Ideenschmiede Stettin
In Szeczin, auf einem deutsch-polnischen kreativ Seminar für Sprachanimation, entstand die Idee für mein Memory-Spiel, das ich gerne vorstellen möchte. Außerdem habe ich noch ein paar weitere Ideen beschrieben um euch Beispiele für Sprachanimation zu zeigen.
Mein erstes selbstentwickeltes deutsch-polnisches Spiel ist auf dem besten Wege endlich fertig gestellt zu werden.
Alles ist ausgedruckt, geklebt und wartet nur noch darauf laminiert zu werden.
Doch halt, um welches Spiel handelt es sich ueberhaupt? Und wie kam ich zu der Ehre gleich sechs Sets davon basteln zu duerfen?
Ideenschmiede ZIP ZAP
Um euch all das genauer zu erklaeren muss ich im Dezember beginnen. Zu Beginn dieses letzten Monates 2014 bin ich mit Wojtek nach Szczecin/Stettin an der Ostseekueste gefahren. Die Stadt liegt direkt an der deutsch-polnischen Grenze und deshalb schreibt sich die Stadt auch auf offiziellen Touristenflyern in einer Lautschrift, aus der man beide Klaenge herauslesen kann. In Stettin fand das jaehrliche Treffen aller deutsch-polnischer Sprachbegeisterter statt. Man muss dazu sagen, dass diese Zielgruppe aufgrund ihrer recht ueberschaubaren Gruppe wie eine kleine Familie (oder ein Dorf) ist, da man sich auf diversen deutsch-polnischen Seminaren und Fortbildungen immer wieder trifft, wie ich im Laufe des Jahres noch erfahren sollte.
Die offizielle Ausschreibung des 3-taegigen Seminares lautete: „Ideenschmiede ZIP ZAP“. Die drei Organisatoren waren Wojteks, Ewa (ehemalige Freundin von Wojtek, wie ich in Bad Muskau erfahren habe. Sie ist ca. 35, hat einen einjaehrigen Sohn Mateusz/Matthieu und lebt mit ihrem belgischen Mann in Bruessel) und Christopher (studierter Sozialpaedagoge, kam nach seinem Bachelor im Zuge eines laengeren Praktikums in der Turmvilla in Bad Muskau auf die deutsch-polnische Schiene. Er ist mit einer Polin verheiratet und kam einen Tag spaeter nach Stettin, weil er gerade Vater geworden ist). Die Idee der dreien, die sich alle seit ueber 15 Jahren kennen und schon mehrmals solch eine Ideenschmiede durchgefuehrt haben, ist es in drei Tagen ein kreatives Klima zu schaffen, in der jeder (Sprachanimateure, Jugendbegegnungsleiter, Lehrer und alle anderen) die fuer ihre Arbeit wichtigen Sprachspiele, -methoden entwickeln und ausbauen koennen. Im Grunde wird hier noch immer Pionierarbeit geleistet, denn der deutsch-polnische Sprachsektor wurde noch nicht von der Wirtschaft entdeckt, deshalb muessen alle Materialien selbst hergestellt und dann in der „Familie“ verbreitet werden.
Wojtek, als Hauptorganisator, ist mit mir einen Tag frueher angereist in das internationale „Dietrich Bonhoeffer Studien-und Begegnungszentrum“, geleitet von Magda, einer Polin, und ihrem Mann Frank, einem Deutschen. Die beiden sind natuerlich auch Teil der „Familie“ und so war der erste Abend im Kaminzimmer bei einem liebevoll zubereiteten Abendbrot von Magda, wie ein herzliches Wiedersehen, in das ich gut integriert wurde.
Leider war die kommende Nacht weniger liebevoll. Da das Haus nicht durchgehend belegt ist, wurde die Heizung erst am Tag unserer Anreise aufgedreht. Ein altes Herrenhaus im Dezember zu erwaermen dauert jedoch laenger als einen Nachmittag. Und so war es eigentlich erst in der letzten Nacht so warm, dass ich die zusaetzliche Wolldecke nicht mehr brauchte.
Am naechsten Tag dekorierten Wojtek, Ewa und ich den Gemeinschaftsraum mit bereits entstandenen Materialien von vorherigen Treffen um die Fantasie der Teilnehmer anzuregen. Am Nachmittag ging es nach einer kurzen Vorstellungsrunde gleich in das Ideensammeln und anschliessendes Einteilen in Gruppen. Der Abend klang wieder gemuetlich am Kamin aus. Ich wurde von zwei Frauen zu sich nach Hause eingeladen. Diese Einladung habe ich leider bis heute nicht wahrgenommen, weil es erst in deren Familie einen Todesfall gab und wir danach kein gemeinsames Wochenende gefunden haben.
