Leise rieselt kein Schnee
Von Sexismus beim Trampen und Kreislaufproblemen beim Gottesdienst
Die Überschrift beschreibt leider mein derzeitiges Dilemma: Da entscheidet man sich schon Weihnachten fernab von seiner Familie zu verbringen, aber mit Schnee wird man keinesfalls belohnt. Mein erstes Weihnachten im Ausland war aber dennoch ein echtes Erlebnis und auch ansonsten gibt es einige Neuigkeiten seit meinem letzten Eintrag.
Mein Projekt und die damit verbundene Arbeit macht mir weiterhin großen Spaß. Im Kindergarten entdecke ich immer neue Aufgabenbereiche für mich, so bin ich jetzt auch teilweise für die Getränkeausgabe sowie für das Füttern verantwortlich. Bei ersterem fühle ich mich aber gelegentlich an eine Zombieapokalypse erinnert: Überall sind Hände, die nach einem greifen und zornige Blicke, weil man noch auf das Trinken warten muss. Das Füttern macht dagegen richtig Spaß, auch wenn es gelegentlich großer Überredungskunst bedarf ( "mica, mica"), um die Kinder zum Weiteressen zu bringen. Wenn alles Gerede nichts bringt, halte ich auch einfach den Löffel solange vor den Mund, bis sie diesen aus Versehen öffnen- eine Strategie, die sich bisher sehr bewährt. Auch ist für mich ein großes Rätsel gelöst worden: Seit 2 Monaten habe ich mich gefragt warum die Musiklehrerin dafür bezahlt wird, immer dieselben 4 Lieder mit den Kindern zu singen: Sie haben für eine Weihnachtsfeier geübt!
In der Highschool gibt es nicht all zu viele Veränderungen, bis auf die Tatsache, dass ich nun mehr deutsch unterrichte. Dieser Unterricht enthielt auch eine Präsentation über deutsche Weihnachtspräsentationen: Die Schüler waren vor allem darüber beeindruckt, dass man beinahe 5 Minuten über deutsche Plätzchensorten reden kann. Die Schüler tendieren noch dazu alle meine Fragen mit Ja oder Nein zu beantworten (gelegentlich auch mit Schweigen), was etwas verwirrend ist, wenn man nach Namen fragt. Doch so bekomme ich einen Eindruck,wie es den Kindern im Kindergarten mit mir gehen muss. In meiner Dorfschule halte ich die Unterrichtsstunden inzwischen auch selbst, nur beim Singen von englischen Weihnachtsliedern hapert es noch gehörig: Diese Stunden enden stets mit einem von 30 Schülern bestaunten Florian, der munter Jingle Bells trällert und gezwungen lächelt- wenigstens den Text werde ich wohl nie wieder vergessen. Unterbrochen wird der Alltag von gelegentlichen Präsentationen zum Thema Volunteering, bei der man mit teilweise skurrilen Fragen konfrontiert wird, wie z.B. : Wie findest du die rumänische Flagge? Bunt fand ich da eine gute Antwort. Die erschreckendste Frage war aber, ob man denn in Deutschland noch den Hitlergruß praktiziert. Da wurde ich dann- und das will schon etwas heißen- erst mal sprachlos und musste mich zusammenreißen, nicht zu antworten: Na klar mein lieber, das machen wir doch schon seit über 70 Jahren. Die Einheiten im englischsprachigen Unterricht werden interessanter und ich habe festgestellt, dass sich über Designerbabies und Sexismus besser diskutieren lässt als über deutsches Essen- wer hätte das gedacht! So schlecht kann ich auch gar nicht sein, denn zu Weihnachten wurde ich von einem Lehrer mit einer 3 Liter großen Palinkaflasche belohnt- dem berühmten rumänischen Schnaps, sehr auch zur Freude meiner Mitbewohner. Alles in allem versteht man aber so den Lehrerberuf viel besser- Schüler, die reden, sind einfach störend! An dieser Stelle ein Gruß an meine ehemalige Lateinlehrerin Frau Popst- Ich verstehe jetzt warum sie mich gelegentlich aus dem Klassenzimmer entfernt haben!
Ansonsten nutze ich die freie Zeit besonders zum Reisen. Anfang Dezember ging es mit 3 Freiwilligen aus Spanien und Portugal nach Debrecen in Ungarn. Transportweg für Freiwillige ist dabei Trampen, sehr zum Schrecken meiner Eltern. Das funktioniert in Rumänien aber auch über große Distanzen sehr gut. Ich musste lediglich feststellen, dass männliche Tramper gekonnt ignoriert werden und unbeliebt sind und weibliche Begleitung Vorteile mit sich bringen- mein spanischer Co-Tramper und ich mussten uns jedenfalls stets unauffällig im Hintergrund halten. In Ungarn gab es auch erst einmal einen Kulturschock: Die Autos halten tatsächlich an Zebrasteifen. Die Stadt war auf jeden Fall einen Besuch wert, auch wenn mich die arktischen Temperaturen in einen wandelnden Eiszapfen verwandelten. Meine nächste Tramperfahrung ist gerade mal eine Woche alt, als ich mit 4 anderen Freiwilligen Belgrad besuchte. Nach 15 Stunden und 600 Kilometern kamen wir auch endlich an, doch die Stadt war die Anreise echt wert! (Das sage ich jetzt ausgeruht in meinem Bett, gegen Ende der 15 Stunden war das noch anders). Auch in Serbien hatten wir einen positiven Kulturschock: Die Menschen sprechen englisch! Abends um halb zehn im Dunkeln an einem serbischen Straßenrand zu stehen und auf ein Auto zu warten ist jedenfalls auch etwas, das ich wohl so schnell nicht vergessen werde. Morgen geht es dann für einen drei Tage langen Kurztrip in die rumänische Studentenstadt Cluj weiter und dann bis Anfang Januar über Silvester nach Budapest. Das Reisen hat auch den Vorteil, dass man allmählich- ganz ganz langsam- lernt, wo sich welches Land in Osteuropa befindet.
