Litauen-Das Land mit der höchsten Selbstmordrate
Über den Teufelskreis der Armut.
Als ich zum ersten Mal gehört habe, dass Litauen das Land mit der höchsten Selbstmordrate der Welt ist, war ich zunächst schockiert. Litauen ist seit dem 1.Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union und ab Januar 2015 wird die Währung Euro eingeführt. Ich hätte nicht erwartet, dass ein europäisches Land die höchste Selbstmordrate haben könnte. Aus meiner Sicht gilt Europa schon fast als Statussymbol und viele Flüchtlinge sehen in der Flucht nach Europa ihre letzte Chance auf Arbeit, Geld und ein besseres Leben. Wo liegen also die Gründe, dass es statistisch gesehen fast 44 Suizide pro 100.000 Einwohner pro Jahr in Litauen gibt?
Ein wichtiger Grund ist die Armut. Viele Menschen haben 2 Arbeiten gleichzeitig, um sich ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können und selbst dann liegen sie mit ihrem Einkommen bei umgerechnet nur knapp 300 €. Während man in den größeren Städten, wie z.B. Vilnius oder Kaunas eine gut ausgebaute Infrastruktur, eine sehr gute medizinische Versorgung und einen weit entwickelten Kultur- und Bildungsbereich vorfindet, liegen die ländlicheren Gebiete Litauens mit ihrer Entwicklung noch weit zurück. Bei unserer Reise durch das Land haben wir sehr ärmlich aussehende Dörfer vorgefunden. Die Häuser sind überwiegend aus Holz, die Farbe ist abgeblättert und es sieht so aus, als ob sie beim nächstgrößeren Sturm wie ein Kartenhaus zusammenklappen würden. Ausgebaute Straßen gibt es dort nicht und die einzelnen Häuser stehen weit verstreut in der Landschaft.
Bei unserem On-arrival-Training hatten wir die Gelegenheit, mit den Einwohnern eines kleinen Dorfes in der Nähe von Vilnius zu sprechen. Als wir eine ältere Frau gefragt haben, was sie mit 1.000.000 Litas (aktuelle Währung in Litauen) machen würde, brach sie in Tränen aus und erzählte uns, dass sie alles Geld für die medizinische Behandlung ihrer kranken Mutter und anderer Familienmitglieder ausgeben würde. Viele Sorgen werden im Alkohol ertränkt und damit ist der Alkoholmissbrauch der zweite Grund für die hohe Selbstmordrate. Der Alkoholkonsum der Litauer liegt weit über dem europäischen Durchschnitt und deshalb versucht die Regierung, mit verschiedenen Maßnahmen den Alkoholkonsum einzuschränken und besser zu kontrollieren. Es ist z.B. nicht erlaubt, in der Öffentlichkeit Alkohol zu trinken und in einigen Städten wird Alkohol in den Supermärkten nur bis 22 Uhr verkauft.
Seit dem 1.November 2014 ist in Litauen ein neues Gesetz zum Umgang mit Energydrinks in Kraft getreten. Energydrinks dürfen seit Beginn diesen Monats nicht mehr an Minderjährige verkauft werden. Der Grund ist, dass der hohe Gehalt an Koffein zu Hyperaktivität führen könnte. Doch das ist nicht die einzige Sorge der Behörden: Energydrinks in Kombination mit Alkohol können Übelkeit, Herzrhythmusstörungen und Krampfanfälle verursachen. Es wird insbesondere versucht, junge Leute vom Alkohol fernzuhalten, denn Alkoholprobleme sind unter den Jugendlichen besonders weit verbreitet. Damit sind wir beim dritten Grund für die hohe Selbstmordrate: Arbeitslosigkeit. Gerade in den ländlicheren Gebieten gibt es unter den jungen Menschen eine sehr hohe Arbeitslosigkeit. Es fehlt ihnen in den Dörfern die Perspektive auf eine gute Ausbildung, auf Arbeit und somit auch auf Geld. So beginnt der Kreislauf aus Arbeitslosigkeit-Armut-Alkoholmissbrauch.
Litauen hat noch nicht einmal vor 25 Jahren seine Unabhängigkeit (11.März 1990) wiedererlangt und steht somit aus meiner Sicht noch ganz am Anfang der Entwicklung. Vieles in Litauen lässt einen noch daran erinnern, dass Litauen zur Sowjetunion gehört hat. Dazu zählen auch die vielen, vielen grauen und hohen Plattenbauten, die in Vilnius maßgebend das Stadtbild prägen.
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