Rauchende Koepfe
Der folgende Tag wurde ganz der kreativen Ausgestaltung gewidmet. Im ganzen Hause wimmelte es von Ideen, Drucker und Laminiergeraet liefen heiss, es wurde diskutiert und ueberarbeitet bis spaet in die Nacht. Die polnischen Lehrerinnen stellten circa 100 Karten fuer „Zip-Zap“ her. Das funktioniert wie das Spiel, bei dem man erst klatscht und mit dem Daumen ueber der Schulter seinen Namen nennt. Beim zweiten Klatschen wird dann der andere Daumen ueber die Schulter gehalten und man nennt den Namen des naechsten Spielers. Bei „Zip-Zap“ werden die Namen durch Worte ersetzt, die die Teilnehmer auf deutsch und polnisch auf einem DINA4-Blatt gedruckt umgehangen haben. Diese Woerter kann man zu unzaehligen Themenegbieten erstellen und dem entsprechend ist dieses Spiel grenzenlos erweiterbar.
Ein weiteres Spiel, das letztes Mal schon entwickelt wurde und ich zuvor im Buero beendet hatte, war das „Flirt-Spiel“. Es werden 10 sinnlose Frage- und Antwortsaetze (z.B. Wo ist die Toilette? – Ich rede nicht mit Fremden. – Natuerlich mag ich Ananas) auf eine Karte geschrieben. Vor jedem Satz steht ein Buchstabe, so dass sich das Spiel auch fuer Sprachanfaenger eignet, die dann nur den Buchstaben sagen. Auch dieses Spiel ist zu verschiedenen Themen moeglich. Es wurde ein neues Spiel ausgearbeitet, so dass die Karten auch zusammen passen und eine, halbwegs kohaerente und dann auch witzige, Konversation ermoeglicht (z.B. Woher kommst du? Ich komme vom Mars).
Ausserdem wurde eine Stadtrallye durch Stettin ausgearbeitet, an der ich mich zu Wojteks Enttaeuschung nicht beteiligt habe, obwohl ich doch so eine „tolle“ Stadtrallye durch Wrocław ausgearbeitet hatte. Aber ich erinnere mich noch zu gut an meine Teilnehmerzeit und da mochte ich Stadtralleys nicht. Es ist ein weiteres Beispiel fuer meine und Wojteks Charakterunterschiede.
Dagegen sehr interessant fand ich das „Deutschland-Polen Gemeinsamkeiten und Unterschiedespiel“. Es ist dem deutsch-russischen Spiel des deutsch-russischen Jugendwerkes nachempfunden, deren zweikoepfige Vertretung auch an dem Seminar teilnahm. Jede Kleingruppe erhaelt Anweisungen, wie z.B. malt eine klassisches dt. bzw. pol. Weihnachtsessen. Im Plenum muss dann abschliessend erraten werden, was die Kleingruppe darstellen will.
Neben den vielen Spielen waren auch Kurzgeschichten sehr beliebt. Entweder schreibt man die Story so, dass sich die deutschen und polnischen Woerter so ergaenzen, dass man keine Fremdsprachenkenntnisse braucht oder man schreibt eine Geschichte in einer Sprache und uebersetzt nur die am haeufigsten vorkommenden Worte in die Sprache. Diese uebersetzten Worte werden dann den verschiedenen Kleingruppen zugeteilt, die beim Vorlesen dieses Wortes eine bestimmte Geste machen muessen. Wir hatten zum Beispiel eine Osterhasengeschichte. Immer wenn das Wort Ei vorkam, hat die Gruppe ein eierlegendes, bokendes Huhn dargestellt. Das klingt jetzt vielleicht albern, aber dieses Spiel war wirklich lustig.
Und nun zu unserem ultimativen „Bundeslaender-Wojewódschaftsspiel“ (das ist nur der Arbeitstitel, ihr koennt gerne Ideen bei den Kommentaren schreiben). Ich habe bereits eine Spielanleitung verfasst, die fuege ich der Einfachheit halber ein.
Spielanleitung Memogra
Das Spiel ist entwickelt worden um verschiedene Möglichkeiten mit einem Kartenset zu haben. Vielleicht fallen euch noch andere Varianten ein.
Memory:
Die deutschsprachige Karte und das polnische Gegenstück bilden immer ein Paar (Fotos siehe unten). Die deutsche und die polnische Sprache haben einige Laute und Buchstaben, die für den jeweiligen Nachbarn scheinbar unaussprechlich sind. Teilweise gibt es deshalb, und aus der Historie heraus, eine deutsche und eine polnische Bezeichnung für dieselbe Stadt. Um deutsch-polnische Paare bilden zu können, gibt es von jeder Stadt eine Karte mit dem deutschen Namen, dem deutschen Namen des Bundeslandes oder der Wojewodschaft und zur groben Einschätzung die Einwohnerzahl sowie die gleiche Karte nur auf polnisch.
