Ik spreek een beetje Nederlands
Ankunft in Amsterdam, erste Tage im Projekt und die Schlupflöcher der deutsch-niederländischen Sprachbarriere
Am Montagmorgen ging es zunächst zu Fuß, dann mit dem Zug und schließlich mit dem Bus zu unserem neuen Zuhause – den Studentenzimmern in Amsterdam. Glücklicherweise wohnen die meisten unserer kleinen „Amsterdam-Freiwilligen-Gang“ nur einen Katzensprung voneinander entfernt, was uns das Planen spontaner Unternehmungen sehr erleichtert.
Nun kamen also neue, wichtige erste Eindrücke auf mich zu: das Schleppen meines Gepäcks in den vierten Stock (danke nochmals an Pia, die mir geholfen hat!) an einem ungewöhnlich warmen Tag im September, das erste Betreten der WG, in der ich nun mit zehn Menschen leben würde, die erste Sichtung meines neuen Zimmers sowie das Auspacken, Einräumen und Organisieren meines neuen Zuhauses. Den ersten Abend in Amsterdam verbrachte unsere kleine Gang in einem „gezelligen eetcafé“ – allerdings fehlte ein Mitglied der Gruppe leider. Ein Bewohner ihrer WG wurde positiv auf Covid-19 getestet, war für sie eine zehntägige Quarantäne zur Folge hatte – und das zu Beginn unseres Abenteuers, zu der Zeit, in der wir Amsterdam kennenlernen und entdecken wollten. Neben der Freude, endlich angekommen zu sein, wurden uns die Umstände der aktuellen Lage deutlich bewusst – das Programm und die „Isolation“ in der geschlossenen Gruppe während der Orientierungstage hatte die Realität etwas getrübt, unsere Gedanken waren hauptsächlich bei der Spannung in Anbetracht eines neuen Lebensabschnitts und der Emotionalität der Umstände. Der Vorfall machte aber schnell klar – es kann jeden von uns treffen, wir müssen aufpassen und wir müssen solidarisch sein. Schnell beschlossen wir, dass wir uns gegenseitig helfend zur Seite stehen würden. Einkäufe erledigen, Kuchen backen und Extraportionen kochen, um die Quarantäne ein wenig zu verschönern und die Eintönigkeit etwas erträglicher zu machen (selbst vor einem mitternächtlichen, peinlich schiefen, Geburtstagsständchen vor den Fenstern des Studentengebäudes machten wir keinen Halt). Inzwischen darf unsere erste Quarantäne-Betroffene wieder am Leben außerhalb teilnehmen, allerdings haben wir auch schon die nächste Betroffene, die die nächsten zehn Tage in Quarantäne bleiben muss.
Die ersten Tage gaben wir uns auf Erkundungstouren durch Amsterdam, machten Besorgungen für die Ausstattung und die Deko unserer Zimmer, entdeckten ein schönes Café nach dem anderen, entspannten uns beim Kartenspielen im nächstgelegenen Park und tankten die letzte Spätsommersonne. Manch einer wagte es sogar, in einer Gracht baden zu gehen.
Die Amsterdamer und das fietsen
Die Amsterdamer an sich sind meistens sehr, sehr offen und freundlich. So wurde ich auf der Straße beispielsweise auf meine Ukulele angesprochen, die ich auf meinem Rücken trug. Die ältere Frau erzählte uns von ihrer Begeisterung fürs Ukulele spielen und wie sie die Musik mit vielen Freund*innen auf der ganzen Welt verband, die sie dadurch kennengelernt hatte und sie freute sich sehr, dass wir das Instrument genauso sehr zu schätzen wussten wie sie. Als wir ihr erzählten, dass wir hier Freiwillige sind, war sie ebenfalls sehr interessiert. Das Gespräch dauerte nur einige Minuten, trotzdem werde ich die freundliche Offenheit der Frau nicht so schnell vergessen. Das Musik sogar dann verbindet, wenn man sie gerade nicht hören kann, habe ich auch gelernt.
