Liebe Grüße aus Targu Mures:)
Hallo meine Lieben!
Jetzt bin ich schon fast drei Wochen in Rumänien und finde endlich mal etwas Zeit, meine ersten Eindrücke schriftlich zu sortieren. Der Beginn meines EFD war sehr ereignisreich daher fühlt es sich zum einen so an, als wäre ich statt knapp drei Wochen schon mindestens drei Monate hier, gleichzeitig vergehen die einzelnen Tage rasend schnell, sodass ich das Gefühl habe, gerade erst von daheim aufgebrochen zu sein.Es ist bislang unglaublich schwierig, einen Überblick über die bisherigen und kommenden Geschehnisse zu behalten und geradezu unmöglich, allen lieben Leuten alle Fragen immer up to date zu beantworten. Damit aber jeder, den es interessiert, eine Chance hat, etwas über das Leben in Rumänien zu erfahren, kommt hier also eine Zusammenfassung meiner ersten Erfahrungen.
Das Haus:
Untergebracht bin ich zusammen mit den anderen vier Freiwilligen in einem Haus am Stadtrand von Targu Mureş. Ich war offen gestanden durchaus positiv überrascht, was den Komfort des Hauses angeht, das mit nahezu allen wichtigen Haushaltsgegenständen (wichtig: Kaffeemaschine), einer Waschmaschine sowie zwei Badezimmern ausgestattet ist. Bislang schlägt sich meine neue Wohngemeinschaft, bestehend aus einem Portugiesen, zwei Österreicherinnen und zwei Deutschen, dank Putzplan und gemeinschaftlicher „Money-Box“ recht gut in der Haushaltsführung, auch wenn sich das Haus schon mehrmals kleinere Herausforderungen für uns ausgedacht hat. So erlitten wir bereits in meiner zweiten Nacht einen kleinen Schock als der Wind im Untergeschoss ein Fenster aufdrückt und einen Blumentopf vom Sims gefegt hatte und wir im Stockdunkeln, da keines der Lichter funktionierte, erst einmal herausfinden mussten, dass kein Einbrecher unsere Scheibe eingeworfen hatte. An einem anderen Tag weigerte sich morgens der Boiler seinen Dienst zu tun, sodass man sich nach einer Eiswasserdusche nicht einmal vor eine warme Heizung setzen konnte. Doch mit jedem Tag gewöhnen wir uns mehr an die Eigenwilligkeit der Lichter, die mal an mal ausgehen, jedoch selten auf den Lichtschalter reagieren, dem Kochen mit Gasherd und Gasofen in der doch recht kleinen Küche und daran, mangelnde beziehungsweise mangelhafte Ausstattung (,wie Wäscheständer oder fragile Toilettenbrillen,) auf mehr oder weniger kreative Weise zu aufzubessern. Bis auf die beunruhigenden Wasserflecken, die an einem sehr verregneten Tag plötzlich an unserer Zimmerwand erschienen, macht das Haus zumindest einen geister- sowie vampirfreien Eindruck, was ja mitten in Transsilvanien nicht selbstverständlich sein muss, und ist durchaus geeignet, die nächsten zehn Monate ein Zuhause darzustellen.
Die Sprache:
Eine weitere Herausforderung stellt für mich, wie auch für die anderen Freiwilligen, die Kommunikation mit den Einheimischen dar. Rumänisch zählt zwar zu den romanischen Sprachen und ist daher verwandt mit einigen Sprachen, die ich theoretisch mal gelernt habe (Latein, Französisch), trotzdem verstehe ich natürlich absolut gar nichts, wenn ein echter Rumäne in seiner Muttersprache loslegt. Glücklicherweise sprechen die meisten Kollegen in der Fundaţia Englisch und auch im restlichen Alltagsleben kann man sich damit recht gut durchschlagen.
Überraschend war für mich, dass viele Menschen sogar ein wenig Deutsch beherrschen und die deutsche Sprache beispielsweise beim Einkaufen in Form von deutschen Produktnamen oder bei Stadtbussen, die mit der Aufschrift „Betriebsfahrt“ durch die Gegend fahren, zumindest um einiges präsenter ist, als das Rumänische in Deutschland. Dennoch möchte ich natürlich versuchen, die Landessprache schnellstmöglich zu lernen, um mich endlich richtig verständigen zu können, was durch den Sprachkurs, den uns zwei (wohlgemerkt ungarisch-sprachige) Kolleginnen zweimal die Woche erteilen, hoffentlich beschleunigt wird.
