Im Fluss des Lebens
Über ein Jahr voller Abenteuer und Herausforderung aus einer sehr persönlichen Perspektive.
Das helle Lachen meiner Freunde verschallt langsam und ich spüre noch den sanften Kuss meines Freundes auf meinen Lippen.
Ich lächele und ein Gefühl der Freude durchströmt mich.
Ich schaue aus dem blau weißen Zug und sehe alte steinerne Häuser, zerfallen, zu nahe am Gleis.
Ist das Tschechien?
„Hello! Bye! Heh! Ahahaha!”, schreit der kleine Junge voller Vergnügen und ich versuche ihn zu fangen.
Aufgeregt spielen die Kinder vor mir am Boden.
Ich rücke mit meinen Stuhl zurück, betrachte sie aus der Ferne und wundere mich, was ich denn eigentlich hier mache.
„Wo ist meine Oma?
Was macht mein Freund?
Ich hatte viel zu wenig Zeit, um ihnen Auf Wiedersehen zu sagen.
Oma weinte sogar.
Ich will zurück!”
Mit Schweißhänden fahre ich nach Prag.
Panische Angst macht sich in mir breit.
Was, wenn ich den Weg nach Sušice nicht finde?
In einem Land, dessen Sprache ich nicht spreche.
Auf einer Reise, deren Weg ich nicht kenne.
Die blaue Rassel läuft auf und ab, kleine bunte Perlen erzeugen ein Gefühl von plätscherndem Regen und ich halte sie dicht vor Anetka.
„Ooooh! Co to je?”
Langsam versiegen ihre Tränen und ihre kleine Kinderhand greift neugierig nach der Rassel.
„Ok Dana, sei selbstbewusst!
Dein Englisch ist gut!
Bereit für das Interview? -
Definitiv!”
Wow!
Nun doch im unbekannten Tschechien.
Der erste Arbeitstag war gut, wobei ich die einzige Ausländerin hier bin.
Weit und breit höre ich nur Tschechisch.
Ich laufe vom Babysitting Zentrum zum großen See und setze mich auf die alte hölzerne Bank.
Dort wo wir heute mit den Kindern die schwarz-weiß gefiederten Enten gefüttert haben, lasse ich nun die heiße Sonne meinen Körper wärmen.
Noch 100 Weihnachtsgeschenke mehr einpacken.
Freude, dass Sandra und ich uns so gut verstehen, lässt das Heimweh verschwinden und ich komme endlich an.
Lautes Türschlagen und metallenes Töpfeschellen wecken mich schlagartig auf.
Wie kam es nur dazu, dass das Verhältnis zwischen Sandra und mir so eskalierte?
„Was ist, wenn du eine andere kennenlernst?
Können wir heute skypen? -
Ich muss heute lernen.
Liebst du mich denn noch? -
Ich weiß nicht, was ich fühle.
Warum ignorierst du mich?”
„Haben Sie Stress, durch Examen oder Familie?”
„Jan,
ich möchte diese Beziehung nicht mehr führen, wenn du dich in der Negativität verlierst.
Meine Hilfe nimmst du nicht an.
Du scheinst dort gar nicht rauskommen zu wollen.”
„WILLST DU ES WIRKLICH WISSEN?
Du bist wie jeder Fremde auf der Straße für mich!
Ich kann Hallo sagen, doch du bist mir komplett egal!!!
Sprich mich nicht mehr an für die nächsten Tage, Wochen, Monate, Jahre!
Wenn du heulen willst, geh in dein Zimmer!”
Tränen brechen aus gegen den völligen Kontrollverlust.
Ich fühle mich auf einmal so klein.
Ich muss hier raus!
Ich kann nicht mehr
mit Sandra wohnen.
Verzweifelt schreibe ich meiner Entsendeorganisation in einem Cafe weit weg von meiner WG.
Ich renne schnell ins Bad und beuge mich über die weiße Kloschüssel.
Viermal übergebe ich mich und es kommt nichts als gelbe Galle.
Das warme Wasser tropft auf meinen Kopf und der Schmerz zerrüttet mein Herz.
Wie soll es jetzt noch schlimmer werden?
Nervös tippe ich die erste Nachricht nach 6 Jahren Funkstille an meinen Vater.
Große leuchtende Kinderaugen mit einem Mund voller Lachen, lassen mich alles vergessen und ich weiß zur gleichen Zeit wieso.
Verträumt, mein Eis genießend, lehne ich mich zurück und genieße die Freiheit, die Tschechien mir gibt.
Prickelnd spüre ich den erfrischenden Regen auf meiner trockenen Haut und sauge tief die frische, kühle Luft in mich ein.
Weinrote, okergelbe und moosgrüne Blätter, die gold in der Morgensonne schimmern, begrüßen mich, als ich lachend mit dem Zug an einer Gruppe Jugendlichen vorbeifahre, die laut „Wohoo” schreit.
Immenser Frieden erfüllt mich und ich sehe.
Sehe die Verbindung, sehe das immer vibrierende Netz, das uns alle verbindet.
Who I am now?
Who I was before, to be honest I am not quite sure.
It doesn't matter who I was before.
Only matters who I am now.
Danke, Danke, Danke
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