Bei der Auswahl der Länder wurden die jeweiligen Hauptstädte der Bundesländer/Wojewodschaft gewählt. (Das haette ich nicht gedacht, aber die laengste Zeit haben wir mit der Auswahl der Staedte verbracht. Eigentlich wollten wir naemlich die bedeutendsten nehmen. Aber nach welchen Kriterien?) So kann man nicht nur etwas über seinen Nachbarn lernen.
Vorbereitung:
Für die Version Memory muss zunaechst die Doppelkarte der Staedte Buxtehude und Szczebrzeszyn entfernt werden, denn diese Karte hat kein Gegenstueck. Man braucht sie fuer die Version Schwarzer Peter. Die verbleibenden Karten werden gemischt und auf dem Spielfeld verteilt.
Schwarzer Peter :
Die Karten werden gemischt und auf die Spieler verteilt. Wer zuerst alle seine Karte abgelegt hat, hat gewonnen. Karten koennen abgelegt werden, in dem man das polnische Gegenstueck zur deutschen Karte bei seinen Mitspielern erfragt hat. Jeweils beim rechten Nachbarn wird eine Karte nach dem Zufallsprinzip gezogen. Variabel kann man hieraus auch ein Vokabelabfragen machen. Dann darf nur nach einer richtigen Antwort gezogen werden oder bis zu einer falschen Antwort. Wer zum Schluss, wenn alle Paare abgelegt sind, noch den Schwarzen Peter auf der Hand hat, die Karte mit den Staedten Buxtehude und Szczebrzeszyn hat, hat verloren.
Auswertung der Ideenschmiede
Die deutschen und die polnischen Teilnehmer schienen unterschiedliche Vorstellungen des Seminares zu haben. Seit ein paar Jahren schwindet die Teilnehmerzahl an dt.-pol. Seminaren alarmierend, es ist als habe das anfaengliche Interesse nachgelassen. Wie in fast allen bintaionialen Begegnungen der beiden Laender, sind es meist dreiviertel Polen und ein Viertel Deutsche. Die Polen sind meist Lehrerinnen, die sich daher ueberwiegend fuer die formale Bildung interessieren. Wojteks Augenmerk liegt dagegen auf non-formalen Methoden, d.h. viel Spiel und Spass und keine Grammatik beim Sprachenlernen. Deshalb hat er eigentlich keine Lust auf die Lehrerinnen, aber er braucht sie um genuegend Teilnehmer fuer seine Massnahmen zu haben. Genau aus diesem Problem heraus scheint Christoph, der Organisator auf deutscher Seite, den deutschen Teilnehmer versprochen zu haben Methoden kennen zu lernen. Dies war aber nicht der Fall, da es sich um eine Art Ideenwerkstatt handelt. Die Enttaeuschungen waren also vorprogrammiert. Ausserdem haetten die Polen gerne einen Workshop auf dem nur deutsch gesprochen wird. Das widerspricht aber den Grundsaetzen des DPJW. Insgesamt sind sehr viele Ideen entstanden, allerdings fehlte die Zeit, diese komplett umzusetzen. Aus beruflichen Gruenden kann man das Seminar aber nicht verlaengern, weil viele nicht so lange Urlaub dafuer erhalten.
Persoenliches Stettin
Mir hat die Fahrt sehr gut gefallen. Es war eine willkommene Abwechslung zum oeden Bueroalltag und ich konnte Abstand von Wojtek gewinnen. Denn obwohl er da war, habe ich ihn gar nicht bemerkt. Zudem hat es gut getan mal wieder Teil einer Gruppe zu sein und nicht alleine zu sein. Das Essen war super gut, das Haus nach zwei Tagen auch gemuetlich. Ich habe mir das Zimmer mit einer 20 Jahre aelteren Polin geteilt. Vorher haette ich nicht gedacht, dass man locker ein paar Tage mit einer wildfremden Frau zusammen leben kann.
Besonders schoen fand ich den letzten Abend als wir gemeinsam polnische Weihnachtsdeko aus Papier gebastelt haben, deutsche und polnische Weihnachtslieder dank Youtube Lyrics gesungen haben und nebenbei noch ein wenig an unseren Projekten weitergearbeitet haben.
Die Stadt selbst (ich habe mich erbarmt die Rallye wenigstens zu testen) finde ich auch spitze. Sie war wunderschoen weihnachtlich ausgeleuchtet, die Architektur erinnerte mich stark an den Gruenderzeitstil in Wrocław. Wieder einmal habe ich gemerkt, dass Polen zentralistisch ist, da die oeffentlichen Einrichtungen wie in Niederschlesien aussehen. Zu guter Letzt gibt es in Stettin einen Fluss und einen Hafen, was ich immer super finde in Staedten. Es hat so einen Duft von weiter Welt.
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