Die Arbeit:
Die Fundaţia Transilvana Alpha ist eine humanitäre Organisation, die sich seit ihrer Gründung 1992 durch die Hilfe zahlreicher Ehrenamtlicher, Sponsoren und Spezialisten stetig vergrößert hat und verschiedene Leistungen zur Förderung von Menschen mit Behinderungen sowie ergänzende pädagogische Programme für Kinder anbietet. Momentan sind etwa achtzig Angestellte und sogar noch mehr freiwillige Mitarbeiter an der Gestaltung der verschiedenen Projekte beteiligt, die beispielsweise Prävention und Frühförderung für Kleinkinder, ambulante Dienstleistungen für Kinder mit Behinderungen, Informationsdienstleistungen, Beratung und Vermittlung von Arbeitsplätzen für behinderte Erwachsene, sowie die Entwicklung von Workshops und geschützten Einheiten beinhalten (vgl. Website der Fundaţia Transilvana Alpha). Wir als internationale Freiwillige arbeiten jeweils zu zweit für je drei Monate in einem der Projekte START, PERSEVERTA und ATRIUM mit und unterstützen damit das Konzept ”Three Steps to Education in Diversity“.
Momentan sind Ellen und ich der Gruppe ATRIUM zugeordnet, die aus etwa fünfzehn Jugendlichen beziehungsweise jungen Erwachsenen mit geistigen Behinderungen besteht. Wir wurden gleich zu Anfang etwas ins kalte Wasser geworfen, da uns niemand wirklich eingewiesen hatte und wir uns ohne Sprachkenntnisse oder Wissen um die einzelnen doch sehr unterschiedlichen Charaktere irgendwie in die Arbeit hineinfinden mussten. Zum Glück sind unsere Youngsters unglaublich liebe und herzliche Menschen, die uns gleich integriert haben, sodass wir uns oftmals sogar mehr als Teil der Gruppe fühlen, anstatt eine Art Lehrer oder Betreuer darzustellen.
Die Freizeit:
Vor allem ganz zu Beginn, aber auch jetzt noch, ist es schwierig, überhaupt einen Unterschied zwischen „Arbeit“ und „Freizeit“ zu empfinden, da die Tage so vielfältig gefüllt werden und sich die Zeit in der Fundaţia nicht wirklich wie das Ausüben einer Arbeit anfühlt. Zudem waren unsere Tage die letzten Wochen so gut mit Einkaufen, Kochen, Einrichtung von Konto und Handykarte, Meetings und Erfahrungsaustausch gefüllt, dass man nur selten mal Zeit hatte, einfach nichts zu tun und die Gedanken schweifen zu lassen. Immerhin kamen meine WG und ich letztes Wochenende endlich dazu, uns ein wenig im Stadtzentrum umzusehen und die ersten Cafés auszutesten, da der Dauerregen schließlich doch einmal aussetzte und man sich ohne nasse Füße durch die Stadt bewegen konnte. Auch unsere Kollegen geben sich wirklich Mühe, keine Langeweile aufkommen zu lassen und haben uns schon mit auf einen Ausflug nach Braşov oder das Most-Festival hier in Targu Mureş genommen. Genaueres über meine Aktivitäten sollte ich aber doch lieber in einen eigenen Artikel verpacken, sonst sprengt es hier wirklich langsam den Rahmen.
Sonstiges:
Bisher haben sich die Vorurteile über hohe Kriminalität und Horden an Straßenhunden, vor denen ich vor der Abreise gewarnt wurde, nicht bestätigt. Hunde begegnen einem zwar tatsächlich häufiger als zu Hause, jedoch befinden sie sich meistens hinter Gartentoren (-gefühlt besitzt wirklich jeder Einwohner unserer Straße mindestens einen Hund-) und untermalen von dort beispielsweise unseren täglichen Weg zum Bus mit ihrem Bellkonzert. Die dagegen vereinzelt erscheinenden Straßenhunde sehen meist relativ gepflegt aus, interessieren sich nicht besonders für vorbeigehende Menschen oder werfen einem allenfalls einen friedvollen Blick zu. Auch die rumänischen Leute sind sehr freundlich und das Leben unterscheidet sich meiner bisherigen Erfahrung nach weniger von dem in Westeuropa, als ich es erwartet hätte. Natürlich gibt es eine Menge kulturelle Unterschiede, die ich jedoch vermutlich erst nach und nach (und hoffentlich nicht allzu heftige Tritte ins Fettnäpfchen) herausfinden werde.
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