Konzentrationslager Majdanek (Lublin)
Wer sich in Polen mit dem Holocaust beschäftigt, besucht meistens das KZ Auschwitz/Birkenau. Doch nicht unweit in einem Vorort von Lublin entstand zeitgleich ein Lager, dessen zerstörerische Wut ebenso schockierend wie unbekannt ist.
Das Konzentrationslager (KZ) Majdanek in der Nähe von Lublin wurde ab Oktober 1941 zeitgleich mit dem KZ Auschwitz als Schutzhaftlager für Oppositionelle in der neu besetzten Region Lublin errichtet. Das 30 ha große Gelände war in 5 rechteckige Felder (Feld I bis V) von jeweils 360x150 m Ausmaßen aufgeteilt. Auf jedem Feld standen 20-22 Baracken in zwei Reihen, außerdem gab es eine Küche und einen Waschplatz. Den freien Raum zwischen den Baracken nutzte man als Appellplatz.
In Feld III und IV gab es nur primitive Holzbaracken; nur jene in Feld III stehen heute noch und können besichtigt werden, alle anderen wurden nach dem Krieg zerstört oder demontiert. In den ersten Monaten waren sie auch nur spärlich ausgestattet – die Inhaftierten mussten auf Stroh oder Holzmatten auf dem Boden schlafen, manchmal nur mit einer sehr dünnen Decke und das auch bei den eisigen Temperaturen im Herbst und Winter. Seit dem Frühjahr 1942 standen dreistöckige Holzbetten sowie für die Aufseher Tische und Hocker zur Verfügung. Die im Zuge der Erweiterung des Lagers später errichteten Baracken in Feld I, II und V waren richtige Wohnhäuser mit Fenstern. Im Winter konnten sie durch zwei kleine Öfen beheizt werden; diese Möglichkeit wurde aber nur sparsam genutzt. Auch die ab Herbst 1943 installierten Waschbecken und Toiletten konnten die Hygienebedingungen nur wenig erhöhen, lebten doch seit dem Frühjahr 500 Lagerinsassen in Baracken, die für 250 Leute konzipiert worden waren. Im Mai 1943 erreichte das Lager mit 24 791 Inhaftierten seine höchste Auslastung.
Wenn Gefangenentransporte das Lager erreichten, mussten sich die Ankommenden zunächst in einer Umkleidebaracke ausziehen. Das anschließende Verlesen der Transportliste konnte stundenlang dauern. Die Aufgerufenen ließen ihre mitgebrachten Habsachen zurück, bekamen eine Nummer und mussten dann zu Hunderten ins Bad und in die Infektion. Zuerst wurden ihnen von slowakischen Juden sämtliche Haare vom Körper rasiert, Kopfhaar, Barthaar, unter den Achseln … Nachher wurden sie in einen dreckigen, mit grellblauen Holzlatten verkleideten Raum gedrängt, von dessen Decke mehrere Dutzend Duschköpfe herabhingen, aus denen eiskaltes Wasser herausspritzte, gefolgt von kochendem und nochmals eiskaltem. Danach musste jeder zur Desinfektion in einen Pott heißen, flüssigen Phenols steigen.
In der Nähe des Lagers wurden Verwaltungsgebäude und Werkstätten errichtet, in denen die Lagerinsassen oft entsprechend ihrer Ausbildung als Schmiede, Köche, oder Zimmerer arbeiteten. In der lagereigenen Goldschmiede wurde das jüdische Gold neu verarbeitet. Auch die Häftlingskleidung wurde in der Nähwerkstatt vor Ort produziert. Heute kann man nur noch die Schusterei besichtigen.
Bis zur Einrichtung des Lebensmittellagers war es Aufgabe der Lubliner Bürger Majdanek mit Lebensmitteln zu versorgen. Doch auch später noch schickten großherzige Frauen Lublins sowie das Polnische Rote Kreuz und der Zentrale Wohl Polens Medizin, Verbände und Therapeutika. Päckchen von außen, die erst illegal ins Lager geschmuggelt, später aber legalisiert wurden, unterstützten die Häftlinge nicht nur praktisch mit Lebensmitteln, sondern gaben ihnen auch die Gewissheit, nicht allein zu stehen und dass soziale und politische Organisationen für sie eintraten. Spezielle Belege erlaubten es einem, seine Familie über den eigenen Verbleib zu informieren. Und manchmal schafften es Akteure der zwischen Gefangenen aller Felder agierenden Widerstandsbewegung auch, Nachrichten aus dem Lager herauszuschmuggeln. Dr. Sztaba zum Beispiel beschrieb seitenweise Papier mit kleinster Handschrift über Baracken und deren Lage, den Lagerplan, die sanitären Umstände, Essen, Arbeit, Behandlung, ankommende und fahrende Transporte, Selektion, Vergasung, Gaskammern, Ermordung durch Hängen und Erschießen, Aufbau der SS, den Nationalitätenschlüssel und Größe und Lage der Gefangenen.
Im KZ Majdanek waren Gefangene mit über 50 verschiedenen Nationalitäten vertreten. Die größten Gruppen stellten Polen, Russen, Weißrussen, Ukrainer und Deutsche dar, aber es saßen auch Franzosen oder Norweger hier ein. Im Frühjahr 1943 wurden überdies vermehrt Juden als Arbeitskräfte, aber auch mit dem Ziel der Ermordung nach Lublin deportiert, sodass das Lager vom „Kriegsgefangenenlager“ zum „Konzentrationslager“ umfunktioniert wurde. Die Selektion der Juden fand im sogenannten „Rosengarten“, einem von Stacheldraht umgebenen Selektionsplatz außerhalb des Lagers, statt, wo die Häftlinge den Lagerarzt Dr. Heinrich Rindfleisch sowie anderen Angehörige der SS passieren mussten und entweder ins Bad oder an die Seite geschickt wurden. Arbeitsfähige, junge Männer wurden von ihren Familien getrennt, während die aussortierten Frauen, Kinder und Alten in die kleinen Gaskammern gepfercht und mit Kohlenstoffmonoxid oder seltener auch Zyklon B vergast wurden. Das alles dauerte nicht länger als 5 Minuten.