Die einzige Situation, in der die Amsterdamer nicht sehr freundlich sind, ist auf dem Fahrradweg. Das Fahrradfahren auf meinem uralten „fiets“ ist für mich noch jedes Mal ein Nervenkitzel. Es ist allerdings das gängigste und schnellste Fortbewegungsmittel in Amsterdam, man kommt also kaum drum herum. Der Verkehr ist sehr zügig, meistens nehmen sich die Fahrradfahrer ihre Rechte einfach und machen sich Platz, damit sie so schnell wie möglich vorankommen. Zudem fahren ausnahmslos alle ohne Helm. Mein fiets habe ich durch einen sehr lieben Arbeitskollegen bekommen, da seine neunzigjährige Nachbarin ihres nicht mehr benötigte. Es wurde mir geschenkt, was mich bis heute sehr, sehr freut. Vermutlich ist das Fahrrad selbst auch etwa neunzig Jahre alt – so sieht es zumindest aus. Rostig ist es, die Lichter und die Klingel musste ich austauschen, ansonsten ist es noch top fit – bis auf das, etwas beängstigende, Knacksen während des Fahrens. Charmant ist es trotzdem, ein echtes Amsterdamer fiets eben. Die erste Fahrt mit meinem fiets war auch eher abenteuerlich. Google Maps hat mich nämlich überzeugt in die falsche Richtung fahren lassen – und das eine halbe Stunde lang, bis ich mich nicht einmal mehr ansatzweise in meiner Umgebung auskannte. Den Weg zurück habe ich irgendwie gefunden, dabei hatte ich eine etwas unfreiwillige Sightseeing-Tour durch Amsterdam.
Ein weiterer Teil unserer „Ankommensphase“ ist der gemeinschaftliche Sprachkurs. Dieser sollte eigentlich im Goethe-Institut stattfinden, was wegen Platzmangels und den Corona-Regeln leider nicht möglich war. Unser Sprachkurs fand deshalb über drei Tage verteilt online statt und war meiner Meinung nach „heel intensif“. Da es eigentlich ein Crashkurs war, hatte unsere Lehrerin ein ziemlich zügiges Tempo drauf. Was mir an der niederländischen Sprache aufgefallen ist: Sie hat eine, für mich nicht unwichtige, Parallele mit meiner Muttersprache Schwäbisch. So gut wie jedes Wort wird hier mit der Endung -je verniedlicht, das schwäbische Äquivalent wäre die Endung -le. Ich möchte die Hochdeutsche Verniedlichung -chen natürlich nicht vernachlässigen, allerdings finde ich, dass sie nicht so prägend ist wie im Niederländischen oder auf Schwäbisch. Generell scheint die niederländische Sprache ein Mix aus Englisch und Deutsch zu sein – etwas näher am Deutschen. Viele Wörter sind ähnlich, manche sind grundverschieden. Vieles versteht man als Deutsche*r gut, oft muss man aber auch ganz genau hinhören. Die größte Krux ist allerdings die Aussprache, die scheint mir manchmal noch schleierhaft zu sein.
Mein Start im Widerstandsmuseum
Die ersten Tage in meinem Projekt waren aufregend! Meine Ansprechpartnerin zeigte mir das Museum, sämtliche Mitarbeiter*innen wurden mir vorgestellt, ich verbrachte allein im Junior-Museum drei Stunden und ebenso viel Zeit, um die Hauptausstellung kennenzulernen. Meine Kolleg*innen sind alle extrem nett, herzlich, geduldig und hilfsbereit. Für mich ist es nicht selbstverständlich, dass das Verzetsmuseum in dieser Ausnahmezeit eine Freiwillige bei sich aufnimmt – umso herzlicher werde ich von allen aufgenommen! Auch wenn meine niederländischen Sprachkenntnisse noch holperig sind - alle hören mir geduldig zu, helfen mir Worte zu suchen und Sätze zu formen, wenn ich an die Grenzen meines Wissens stoße. Sie loben mich, wenn ich den Mut habe einfach loszusprechen, ungeachtet der Fehler, die ich dabei mache und sie loben die kleinen Fortschritte, die sich langsam zeigen. Alle sprechen konsequent Niederländisch mit mir, damit ich mich so schnell wie möglich an die Sprache gewöhne, allerdings darf ich manchmal auch auf Englisch antworten, wenn mir wirklich die Worte fehlen und wenn ich etwas gar nicht verstanden habe, wird mir alles nochmal auf Englisch erklärt.
