Karneval: Kern der europäischen Kultur
Über den Karneval in Bulgarien und seine Funktion als verbindendes Element in Europa.
Ein kleines Städtchen im Nordwesten von Bulgarien: Kommt man an einem gewöhnlichen Tag in die Stadt Pernik, so wird einem wohl nichts besonderes auffallen außer dem Bild einer typischen Kleinstadt. Doch für drei Tage Ende Januar verwandelt sich dieses Bild plötzlich ins komplette Gegenteil. Männer und Frauen mit allen Arten von Masken ziehen durch die Straßen, man hört Glockengeläut, es wird getanzt und gefeiert. Doch was für einen Anlass gibt es dafür?
Auf dem sogenannten Surva-Festival wird an diesem Wochenende der Winter vertrieben. Dieser Brauch nennt sich Kukeri und ist eine alte Tradition in Bulgarien. Ursprünglich war es den Männern vorbehalten, sich zottelige Mäntel und wild aussehende Masken anzuziehen und dann mit den umgehängten Kuhglocken mit großem Lärm durch die Dörfer zu ziehen. Es galt, den Jahreszeitenwechsel einzuleiten und sich somit auch bereit zu machen, die Natur wieder landwirtschaftlich zu nutzen. Als Belohnung für ihre Mühe (manche Glocken wiegen immerhin 40 kg) bekamen die Männer dann von den Dorfbewohnern Speisen und Getränke. Inzwischen wird diese Tradition nicht mehr so intensiv gepflegt, allerdings kommen an Events wie diesen immer noch jährlich Maskenträger aus ganz Europa zusammen, um zusammen zu feiern und zu tanzen.
Dabei fallen einem sehr viele Gemeinsamkeiten der Masken auf. Speziell in den umliegenden Balkanländern wie etwa Mazedonien existiert diese Tradition in fast der gleichen Form.
Mit diesen Gemeinsamkeiten hat sich der italienische Anthropologe Giovanni Kezich beschäftigt und ist auf ein interessantes Ergebnis gekommen. Von Italien ausgehend hat er sich mit den Karnevalstraditionen der Balkanländer, Spaniens, Englands und anderen europäischen Ländern beschäftigt. So gehören das Tragen der beschriebenen Masken, die Darbietung verschiedener Tänze, das symbolische Pflügen des Dorfplatzes und die Verurteilung und Beerdigung einer für den Karneval stehenden Figur zu den Grundzügen, die sich in all diesen Ländern erkennen lassen.
Eine eindeutige Erklärung dieser Gemeinsamkeiten ließ sich noch nicht herausfinden, allerdings hängen diese Traditionen sehr stark am agrarisch geprägten Kalender früherer Zeiten. Dadurch ist der Karneval eines der ältesten gemeinsamen europäischen Rituale und ist somit auch ein Spiegel der europäischen Identität und wie sich diese im Laufe der Jahrhunderte verändert.
Auch wenn in der heutigen Zeit bei diesen Veranstaltungen mehr der Spaß im Vordergrund steht als früher, lässt sich doch beobachten, dass sich immer mehr Menschen und besonders Jugendliche wieder stärker an alten Traditionen, Werten und Bräuchen orientieren. Studien belegen, dass dieses Umdenken durch unsere globalisierte Welt ausgelöst wird, da Traditionen wie etwa der Karneval feste wiederkehrende Strukturen aufweisen, die das Jahr gliedern und Orientierung bieten. So wird der Karneval seine wichtige Bedeutung wohl weiter beibehalten und uns weiter die Gelegenheit bieten, ausgelassen und fröhlich zu feiern.
Hauptquellen:
https://www.youtube.com/watch?v=wdzLWP6ZWFU
http://carnivalkingofeurope.it/
http://m.focus.de/familie/freizeit/blasmusik-und-karneval-ist-in-bei-jugendlichen-in-jeans-und-tracht_id_2186472.html