Mal wieder auf Reisen
ich nehme am deutsch-tschechien Jugendtreffen teil, lerne meine Heimatstadt mal anders kennen
und rege mich über die Bahn auf.
Was macht man, wenn einem langweilig ist und man grade keine Lust auf seine eigentliche Aufgabe hat, sich nur auf seinem Bürostuhl im Kreis dreht und das Muster seiner leeren Pinnwand plötzlich hochinteressant wird?
Richtig, man bringt seinem Youthreporter-Artikel früher raus als geplant (;
Mit einem knarzenden Geräusch öffnet sich die Tür zum Warteraum des pittoresken Bahnhofs und ich komme verfroren reingestolpert. Der Zug geht in 20 Minuten. Ich begutachte den Kaffeautomaten und hoffe dass in Pilsen alles gut geht. Schließlich höre ich diesen typischen, der- Zug- kommt- Ton und begebe mich zurück in die Kälte.
Raureif liegt über den Dächern des 5000 Einwohner Städtchens. Nebel hängt in den Bergen, vereinzelt sieht man die Lichter der Bauernhöfe.Ich beobachtete meinen in der Luft sichtbaren Atem und steige mit den anderen in den Zug.
Ein Mitarbeiter der Ceske drahy stürmt mit seiner roten Schaffnermütze aus dem Büro um den Regioexpress abzuwinken.
Ich habe ihm hoch angerechnet, dass er gestern meine gestammelten drei tschechischen Worte, die mir ein Ticket besorgen sollten verstanden und mich einfach angelächelt hat, statt genervt auf Englisch zu antworten wie die überaus freundlichen Damen am Ticketschalter im Pilsener Bahnhof.
Ich erwarte später mindestens noch eine halbe Stunde vor der bescheuerten Anzeigetafel herumzustehen, bis sie sich dazu herablässt endlich mal mein Gleis anzuzeigen. Deshalb steuere ich das nächste Café an und beobachtete mit einem Tee das Treiben in der wirklich imposanten Bahnhofshalle.
Mir wurde dann doch tatsächlich nach nur 5 Minuten mein Gleis angezeigt. Trotzdem fühle ich mich vom Plzen hl. n. immer wieder leicht verarscht.
Naja das gute ist, als Deutsche lernt man da zu relaxen. Was anderes nützt auch nicht wirklich viel.Dann kann man auch in Ruhe seine Pizza essen, obwohl die im Bahnhof echt schlecht ist.
Ich besteige den blauen Eurocity nach Prag und lasse mich auf meinen Platz fallen.
Ich freue mich darauf in den nächsten zwei Stunden nichts weiter zu tun als mit der Nase am Fenster zu kleben, die Landschaft zu bewundern und mich von meiner Musik beschallen zu lassen.
Im nächsten Zug nach Berlin treffe ich eine Mitfreiwillige, die ich von meinem Pre-Arrival -Seminar meiner Sendeorganisation kenne.
Als ich von ihr vom deutsch-tschechischen Jugendtreffen gehört habe, war ich sofort begeistert. Es würde die ideale Möglichkeit sein, andere Leute aus Tschechien kennenzulernen und auch um kurz Zuhause vorbei zu schauen und ein bisschen Zeit in meiner Stadt zu verbringen.
Nach ein paar S-Bahnstationen und ein bisschen Verwirrung stehen wir schließlich vor dem imposanten Gebäude. Es ist ein riesiger roter Klinkerbau, inklusive Türmchen und großem Eingangsportal mit verschnörkelten Verzierungen auf den Holztüren. Man kommt sich so ein bisschen vor wie in Hogwarts.
Drinnen gibt es einen Infostand, wo wir Namensschildchen, Infomappen, die Schlüsselkarten und unsere T-Shirts in die Hand gedrückt bekommen.
Ich verfrachte meine Sachen auf das Zimmer und lerne meine nette Zimmermitbewohnerin kennen. Diese Unterkunft gleicht eher einem 3 Sterne Hotel anstatt einer Jugendherberge: Große Fenster, moderne Einrichtung, super schickes Bad und sehr gemütlich.
Danach geht es erstmal zum Abendessen, auf das ich mich schon den ganzen Tag gefreut habe. Ich genieße es total, in Gesellschaft mit den anderen netten Menschen, die ich getroffen habe. zu essen, mich am Buffet zu bedienen und lauter fröhliche Leute um mich herum zu haben.
Später geht es zur offiziellen Eröffnungsfeier des Jugendtreffens. Am Eingang bekommen wir alle Kopfhörer und Geräte in die Hand gedrückt. Da die Eröffnung zweisprachig stattfindet, wird simultan gedolmetscht, das heißt alles was gesprochen wird, wird gleichzeitig übersetzt und uns in die Ohren gequatscht. Es werden ein paar Reden geschwungen.
