Heinrich Böll - Aktueller denn je
Selten gerät man an ein Buch, welches einen sprachlos zurücklässt - So wie " Die verlorene Ehre der Katherina Blum" es bei mir getan hat. Seitdem fasziniert mich die literarische Welt Heinrich Bölls umso mehr, hier ein kleines Portrait des Autors!
Seine Bücher kritisieren, provozieren und öffnen Augen: Das Werk Heinrich Bölls gilt als eines der bedeutendes der deutschen Nachkriegsliteratur, er beobachtet den Prozess seit der Stunde Null; den Prozess, wie die pervertierte Idee einer reindeutschen Nation zusammenbricht und sich aus Hunger und Elend irgendwie eine neue Gesellschaft entwickelt, eine, die mit dem Wirtschaftswunder fast zu vergessen scheint, aus welchen Ruinen sie gekommen ist. Diese Themen scheinen heute fast ein bisschen veraltet und nur noch in ihrem geschichtlichen Kontext relevant, da würde ich allerdings stark gegenargumentieren: Bölls Thematiken entwachsen diesen besonderen Geschichtsumständen, behandeln im Kern aber essenzielle menschliche Fragen.
Manchmal scheint es mir sogar so, als würden diese extremem Umstände die menschliche Natur erst zum Vorschein bringen: Momentan lese ich Bölls posthum veröffentlichtes Werk "Der Engel schlief", und die Szenen, in denen Böll den Hunger und das Elend beschreibt, wie Menschen bei einem Stück Brot weinen, berührt zutiefst.
Man sagt, dass Katastrophen nach drei Generationen vergessen werden – Das macht es umso wichtiger, dass sich auch noch heute intensiv mit der Nachkriegsliteratur auseinandergesetzt wird. Insbesondere unsere Generation: Auch wenn wir eher dazu tendieren, zukunftsorientiert zu handeln und an einer europäischen, inklusiven Gesellschaft arbeiten dürfen wir die Verantwortung aus der Geschichte nicht vergessen. Ich finde es unglaublich beängstigend, in den Nachrichten wieder so viele Politiker zu sehen, die mit ihrem Handeln leichtfertig einen Krieg riskieren. Geschichtsbewusstsein ist etwas, was die Literatur vermitteln kann, daher sollten Autoren wir Böll, Grass oder Brecht heute noch intensiv diskutiert werden.
Böll wohl berühmtestes Werk ist eine kritische Auseinandersetzung mit Stimmungsmache und Hetze in den Medien, "Die verlorene Ehre der Katherina Blum". Dieser Roman beschreibt, wie eine Unschuldige durch derartige Hetze in einer ganz bestimmten Zeitung (sie wird nicht ausdrücklich genannt, und dennoch ist klar, dass es sich um die Bild-Zeitung des Springer-Verlages handelt) tatsächlich zu einer Mörderin wird. Heinrich Böll beschreibt diesen Prozess mit so viel Feingefühl und psychologisch untermauert, dass man nicht anders kann als Katherina zu verstehen. Dieses Thema ist heute aktueller denn je, gerade wenn es um Meinungsmache in Mainstream oder Sozialen Medien geht: Der Einfluss von Medien auf unsere Meinungsbildung und unser Verhalten ist nicht zu unterschätzen, und wenn ganze soziale Gruppen diskriminierend und in einer menschenverachtenden Weise dargestellt werden mit Angst als Triebmotor kann dies fatale Folgen haben.
Neben seiner literarischen Arbeit, mit der er sich als Gegenposition zum restaurativen, konservativen Zeitgeist verstand, engagierte sich Böll auch gesellschaftlich und international : Er setzte sich kritisch mit der Sowjetunion und insbesondere mit der Problematik in Polen auseinander, unterstützte verfolgte Schriftsteller, interessierte sich für Revolutionen und Befreiungskämpfe in Südamerika und unterstütze Hilfsorganisation für die vietnamesischen Boat People. Bis zu seinem Tod trug er zum kritischen Diskurs in Deutschland bei und argumentierte für eine aktive Zivilgesellschaft: „Einmischung ist die einzige Möglichkeit, realistisch zu bleiben." (H.Böll, Einmischung erwünscht, 1977)
Für sein Lebenswerk erhielt Heinrich Böll sogar den Nobelpreis- Was ihn auch international zu einem der anerkanntesten Nachkriegsautoren macht.
Mehr Informationen: https://www.boell.de/de/stiftung/heinrich-boell