Meine Aufgabenfelder sind bis jetzt noch etwas eingegrenzt, schließlich arbeite ich hier noch nicht so lange. Meistens helfe in an der Rezeption aus, auch wenn wegen Corona leider sehr wenige Menschen das Verzetsmuseum besuchen. Das war zu Beginn ein kleiner Stoß ins kalte Wasser, denn mit den Besuchern sollte ich im Optimalfall niederländisch sprechen. Wie in der Schule habe ich mir Vokabellisten und Beispielsätze geschrieben, die mir als Hilfe und Stütze dienen. Mein größter Erfolg ist es, wenn die Menschen mich ohne nachzufragen verstehen. Allerdings wird es mit der Übung immer besser und es macht mir sehr viel Spaß zu sehen, welche Leute das Museum besuchen, auch wenn das zurzeit hauptsächlich Einheimische und nur wenige Touristen sind.
Ansonsten befasse ich mich neben dem Niederländischlernen hauptsächlich mit den Inhalten des Verzetsmuseums – mit der Ausstellung, der Geschichte der Niederlande im zweiten Weltkrieg und mit der Frage des „verzets“, des Widerstandes. Wenn ich nicht gerade an der Rezeption sitze lese ich also Bücher, Magazine und Zusammenfassungen der Ausstellungen des Verzetsmuseums – wahlweise auf Niederländisch oder Englisch. Das Ziel dabei: So bald wie möglich selbst Führungen durch das Museum und das Viertel geben zu können.
Wie geht’s weiter?
Auch wenn ich nun etwa seit drei Wochen in Amsterdam lebe, habe ich nur einen Bruchteil von dem gesehen, was Amsterdam zu bieten hat. Und die ganzen Niederlande möchte ich ja eigentlich auch bereisen – im Optimalfall mit dem ein oder anderen Abstecher nach Belgien, wenn Corona es zulässt. Die To-Do-Liste in meinem Kopf wird jeden Tag eher länger als kürzer und ich muss aufpassen, dass mein Jahr hier genauso weitergeht wie bisher – voll von schönen, spontanen und inspirierenden Momenten – und nicht nur das sture Abarbeiten einer starren Liste wird. Das pendelt sich vermutlich von selbst ein, zu streng darf man die Horizonterweiterung nicht nehmen, denn die erfolgt spontan und nicht systematisch. Die Momente und Erlebnisse, die ich mache, nimmt mir keiner und die, die ich nicht mache, machen die die ich habe nicht weniger wertvoll. Der Fokus darf nicht auf dem, was ich nicht schaffe liegen, sondern auf allem, was ich tatsächlich erlebe. Und das kann ich nicht planen. Die „fear of missing out“, kurz FOMO, darf kein Leben bestimmen.
Bis jetzt gefällt es mir sehr, etwas selbstständiger zu leben als bisher. Das WG-Leben ist natürlich anders, aber auch eine sehr gute neue Erfahrung, zumal ich vermutlich wenige bis keine Lebenslagen haben werde, in denen ich mit zehn „fremden“ Menschen eine WG teilen werde. Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen und die Entwicklungen die ich er- und durchleben darf. Ich hoffe, dass mein FIJ genauso super weitergeht wie bisher. Mit neuen Menschen die ich kennenlernen darf und unzähligen besonderen, unvergesslichen und prägenden Momenten.
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