Halbjähriges
Die Hälfte der Zeit ist für csillag vorbei, doch sie will danach in Ungarn bleiben, denn: „Manchmal, wenn es mir hier zu viel wird, brauche ich nur für zehn Minuten in einem Bus zu sitzen und die Landschaft anzuschauen, um zu begreifen, dass das wirklich der Ort ist, an dem ich unendlich glücklich bin.“
Liebe Leute, da bin ich mal wieder. Es ist eine ganze Weile her, dass ich geschrieben habe.
Mein leben hier in Ungarn hat sich normalisiert, die ersten Eindrücke haben sich in Alltag umgewandelt. Und dennoch: Es geht mir absolut super damit.
Na, mal der Reihe nach. Ich wohne nun schon seit viereinhalb Monaten in Szekszárd. In der Wohnung wohnt noch ein Mädchen, Vali, die aus Schweden hergekommen ist. Sie wird allerdings in wenigen Wochen dieses Land verlassen, um für ein Jahr nach Australien zu gehen.
Des Weiteren leben hier noch zwei andere Freiwillige, Hans aus Holland und neu angekommen: Benoit aus Frankreich. Leider wird sich die Zusammenstellung sehr bald ändern. nicht nur Vali wird ihr Projekt beenden, sondern auch Hans wird nach Holland zurückgehen, was ich jetzt schon sehr bedaure, denn wir sind sehr gute Freunde geworden.
Außerdem habe ich es geschafft, in einer Musikschule unterrichtet zu werden. Das hat viel Zeit gekostet (wie alles in diesem Land), aber letztlich hat es geklappt. In dem Kindergarten, in dem ich arbeite, habe ich gar keine Probleme, es ist alles super und ich genieße meine Zeit dort sehr. Auch die Kollegen sind allesamt freundlich und aufgeschlossen und hatten am Anfang viel Geduld mit mir.
Dank meines selbst auferlegten Zwanges, so schnell wie möglich Ungarisch zu lernen, habe ich nun keine Probleme mehr, Gesprächen zu folgen und mich einzubringen. Klar, am Anfang war es schwer. Wenn man nichts viel versteht und alles bricht in Lachen aus… Aber das hat mich nur noch mehr angestachelt, soviel und so schnell wie möglich zu lernen. Meine Lehrerin, Judit, unterrichtet mich allein. Das ist absolut genial, denn auf diese Weise geht es noch schneller.
Mittlerweile fühle ich mich hier sehr gut und wie zu Hause, obwohl ich mich auch schon auf Weihnachten daheim freue. Doch diese Menschen, die mit ihrer Gastfreundlichkeit kein Heimweh aufkommen lassen, unterstützen einen in jeder Hinsicht.
Ab und zu besuche ich meine schwäbische Familie in Újpetre (nahe Pécs) und das ist auch ein großartiges Gefühl. Ich habe sie höchstens einmal im Jahr besucht und nun ist es viel öfter. Außerdem haben wir mit denen, die Deutsch konnten, geredet. Für die, die nur Ungarisch sprachen, musste immer übersetzt werden. Nun sitze ich mit allen an einem Tisch und spreche Ungarisch mit ihnen, was mich mit einem großen Gefühl der Zufriedenheit erfüllt. Schließlich war das bis zum jetzigen Zeitpunkt eines meiner größten Ziele.
Oft fahre ich nach Kecskemét um meine Freunde auf der Pferdefarm zu besuchen. Diese Kontakte haben sich natürlich auch mit jedem Male, dass ich gekommen und mehr auf Ungarisch sagen konnte, vertieft.
Das Wetter spielt auch mit: der September und der Oktober waren zwei goldene Monate. Es hat seit Wochen und Monaten nicht geregnet (was mir sogar etwas fehlt). Auch das weiß ich zu schätzen, denn wenn man bei Regenwetter melancholisch wird, kann einem die eigene Familie daheim schon mal sehr fehlen.
Leider ging es mir gesundheitlich nicht so gut, ich bin oft erkältet und nun wurde mein Zeh operiert. Das mag alles nicht so schlimm klingen, hat aber mein allgemeines Wohlbefinden etwas beeinträchtigt. Nichtsdestotrotz besuche ich die Konzerte der Umgebung, Freunde in Budapest und genieße es einfach total, hier zu sein.
Ich habe auch schon seeeeehr viele Besucher gehabt. Meine Eltern und meine Geschwister waren hier, meine besten Freunde Arne und Felix, Krüscher ebenfalls, meine Großeltern, und ich hoffe sehr, dass das im nächsten halben Jahr nicht nachlassen wird...:-) Danke an alle dafür, die Zeit war großartig!
Manchmal, wenn es mir hier zu viel wird, brauche ich nur für zehn Minuten in einem Bus zu sitzen und die Landschaft anzuschauen, um zu begreifen, dass das wirklich der Ort ist, an dem ich unendlich glücklich bin.
In diesem Zusammenhang denke ich oft an unseren Pfarrer daheim, der ständig von "Berufung" gesprochen hat. Ich habe dieses Gefühl in mir, seit ich ein Kind war. Ich werde also nicht bei einem Anflug von Heimweh aufgeben. Einmal war es richtig schlimm, ich war mal wieder krank und wollte einfach, dass meine Mutti an meinem Bett sitzt und mir Obstteller und Tee bringt. Doch nach ein paar Stunden habe ich mir mein Tagebuch geschnappt und einen dicken Eintrag geschrieben, dass das mein Traum ist, den ich verwirkliche, und ich mich zusammenreißen werde. Ich brauche nur auf diese Worte zu schauen und weiß, was ich will.
Der mitunter glücklichste Moment in diesen Monaten war der, als meine Großeltern mit mir nach Debrecen gefahren sind. Dort ist die große Puszta, die Hortobágy, die ich noch nie mit eigenen Augen, aber bestimmt auf tausend Bildern bewundert habe. Ich habe ein Faible für diese Grassteppe, die sich mit bloßen Worten nicht beschreiben lässt. Jedenfalls sind wir dann auch durch die Landschaft gefahren, um die berühmte Neunbogenbrücke im Dorf Hortobágy zu bewundern. Sogar Petõfi, der Nationaldichter Ungarns, schrieb einst über diesen zauberhaften Ort. als ich nun selbst dort stand, war ich so endlos glücklich, dass mir die Tränen kamen. Es ist eigentlich wirklich nur eine Brücke, aber es ist auch vielmehr ein Symbol. Und auf dem Weg zurück in die Zivilisation haben wir zwischen Grasland und Steppe ungarisches Radio gehört: "Nur der Mond am Himmel, nur die Sonne am Horizont, der Wind in meinem Gesicht, mehr braucht es für mich nicht." Hat also mal wieder alles zusammen gepasst.:-)
Gut, das sind so ein paar Eindrücke, die ich bis jetzt gesammelt habe. Natürlich lasse ich viel aus, zum Beispiel Budapest und diverse Besuche in Kecskemét, die nicht nur glücklich waren. Aber alles in allem geht es mir, wie gesagt, sehr gut.
Ich werde bis Weihnachten alles daran setzen, einen Studienplatz in Ungarn oder zumindest einige hilfreiche Informationen zu sammeln. Meine Familie ist mittlerweile informiert. Manchmal habe ich Angst vor diesem doch noch gewaltigeren Schritt, hier zu bleiben und zu studieren. Aber dann brauch ich nur in mein Tagebuch auf die bestimmte Seite schauen... Oder eben mit dem Bus ins Land hinaus zu fahren...
Liebe Grüsse aus dem für mich schönsten Land der Welt,
Katha