Dann werden wir von einer Sprachanimatorin in eine deutsch-tschechische Geschichte verwickelt, mit aufstehen und klatschen. Nach ein wenig Rumgestöhne haben wir dann doch unseren Spaß und werden wieder wach genug für die Lesung von Jaroslav Rudiš.
Ich finde sein eigentliches Buch zwar nicht so spannend, aber seine sympathisch ruhige Art uns vorzulesen und seine Naturbeschreibungen, total schön. Es fühlt sich an, als würden wir alle grade in diesem gemütlichen Speisewagen von dem er uns so oft erzählt hat sitzen, anstatt im Tagungsraum mit grellem Licht und den wichtigen Leuten.
Zu diesem besonderen Speisewagen: Im Eurocity von Berlin nach Prag, gibt es nicht Aufbacksandwiches für 10 Euro von der deutschen Bahn, sondern noch eine richtige Küche. Dort soll das Schnitzel ganz besonders gut sein. Rudiš hat einen tollen Artikel über diesen Speisewagen und seinen inzwischen zur Berühmtheit gewordenen Kellner geschrieben. Ich bin jetzt schon häufiger mit diesem weiß-blauen Zug gefahren und habe dem Speisewagen selbst noch keinen Besuch abgestattet, aber das werde ich bestimmt irgendwann mal nachholen.
Nach der Veranstaltung quatsche ich noch Ewigkeiten mit meiner Mitbewohnerin, die schon verdammt viel auf ihren Reisen durch die Welt erlebt hat.
Da ich meistens alleine frühstücke, genieße ich es am nächsten Morgen besonders mit meinen alten und neuen Freunden am Tisch zu sitzen und zu lachen. Es gibt einen Pancakeautomaten!!!.
An zweiten Tag geht es zu den Workshops. Ich habe mich für den Slam Poetry Workshop entschieden und lerne zwei Stunden lang, meine Ängste zu überwinden, Multitasking und wie man sich ein Spielfeld fürs Schreiben entwickelt. Wir haben viele schöne Momente, Freude, Trauer, Nachdenklichkeit und vor allem viel Spaß mit einem inspirierenden Slammer aus Prag. Der zweite Workshop bringt mir nicht so viel. Es geht um antidemokratische Kräfte und eigentlich ist eine Diskussionsrunde geplant, zu der es leider nicht kommt. Es wird eher ein Vortrag und die Referenten können unsere Fragen nicht beantworten.
Am Abend gibt es dann unterschiedliche Exkursionen. Ich schließe mich der zum tschechischen Zentrum an.
Mit dabei haben wir einen Zeitzeugen. Einer der Mitarbeiter des Zentrums empfängt uns und erzählt uns was über das Geheimräume für Botschafter, Themen des Zentrums und die Ausstellung. Diese handelt von der samtenen Revolution in der tschechiens Bürger für eine friedliche Revolution ihres Systems sorgten. Wir machen es uns auf dem Boden bequem und hören dem Mann zu, der als Jugendlicher mitdemonstrierte.
Er erzählt uns, dass er und seine Freunde damals immer weiße Handschuhe dabei hatten um, sollten sie von der Polizei gefragt werden wo sie hingingen, sagen zu können sie wollten zur Tanzstunde. Auf einmal betreten der ganz aufgeregte Mitarbeiter und ein paar Leute in Anzügen den Raum. ,,Begrüßt unseren Außenminister“, sagt er.
Ich drehe mich zu einer der Betreuerinnen um und wir flippen ein wenig darüber aus, dass da grade wirklich der tschechische Außenminister vor uns steht. Der Minister winkt einmal kurz und geht dann auch wieder.
Nach dem Tschechischen Zentrum treffe ich mich mit ein paar Leuten noch am Alex und lotse sie durch die Stadt. Es wird ein verrückter Abend, über den,, binuemi“ in ihrem Blog aber schon berichtet hat.
Am Sonntag ist dann auch schon der letzte Tag. Es gibt noch einmal einen,, Open space“ und wir diskutieren über die Themenagenda von Tandem in den nächsten Jahren. Ich wohne einer Diskussionsrunde zu Migration und Integration bei, lerne viel und habe Spaß beim Diskutieren. Leider heißt es danach schon für mich Abschied nehmen. Mein Zug fährt bald und ich will vorher nochmal kurz meine Eltern Zuhause drücken, die ich sonst erst Weihnachten wiedersehen würde. 2 Stunden später sitze ich dann im Eurocity zurück nach Prag. Der Zug hat am Ende eine halbe Stunde Verspätung, weswegen ich meinen nächsten Zug verpasse. Glücklicherweise fährt noch ein Regio nach Pilsen und ich bekomme die allerletzte Bahn, die an diesem Abend nach Hause fährt und bin heilfroh als ich endlich ins Bett darf.
Der Artikel zum Speisewagen: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/im-zug-von-berlin-nach-prag-fuehlt-man-sich-wie-in-tschechien-16351149.html
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