Lissabon
Spaniens kleines Nachbarland steckt voller Überraschungen. Amselle und ihre Reisegefährtinnen nutzten ein verlängertes Wochenende, um nach verzweifelter Schlafsacksuche Lissabons Eigenheiten zu erkunden.
Vor nun auch schon wieder etwas längerer Zeit fuhr ich spontan vom Samstag, den 29. April bis Mittwoch, den 3. Mai, mit Nina und Isabella nach Lissabon. Wir mussten einfach das wegen einigen Feiertagen verlängerte Wochenende - heißt hier schlicht „puente“ = Brücke - ausnutzen. Wenn ich mich in meinem Kalender so umsehe, fällt mir auf, dass die Spanier außerordentlich viele „puentes“ haben. Immer gibt es irgendetwas zu feiern, was uns natürlich sehr gelegen kommt. :)
In beziehungsweise bei Lissabon übernachteten wir praktischerweise in der Wohnung anderer Europäischer Freiwilliger, die Nina kannte. Das ist schon toll, Kontakte zu haben und so günstiger reisen zu können. Wir fuhren also Samstag nachmittags in einem voll besetzten Bus in Madrid los und kamen nach achtstündiger Fahrt durch sehr, sehr schöne Landschaften der Extremadura gut in Lissabon an, wo Isabella allerdings schon das Malheur passierte, was uns fast die ganze Reise beschäftigen sollte. Und zwar stiegen wir nicht an der Endstation des Busses aus, sondern einen Stopp davor und mussten uns deshalb super beeilen, unser Gepäck aus dem Laderaum zu zerren, bevor der ungeduldige, ständig portugiesisch vor sich hinlabernde Busfahrer die Klappe wieder zu machte. Dabei vergaß Isabella, ihren Hightech-Schlafsack mitzunehmen.
Was macht man nun um 12 Uhr nachts an einem verlassenen Busbahnhof, in einem Land, dessen Sprache man nicht beherrscht (portugiesisch klingt durch die vielen „sch-Laute“ manchmal fast slawisch), wenn man einen verdammten Schlafsack finden will? Man geht zum Infoschalter und redet einfach auf Spanisch drauflos, in der Hoffnung, die Portugiesen würden es schon verstehen. Hier erwartete uns dann auch noch eine Überraschung, die da lautete „In English, please!“ Sollte es möglich sein, dass die Portugiesen besser Englisch sprechen, als Spanisch, das ihrer Sprache doch halbwegs ähnlich ist?! Die Antwort heißt zu unserem Erstaunen: „Ja!“ Während man in Spanien mit Englischkenntnissen sicherlich nicht sonderlich weit kommt, spricht in Portugal fast jeder halbwegs flüssig diese erste Weltsprache. Später wurde uns dann auch klar wieso: sämtliche Kinofilme und Fernsehserien, vornehmlich aus den USA, werden nicht synchronisiert, sondern nur mit Untertiteln gesendet. Was das für Wunder wirkt! Auch wenn es vielleicht bequemer ist, Filme und Serien in seiner Muttersprache anzusehen, so sagen mir die Originalversionen samt Untertiteln wesentlich mehr zu. Und es ist auffällig, wie gut kleinere Nationen wie Holland, Schweden oder auch Portugal, die ihre Filme nie synchronisieren, Englisch sprechen können.
Leider konnte die Dame am Infoschalter uns dennoch nicht weiterhelfen, weshalb wir beschlossen, die Schlafsacksuche auf den folgenden Tag zu verschieben. Auf dem Weg zu unserer „Unterkunft“ wurden wir dann noch fröhlich in der U-Bahn von einer Gruppe Halbstarker singend begrüßt, was den ersten guten Eindruck von Lissabon nicht schwer machte ;)
Nach einem ordentlichen Frühstück machten wir uns am nächsten Morgen von Barreiro (liegt auch in der Bucht von Lissabon, nur genau gegenüber der Hauptstadt) per Fähre auf nach Lissabon. Das hat schon was, jeden Tag mit dem Schiff fahren zu müssen, auch wenn´s nur 15 Minuten sind. Unser erster Weg führte uns natürlich zum Busbahnhof, immer auf der Suche nach dem Schlafsack Isabellas, der leider für´s erste verschollen blieb. Da Isabella aber nicht aufgeben wollte, trennten wir uns, um uns nachmittags erneut zu treffen. Daraus wurde leider nichts, weil Isabellas Pechsträhne nicht enden wollte. Sich in einer fremden Stadt an einem unbekannten Ort zu verabreden, sollte man besser bleiben lassen. :) Immerhin trafen wir sie dann abends auf dem Heimweg rein zufällig wieder, in der Hand den langgesuchten Schlafsack. Endlich!
