Im Norden von Spanien - eine Liebeserklärung
Wie in fast allen Ländern gibt es auch in Spanien ein Nord-Süd-Gefälle: Nordspanier sind die Miesepeter, schließlich regnet es dort immer, Südspanier sind Faulpelze und leben nur für Siesta und Fiesta. Gut, dass man durch Reisen sein eigenes Fazit ziehen kann. Ich war acht Tage lang in sechs Städten im Norden Spaniens unterwegs und passierte dabei vier der nördlichen Provinzen komme zu eigenen Ergebnissen: Eine Liebeserklärung.
Galizien - Santiago und A Coruña
Von Madrid aus beginne ich meine Reise in der Provinz Galizien, dem Nordwestzipfel Spaniens. Dort wo jährlich etwa 75 000 Pilger zu Fuß, mit dem Fahrrad, auf dem Pferd oder im Rollstuhl die letzte Etappe des Jakobsweg beenden, stehe ich am Anfang meiner Nordtour. Mit 150 Regentagen im Jahr ist Galizien die Schlechtwetterregion Spaniens, wer nicht durch strömende Wassermengen über das Kopfsteinpflaster von Santiago gelaufen ist, hat Santiago eigentlich nicht richtig kennen gelernt. Ich stehe auf dem Platz vor der Kathedrale von Santiago und die Sonne scheint - aber die Stadt verzaubert mich trotzdem. Woher kommen dieser geheimnisvolle Charme und Magie? Von der Atmosphäre der mittelalterlichen Altstadt und ihren kleinen Gassen, dem Park der Alameda und seinen gewundenen Bäume und verwünschten Teiche und die selig und erlösten Gesichter der Pilger, die nach vielen Wochen Wanderschaft endlich ihr Ziel erreicht haben.
Ich bleibe in Galizien, aber fahre an die Küste nach A Coruña. Diese Stadt ist Galiziens Wirtschaftsmotor, Hochburg von Erasmus-Studenten und nennt den weltältesten Leuchtturm, den „Torre de Hercules“, sein Eigen. Vom dem Hügel „Monte de San Pedro“ überblickt man nahezu die gesamte Stadt, ihre raue Atlantikküste und die 17 Kilometer lange Promenade entlang des Strandes, die sich bei jedem Wetter mit Joggern und Skatern füllt. Neben seinen schönen grünen Landschaften zeichnet sich Galizien vor allem in seinen Meerspezialitäten aus. Ich probiere Miesmuscheln mit einer scharfen Sauce und „chipirones“ (kleine Tintenfische), aber an die Krake („Pulpo de la Gallega) traue ich mich doch nicht heran. Zwei weitere Eigenheiten Galiziens sind die eigene Sprache („gallego“), die dem Portugiesisch näher als dem Spanischen ist und der Einfluss der keltischen Kultur. Nicht selten hört man beim Spazieren Melodien von der „Gaità“ (galizischer Dudelsack) und es gibt einige keltische Castros, archäologische Fundstätten von keltischen Städte.
Asturien vs. Kantabrien: Gijon und Santander
Alle Menschen, die sich in den Norden Spaniens verliebt haben, hegen vor allem Gefühle für Asturien. Es ist das grüne Paradies Spaniens, kombiniert beeindruckende Berglandschaften (Gipfel Europas) mit großartigen Surferküsten, und ist das Schlaraffenland für Käseliebhaber und Sidraverehrer. In Gijon, die Hafenstadt der Provinz, wird Sidra (Apfelwein) traditionsgemäß vom Kellner kunstvoll aus einer Höhe von etwa 50 cm in das Glas eingegossen. Gijon besitzt eine hübsche Altstadt, die auf einem Hügel liegt und nur wenige Schritte weiter einen beeindruckenden Blick auf die rauen Klippen und den breitflächigen Strand San Lorenzo erlauben. Seinen Charme zieht Gijon vor allem aus seiner Lässigkeit: durch die vielen Fußgängerpassagen schlendern vor allem Asturianer und keine Touristen, am Strand bestaunt man die Kunststücke der Wellensurfer und im Zentrum probiert man sich durch die Käse-, Oliven - und Schinkenvielfalt eines traditionellen Markts.