So, nun aber zu meinen ersten nicht-deutschen Weihnachten. Mit meinen Mitbewohnern Dorothee und Jessica sowie der Italierin Anna war ich bei einer Rumänin in dem Dorf Cernesti bei ihr und ihrer Familie eingeladen. Diese Gastfreundschaft ist wieder einmal einzigartig und wir wussten alle nicht so recht, wie wir uns angemessen dafür bedanken sollen (Lindt Schokolade ist ein Anfang). Begonnen wurde unser Aufenthalt mit Essen, eine Tätigkeit die man dort so etwa in einem Abstand von 20 Minuten ausübt- dann ist die vorherige Mahlzeit etwa verdaut. Dort wird man mit Wurst- und Käseplatten, Fleischrollen, Kuchen und Tiramisu bedient- in Wochenrationen. Abends besuchte ich dann meinen ersten orthodxen Gottesdienst, bei dem es aber auch bleiben wird. Dort lauschte ich eine Stunde lang einem rumänischen (?!) Sprechgesang, während ich wartete, dass der Gottesdienst wirklich beginnt- was er aber nicht tat. In regelmäßigen Abständen musste man sich erheben und sich bekreuzigen- für Menschen mit Kreislaufproblemen kann ich diese Art von Gottesdienst auf jeden Fall nicht empfehlen! Gelegentlich wurde man auch von einem glockenläutenden Priester aus dem Halbschlaf gerissen. Wieder in der Wohnung angekommen, wurden Geschenke ausgetauscht und Weihnachtslieder gesungen- ich hatte natürlich keinen Schimmer vom Text aber trällerte munter mit. Sowieso galt dort die Regel: Wer ein Haus betreten will, muss ein Lied singen- bei manchen beendete man die Tortur vorzeitig (Alle Mahlzeiten, die folgten bleiben jetzt unerwähnt- sie würden den Rahmen dieses Blogs sprengen). Während des Abends kamen dann in regelmäßigen Abständen singende Gruppen, die im Gegenzug Geld oder - wie sollte es anders sein- Essen erhielten. Des weiteren zog eine Schauspielgruppe durch das Dorf- den Inhalt des Theaterstücks kann ich leider nicht wiedergeben, aber die Kostüme waren ganz nett! Der Alkoholgehalt liegt hier auch deutlich höher; so gab es eine 12 Mann starke Männergruppe, die nacheinander ihre Familien besuchten und Alkohol tranken. Unser Haus war relativ am Ende, weshalb die Unterhaltungen relativ amüsant waren: Ein älterer Mann entschuldigte sich, dass er seine Schuhe nicht ausgezogen hatte, aber er könne sie einfach nicht finden! Alles in allem kann ich aber nur wiederholen, dass Weihnachten in Cernesti eine tolle Erfahrung war, die ich trotz anfänglichem Heimweh nicht vergessen werde!
Mein Fahrrad ist übrigens wieder kaputt und ruht sich seit 2 Wochen in unserem Treppenhaus aus. Mein Rumänisch macht geringe Fortschritte, aber die besten Übungsstunden bleiben Unterhaltungen mit rumänischen Lkw- Fahrern, z.B. über Salami und das Heiraten- eben Themen, die man bei einer ersten Unterhaltung so abarbeitet. Unsere holländische Waschmaschine (Inweken heißt übrigens einweichen) raubt uns teilweise den letzten Nerv: Ist sie fertig, muss man sie sofort ausschalten oder sie wäscht einfach noch mal- lieber mehrmals als gar nicht denke ich mir da oft. Im rumänischen Straßenverkehr finde ich mich immer besser zurecht, auch wenn Zebrastreifen für Rumänen weiterhin nur zufällig weiß lackierte Stellen der Straße bleiben. Da meine Waschmaschine sich nun gefährlich schnell ihrem Ende nähert, sehe ich das als Zeichen, den Blogeintrag an dieser Stelle zu beenden. An dieser Stelle wünsche ich allen nachträglich schöne Weihnachten! Weniger Schnee als ich hattet ihr auch nicht.
Grüße aus einem ganz und gar nicht schneebedecktem Rumänien!
PS: Als Tipp für zukünftige Freiwillige: Eine Sahnesoße mit vorgezuckerter Sahne schmeckt irgedwie nicht so gut. (Wenn Kuchen auf der Packung sind- Finger weg!)
PPS: Ich habe herausgefunden, dass es über 6000 Kirchen in Rumänien gibt- ich habe beschlossen gar nicht erst anzufangen..