Lissabon ist übrigens wunderschön. Mit nur rund einer Million Einwohner gehört sie zu den kleineren Hauptstädten der Welt und strahlt durch ihre Lage am Meer einen ganz besonderen Charme aus. Besonders die hügelige Altstadt mit ihren engen Gässchen, alten, bunten, teils verfallenen Häusern im Jugendstil, vollbehängt mit Blumen und Fahnen, hat mir gut gefallen. Ich hatte den Eindruck, als ob die Zeit dort stehen geblieben wäre. Alles geht dort ein wenig ruhiger und beschaulicher zu, die Metro hat nur vier Linien (Madrid zwölf – zum Vergleich) und sogar Fahrrad kann man fahren, wenn man eine Gangschaltung besitzt, denn in der Tat geht es oft steil bergauf und bergab.
Auch schön einkaufen kann man in den zahlreich vorhandenen kleinen Geschäften, oder eben entspannt einen „galao“ (portugiesischer Milchkaffee) in vielen Straßencafés schlürfen und dazu die Spezialität der Stadt „paseis de nata“ essen (sprich: pasteisch de nata). Das sind kleine Mürbeteigkuchen, die mit einer Art Puddingcrème gefüllt sind – sehr, sehr lecker, besonders wenn sie noch warm sind!
Die nächsten Tage erkundeten wir weiterhin stets zu Fuß auch die weniger häufig frequentierten Ecken der Stadt, besuchten eine gut gemachte Frida Kahlo Ausstellung und verbachten einen Nachmittag am Stadtstrand in Caiscais, der etwas außerhalb liegt. Auch ausgegangen sind wir eines Abends im Beirro Alto, dem alternativen Viertel der Stadt. Was uns dabei auffiel, ist, dass es in Portugal keinen „Botellón“ geben zu scheint. Dennoch trinken die Leute vor den Bars auf der Straße aus ihren Plastikbechern, die sie allerdings in den Bars selber kaufen. In Spanien ist es eher anders herum – den Alkohol aus einer Bar mit nach draußen zu nehmen ist schlichtweg verboten, weshalb man sich besser gleich irgendwo in einen Park hockt, in dem die Polizei nicht so häufig ihre Runden dreht. :)
Auch sonst kann man sagen, dass es doch einige Mentalitätsunterschiede zwischen Portugiesen und Spaniern gibt. In Portugal wird früher gegessen (es gibt auch keine Tapaskultur, das Nationalgericht ist wohl eher Fisch), früher ausgegangen und auch wieder heimgekehrt, als in Spanien. Dazu gibt es wesentlich mehr Farbige, bedingt durch die Exkolonien in Afrika (Angola, Mosambik, Macao et cetera), aber auch die brasilianischen Einwanderer. Andererseits fehlen wiederum die vielen Asiaten und Südamerikaner, die es in Madrid gibt. Was auch interessant ist, ist die Beziehung zwischen Spaniern und Portugiesen. Während man sich heutzutage eher neutral begegnet, assoziierten die Portugiesen in der Vergangenheit doch eher negative Dinge mit Spanien, da es nun einmal wirtschaftlich und politisch mehr Macht hat, weiter entwickelt, sprich reicher und größer ist. Heutzutage hält die Diskussion um portugiesische Fischgründe an, in denen spanische Fischer den portugiesischen angeblich den Fisch vor der Nase wegfischen.
Mein Fazit zum Schluss: alles in allem ein sehr angenehmer Kurztrip! Lissabon ist immer eine Reise wert!