Inowroclaw: Eine Sonntagsfahrt
Again Johannson has to say Goodbye soon – no reason to celebrate. Damit ihm bis dahin die Decke nicht auf den Kopf fällt, nutzt er die Zeit auch am letzten Wochenende, um noch mehr von Polen zu sehen und zu erleben.
Here we go again
Jetzt ist es also doch passiert. Alles was ich tue, ist von einem zunehmenden Schleier Endzeitstimmung unterlegt. Beim ersten Mal vor einiger Zeit wurde ich von der angenehmen Entdeckung gerettet, dass ich mich verrechnet hatte und noch drei statt zwei Wochen hatte; ich fürchte das wird sich nicht mehr wiederholen. Mit Schrecken sehe ich, wie ich kaum weiß, alles was ich noch vorhabe, in die letzten paar Abende zu stopfen. Mit Schrecken sehe ich, dass ich schon lange nicht mehr am Fluss war und es auch nicht mehr schaffen werde, wenn ich nicht aufpasse. Dabei wird es sichtbar Herbst; die schwimmenden Kneipen sind schon geschlossen. Gestern habe ich mich endlich überwunden und bin Kleidung kaufen gegangen, ein Akt, den ich verabscheue wie Hautausschlag. Drei Stunden habe ich mich durch die Galeria Copernica gequält, und fast zwei Monatsgehälter ausgegeben, aber dafür hat sich Klamottenkaufen hoffentlich wieder für die nächsten fünf Jahre erledigt. Jetzt brauche ich nur noch neue Schuhe, einen USB-Stick, etwas polnische Musik...
Danach war mir dann aber klar, dass ich am Sonntag wieder etwas weg muss, denn ich weiß, was mein Gemüt mir antun wird, wenn ich das letzte Wochenende zu Hause verbringe. Also habe ich etwas gemacht, was ich inzwischen „Hexham-Tour“ nenne, bin in einen Zug gestiegen und für den Tag in ein Nahziel gereist. Die Fahrt war nicht uninteressant, ich sah eine vollkommen verrostete Dampflok, die wer weiß wie lange schon auf einem Abstellgleis steht. In den Wäldern sammelten die Leute, die tagsüber in Torun auf den Märkten sitzen, frische Pilze. Ein Mann saß am Rand eines Feuerstreifens und sah dem Zug zu.
Nicht zu retten
Inowroclaw war mir von Ewa empfohlen worden und stellte sich mir vor als ein Ort von atemberaubender Bedeutungslosigkeit. Es mag daran liegen, dass es Sonntag in einer kleinen Stadt war, aber ich lief durch die Straßen mit einem nicht enden wollenden Unglauben, dass hier tatsächlich überhaupt nichts sein kann. Okay, eine der Kirchen hat einen interessanten separaten Glockenturm aus Holz. Aus den Fenstern und von den Wäscheleinen der Hinterhöfe hängen die Pilze zum Trocknen. Vielleicht ist es an Werktagen ganz nett, aber sonntags war da einfach... gar nichts. Die einzigen Leute, die man auf den langen leeren Straßen voller geschlossener Geschäfte traf, liefen zur oder kamen von der Kirche. Die größte ist auch wirklich beeindruckend, aber entweder ist Gottesdienst oder es wird abgeschlossen. Das einzige annehmbare Cafe war teuer und kitschig. Zuletzt bin ich noch in den Park gegangen und nichts ahnend in den größten Arbeitgeber am Ort gestolpert: ein gigantisches Sanatorium mit Grünflächen und ganzen Stadien, Schwimmhallen, Tennisplätzen, furchtbaren Bettenburgen für die Gäste. Von einer monströsen Geschmacklosigkeit und mit Plakaten auf denen die Saunen mit lächelnden, blonden, kerngesunden jungen Frauen gefüllt waren, die man im Sanatorium garantiert nie finden würde.
Als die Sonne herauskam, sah es noch ganz nett aus und die alten Häuserfronten verdienen wirklich Achtung. Ich weiß, es war viel besser, als in Torun zu bleiben. Aber wenn man weiß, dass andere Leute auch gerade im Zug sitzen und sagen wir mal für ein Jahr nach Tschechien fahren, dann... Und ich habe nichts in Sicht, als einen langen Winter in Magdeburg. Halb vier habe ich den Zug zurück genommen.
Wie ich jetzt erfahren habe, feiere ich am Mittwoch meine Abschiedsparty. Halb acht, auch wenn ich nicht viel Grund zum Feiern sehe.