-Look“ zelebrieren. Das heißt, dass sie alle einen Schal in den Farben rot, weiß und gelb tragen und typischerweise eine Jeansjacke mit unzählig vielen Aufnähern. Ein beliebtes Motiv sind dabei die „Kikker“, Frösche, die aufgrund des vielen Wassers in der Stadt das Karnevalsmaskottchen von Den Bosch sind, wie man mir erzählte. Aber auch generell kann man sagen, dass die Stadt sehr lebendig ist. Sobald es über null Grad sind und es nicht regnet, sieht man überall Leute, die durch die unzähligen Bars und Kneipen der Stadt streifen oder sich noch mal schnell gebackenen Fisch auf dem Marktplatz holen, bevor der Stand schließt. Gerade jetzt, wo der Frühling kommt, blühen in der Stadt unzählig viele Narzissen und Tulpen, die Leute stehen Schlange, um sich ein Eis zu kaufen und die vielen Seen laden ein, die Füße ein wenig abzukühlen. Da, wie ich festgestelllt habe, eines der Lieblingsgesprächsthemen der Niederländer das Wetter ist, ist es schön, sich jetzt endlich mal gemeinsam über den Sonnenschein und den blauen Himmel zu freuen und mit den Senioren zusammen Enten füttern zu gehen, anstatt beim "fietsen"(Rad fahren) gegen Regen und Sturm anzukämpfen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich in den ersten Monaten hier unglaublich schöne Erlebnisse hatte, sowohl was meine Arbeit betrifft, als auch Ausflüge, die ich gemacht habe und die vielen tollen Menschen, die ich hier kennenlernen durfte! Es gab aber auch Tage, an denen es mich wahnsinnig runtergezogen hat, im Prinzip in einem Seniorenheim zu leben. Außerdem ist es oft nicht leicht, mit Menschen zu arbeiten, die immer mehr vergessen und dadurch häufig sehr hilflos werden. Innerhalb der ersten drei Monate hier, sind vier Menschen verstorben, die ich durch Gespräche oder die Arbeit kannte. Dadurch bekommt man eine ganz andere Sichtweise auf viele Dinge. Ich habe mittlerweile eine sehr große Dankbarkeit dafür entwickelt, dass ich gesund und jung bin und mein Leben noch vor mir habe. Anstatt über die vielen Treppenstufen zu meckern, die ich täglich rauf und runter renne, um in mein Zimmer im vierten Stock zu kommen, freue ich mich, dass ich diese Treppenstufen problemlos rauf und runter gehen kann. Darum beneiden mich hier sehr viele Menschen. Die anderen Freiwilligen und meine Arbeitskollegen, aber auch meine Freunde in Deutschland schaffen es glücklicherweise immer, mich abzulenken, wenn mir alles zu viel wird. Ich habe außerdem begonnen, noch anderen Hobbies nachzugehen. So habe ich ein mal in der Woche eine Tanzstunde und beginne bald im Chor zu singen. Außerdem bin ich leider dem niederländischen Zuckerwahn verfallen. Die Krönung war mein heißgeliebter Vla, von dem ich jetzt schon weiß, dass er mir nach meiner Rückkehr wahnsinnig fehlen wird, in Kombination mit Erdbeereis und gezuckerter Sprühsahne. Dass ich so etwas mal essen würde, hätte ich vor vier Monaten auch nicht gedacht...
Nächste Woche habe ich mein erstes Erasmus Seminar in Arnhem. Ich hoffe, dass ich dort viele nette Menschen kennenlerne und mich ein bisschen mit anderen Freiwilligen über ihre Erfahrungen austauschen kann. Und dann ist natürlich der Königstag im Anmarsch, welcher am 27. April gefeiert wird. Ich bin noch unentschlossen, ob ich mich mit einem Buch in den Park setze oder mich unter das feiernde, komplett in Orange eingekleidete Volk mische...
Euch wünsche ich auf jeden Fall einen wundervollen Frühling!
Groetjes, eure Marieke :)
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