Mehr als "fish and chips" und "baked beans"- mein Jahr in England
Ich werde wohl nie in meinem Leben das Gefühl vergessen, dass mich überkam, als ich mir meinen Weg durch die Gepäck- und Passkontrollen bahnte. Neun Monate ganz allein in einem fremden Land, keiner, der deine Muttersprache spricht - vorausgesetzt es spricht irgend jemand mit dir. Wahre Horrorszenarien, die sich da vor meinem inneren Auge abspielten.
Ich werde wohl nie in meinem Leben das Gefühl vergessen, dass mich überkam, als ich mir meinen Weg durch die Gepäck- und Passkontrollen bahnte. Neun Monate ganz allein in einem fremden Land, keiner, der deine Muttersprache spricht- vorausgesetzt es spricht irgend jemand mit dir. Wahre Horrorszenarien, die sich da vor meinem inneren Auge abspielten.
Es ist leicht darüber heute zu schmunzeln. Am Flughafen wurde ich von einer Mitarbeiterin der Organisation und von einer der Behinderten, mit der ich arbeiten sollte, abgeholt. Das erste, das ich sah, als ich aus der Tür des Flughafens von Birmingham trat, war ein grosses Schild mit meinem Namen und einem aufmunternd lächelden Smiley.
Die ersten paar Wochen sind natürlich nicht immer leicht gewesen, doch ich hatte sehr viel Glück mit meiner Organisation und mit der WG, in der ich lebte.
Zu Anfang meines Europäischen Freiwilligendienstes teilte ich die Wohnung mit zwei Spanierinnen und einem 28-jährigen Autisten, den wir auf sein Leben in einer eigenen Wohnung vorbereiten sollten. Kurz nach mir trafen noch eine Österreicherin und eine Französin ein und wir bildeten so eine Art "Ersatzfamilie"- eine einmalige Erfahrung, da wir alle Sorgen und Freude miteinander teilen konnten. Auch der kulturelle Austausch, der auf diese Weise geschah, war unübertroffen in seiner Intensität. Ich weiss nicht wie viele Nächte wir zusammen saßen, Wein tranken und diskutierten. Am Ende entschlossen wir uns dann sogar an Weihnachten nicht wie geplant nach Hause zu fahren, sondern den Heiligabend zusammen zu verbringen und am englischen Weihnachtstag, dem 25.12. in der Organisation bei einem Fest mitzuarbeiten, das für Behinderte organisiert wurde, die keine Familie hatten.
Die Organisation "Warley Leisure and Enabling Services" ist angesiedelt in einem Vorort Birminghams, der zu den ärmsten Englands zählt, und sie besteht aus vielen kleinen Services u.a. fünf Tageseinrichtungen, in denen Freiwillige mitarbeiten können. Die Erfahrungen, die ich während meiner Arbeit dort machen durfte, waren sehr beeindruckend und für mich prägend. Neben der eigentlich von mir verlangten Betreuung und Pflege, fing ich bald an eigene Aktivitäten für die Behinderten anzubieten. So organisierte ich eine Kunst- und eine Musikgruppe und unterrichtete "Makaton"- die englische Zeichensprache für Behinderte. Es war wirklich interessant, wie die Einzelnen auf die Angebote ansprachen und ich lernte vieles über verschiedene Arten der Behinderung und auch wie ich Inhalte spielerisch vermitteln konnte.
Birmingham selber ist und bleibt eine Weltstadt. Neben den Engländern hatte ich viel Kontakt zu den Indern und Einwanderern aus der Karibik. Ich arbeitete auch Zeitweise in einem Zentrum für indische Frauen mit Behinderungen, was mich oft zum Nachdenken anregte, da Behinderungen in einigen Kulturkreisen noch als "Schande" gesehen wurden. Auch mein Engagement in einem "African Caribbean Service" führte mich in eine ganz neue Welt ein. Einmal in der Woche fuhren eine Betreuerin und ich mit einer Gruppe von Behinderten in ein Musikstudio und interpretierten zusammen Gospel und Raggae Musik. Danach aßen wir dann in einem kleinen "African Caribbean Resource Centre" die traditionellen Mahlzeiten- etwas für Neugierige und Mutige!
Aber das Leben besteht ja nicht nur aus Arbeit! In der Woche besuchten die anderen Freiwilligen und ich eine Sprachenschule in Birmingham, nahmen an so etwas wie VHS-Kursen teil und am Wochenende reisten wir durch ganz Großbritannien. Wir besuchten zusammen Freude, die wir auf den On-Arrival-Trainings kennengelernt hatten, oder fuhren einfach mal spontan in eine Stadt, die uns von den Engländern empfohlen worden war. In den Herbstferien mieteten wir uns ein Auto und fuhren durch den Süden Englands, die Osterferien verbrachten wir in den verschiedenen Nationalparks von Wales und kurz bevor ich im Juli wieder nach Hause fahren musste, verbrachte ich noch eine Woche in Schottland.
Es war wirklich eine schöne Zeit, die ich dort erlebt habe und bin sehr dankbar für jede gute und schlechte Erfahrung, die ich dort machen durfte. Mir ist bewusst geworden, auf wie verschiedene Weise man das Leben gestalten kann und wie viel die Menschen Europas und er ganzen Welt voneinander lernen können, wenn sie offen dafür sind.