Die Reise geht weiter nach Santander in die Provinz Kantabrien. Laut Spaniern gehört Santander auch zu den drei S, den schönsten Städten Nordspaniens, zusammen mit Santiago de Compostela und San Sebastian. Die Strandlkulissen gleichen einem Bilderbuch; kristallfarbenes Meer, weißer Sand, grüne Dünen und rosa WIldblumen. Die Parklandschaft bei der Halbinsel La Magdalena wirkt wie gezeichnet mit dem herrschaftlichen Schloss auf seiner Spitze. Fast enttäuschend ist daher die Rückkehr ins Stadtzentrum. Es ist viel touristisches Treiben, aber wenig zu entdecken. Eine Reise im Sommer ist Santander somit auf jeden Fall Wert, als Städteurlaub lieber nicht.
Baskenland - Bilbao und San Sebastian
Die letzte Provinz bringt mich bis zur Grenze Frankreichs. Das Baskenland ist ein Charakter für sich, hat seine eigene Sprache, Kultur und Mentalität. Euskara wird von knapp 800 000 Menschen gesprochen, für jeden anderen klingt diese Sprache mit unbekannter Herkunft doch sehr fremd. Hola que tal? (Wie geht es dir) heißt Kaixo, zer moduz? - keine Chance also, irgendetwas zu verstehen, zum Glück wird aber alles zusätzlich auf Kastellanisch übersetzt. Mein erster Zielort im Baskenland ist Bilbao, die Stadt des Guggenheims. Ein Tag in Bilbao reicht gerade, um das Guggenheim zu besuchen und einen Blick in den Altstadtkern zu werfen. Diese Stadt sieht nach Zukunft aus, wenn man das Guggenheim , die moderne Metro, die Spiegelfassaden und abstrakten Denkmäler im Stadtkern betrachtet, besitzt aber auf der anderen Seite eine belebte Altstadt, eine schöne Mischung aus Alt und Neu also.
Mein letzter Halt ist San Sebastian, eines kleines Städtchen an der Atlantikküste des Baskenlandes. Angeblich gibt es niemanden, der sich nicht von dieser Stadt verführen lassen könnte, wenn man durch die schmalen Gassen der hübschen Altstadt mit kunstvollen Torbögen und versteckten Plätzen schlendert, die kleinen Boutiquen entdeckt oder sich durch die unzähligen „Pinxos“ Bars kostet. Abends beobachtet man den filmgleichen Sonnenuntergang am Hafen beim Berg Urgull, sieht wie die letzten Surfer ihre Bretter nach Hause tragen oder lauscht den baskischen a cappella Gesängen auf dem Boulevard - ja, auch ich habe mich in San Sebastian verguckt. Aber San Sebastian hat seinen Preis. Pinxos sind kunstvoll angerichtet Tapas, die auf dem Bartresen wie kleine Kunstschätze präsentiert werden, aber auch ein kleines Vermögen kosten. Und das gemütliche Schlendern durch die hübschen Gassen gleicht manchmal eher einer Karawane von einem Touristenzug, der sich beschwerlich durch die Straßen schiebt.
Adiós, Adeus , Agur und Auf Wiedersehen
Mit San Sebastian nimmt meine Reise leider ihr Ende. Ich bin müde vom vielen Sehen, Laufen und Rumreisen und trotzdem wünschte ich, noch weiter ziehen zu können, oder einfach wieder die gleiche Route zurück zu unternehmen. So könnte ich alle schönen Plätze, die ich in der letzten Woche in den verschiedenen Provinzen und Städte entdeckt habe, noch einmal bestaunen und mich wieder an den leckeren Meersfrucht- und Käsespezialitäten satt essen. Mir bleiben viele Eindrücke und Erinnerungen an diese Reise, die sagenhafte Natur, der fremde Klang von Galizisch und Baskisch, die Vielfalt der nordischen Küche und eine wichtige Erkenntnis: ich komme so schnell wie möglich zurück zu dir, mein Norden.