Hauptstadtfeeling I - Warschaus Geschichte
Warschau und seine enge Verwicklung mit der polnischen und europäischen Geschichte haben mich schwer beeindruckt und mich zu einer Zusammenfassung veranlasst. Wenn ihr diese Leidenschaft leider nicht teilt, könnt ihr zu Hauptstadtfeeling III springen und über meine Erlebnisse in Warschau lesen. Nur seid euch bewusst, dass ihr dann die wechselhafte Geschichte Polens verpasst.
Vor drei Wochen habe ich mich aufgemacht in die „Tiefen des Ostens“ – 850 km von euch, so weit bin ich noch nie in östliche Richtung gereist. 350 km mit dem voll ausgebuchten PolskiBus weiter (die Polen scheinen gerne Kurzausflüge zu machen, diese Busse sind jedes Mal ausgebucht) wurde ich von meiner Vermieterin und ehemaligen Mitbewohnerin am Bahnhof abgeholt. Es ist zwar traurig, dass Aga (Agnieżka) weggezogen ist, aber ich hatte riesiges Glück, dass sie in die Hauptstadt gezogen ist.
In Warschau leben auf einer Fläche von 520 km rund 1,7 Millionen Menschen. Es ist die größte und höchste Stadt Polens. Rund 15 % des BIP werden hier erwirtschaftet, überhaupt ist Warschau ein kulturelles und wirtschaftliches Zentrum Mittel- und Osteuropas. Besonders nach 1990 hat sich die Stadt rasant entwickelt, so dass ein beeindruckender Kontrast zwischen arm und reich, historisch und modern entstanden ist.
Geschichte Warschaus von 1300 - 1918
Die erste Siedlung auf dem Gebiet des heutigen Warschaus entstand im 9. Jahrhundert. Um 1300 wurde Warschau dann das erste Mal urkundlich erwähnt. Die Stadt an der Weichsel profitierte von dem regen Handel zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee und später in der polnisch-litauischen Union von der Lage zwischen den beiden Hauptstädten Krakau und Wilna. Durch seine zentrale Lage hat Warschau gewissermaßen alle Etappen der polnischen Geschichte miterlebt.
Nachdem die Residenz des polnischen Königs in Karakau 1596 niederbrannte, entschied sich dieser seinen Hauptwohnsitz nach Warschau zu verlegen (zu seiner Mama;)). Obwohl es bis 1795 keinen juristischen Entschluss gab, hatte Warschau als Königssitz bald die Rolle der Hauptstadt inne. In Folge dessen wurde die Stadt für den Adel immer attraktiver und es entstanden entlang des Königweges, im passenderweise Krakauer-Vorstadt genannten Viertel, prachtvolle Paläste und Klöster. Warschau war eines der führenden Zentren in Europa bis, wie so oft in der polnischen Geschichte, die Stadt überfallen wurde. 1655-1657 wurde sie von den Schweden und Brandenburgern größtenteils zerstört.
Nach dem erfolgreichen Wiederaufbau wuchs die Stadt um 1765 mit 150.000 Einwohner zu einer der größten Städte Europas. In dieser Zeit entstanden klassizistische Werke, wie der Łazienki-Komplex mit Gartenanlage oder die Verlängerung des Königsweges die Nowy Świat (Neue Welt). Auf die Sachsenzeit in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts folgte die polnische Aufklärung in der auf Bestreben des ersten Bildungministeriums der Welt die, nach der amerikanischen und noch vor der französischen, zweite Verfassung der Welt in Warschau am 3.Mai 1791 verabschiedet wurde. Aufgrund innenpolitischer Spannungen und territorialen Interessen der Anreinerstaaten kam es zwischen 1772-1775 zu drei Teilungen Polens an dessen Ende der polnische Staat de jure nicht mehr existierte. Warschau wurde für 11 Jahre von preußischen Truppen besetzt bis sie die Hauptstadt des auf dem Wiener Kongress 1815 gegründeten Kongresspolens wurde.
Wie schon der Einmarsch der Sachsen, Brandenburger und Preußen gezeigt hat, ist die Geschichte Warschaus, und damit auch die Polens, eng mit der deutschen Historie verbunden. Im 1.Weltkrieg wurde Warschau 1915 durch die deutsche Kavallerie eingenommen und es wurde ein Generealgouvernement unter deutscher Führung errichtet. Einer der bekanntesten Polen, Piłsudski, zu dessen Ehren es zahlreiche Denkmäler und Straßennamen in allen polnischen Städten gibt, erlangte am 11. November 1918 die Unabhängigkeit Polens wieder. (Deshalb gibt es immer noch den Unabhängigkeitstag am 11.11. an dem ich beim Wandern von den vielen polnischen Fahnen überrascht war.)