¡Hablamos!
Es gibt Dinge, die heutzutage undenkbar sind. Zum Beispiel, auf einen europäischen Jugendlichen zu treffen, mit dem ich mich nicht verständigen kann. Englischkenntnisse sind heute fast obligatorisch und im dichten europäischen Ländergeflecht und Gelegenheiten wie Auslandsfreiwilligendiensten, Erasmus Semestern oder Ryanairflügen für wenige Euros in europäische Nachbarländer, ist die Mehrsprachigkeit für Europas Jugend nahezu unausweichlich. In Madrid lerne ich selber ganz neue Wege kennen, wie sich Fremdsprachen lernen, praktizieren und genießen lassen...
Madrids Luft vibriert vom bunten Sprachengemisch der Madrileños und Besuchern der Metropole. Für mich bedeutete das am Anfang meines Aufenthalts Segen und Fluch zugleich: ich konnte mich fast überall bequem mit Englisch kommunizieren, ohne mir mühsam spanische Vokabeln zusammenzureimen. Also wollte ich selber Initiative ergreifen, um mein Spanischniveau ein wenig anzuheben und dabei vielleicht noch nette Leute kennenzulernen und stieß dabei auf verschiedene, nennenswerte Möglichkeiten...
In acht Bars werden wöchentliche Stammtische zum Sprachaustausch angeboten, zum Beispiel in einem irischen Pub, einer italienischen Chill Out Bar oder einer typisch spanischen Taberna. Einige dieser „Intercambios“ (Austausch) sind offen für jegliche Sprachen, andere wiederum sind spezifisch für den Austausch von Englisch und Spanisch. Die Treffen sind formlos und entspannt, man kommt und geht, wann man will und die Konstellation der Teilnehmer ändert sich jede Woche. Manchmal gibt es Programm, in Form von amüsanten Spielen und Quizzen, meistens aber sitzt man lediglich bei Bier, Musik und einigen Tapas zusammen.
Jedoch war ich noch nicht am Ziel meiner Suche angelangt. Die Stammtische waren lustig und laut, aber am Ende nicht sehr persönlich und es blieb bei Smalltalk und flüchtigen Bekanntschaften. Als zweiten Weg wollte ich ein Tandem ausprobieren, also den Austausch mit nur einer Person des anderen Landes. Mein Aushang im Goetheinstitut in Madrid resultierte in einem Telefonansturm von Spaniern, die unbedingt Deutsch lernen wollten. Zwar schaffte ich es, mich mit ein paar dieser Personen auf einen Café zu treffen, oft merkte ich jedoch schon nach wenigen Minuten, dass die Chemie nicht stimmte oder die Interessen zu unterschiedlich waren, um sich regelmäßig zu treffen. Ein Tandem ist eine sehr gute Möglichkeit, die Praxis in der Fremdsprache zu üben und viele Vokabeln und Redewendungen dazu zu lernen, die über den Smalltalk hinausgehen. Außerdem, aber nur wenn man Glück hat, findet man dabei einen guten Freund oder Freundin. Aber eins steht fest: erzwingen lassen sich diese Tandemkontakte nicht und am besten klappt es immer noch, wenn sich ein Tandem zufällig ergibt, einfach, weil man sich gut versteht.
Es blieb mir also noch eine letzte Möglichkeit zum Ausprobieren: Austauschgruppen (Grupos de intercambio), die sich regelmäßig einmal die Woche zusammenfinden sind eine etwas ruhigere und persönlichere Variante der Stammtische. Die Gruppe „Cafétandem“ wurde von einem Franzosen ins Leben gerufen und war ursprünglich für einen Austausch zwischen Spanisch und Französisch gedacht. Das Konzept kam so gut an, dass heute zusätzlich Tandems mit Deutsch, Englisch Italienisch und Portugiesisch bestehen. Ich bin selber inzwischen regelmäßiger Gast bei der deutsch-spanischen Variante. Die Mehrheit der Teilnehmer sind Spanier, einige haben eine Zeit in Deutschland studiert oder gearbeitet, andere kennen es nur durch Reisen oder sind von der Sprache fasziniert und die letzte Gruppe möchte ihre Deutschkenntnisse vertiefen, um in naher Zukunft nach Deutschland zu ziehen.
Die Gespräche sind oft ein wildes deutsch-spanisches Gemisch, aber am Ende versteht man sich und bei kleinen sprachlichen Missgeschicken gibt es auch immer etwas zu lachen. Faszinierend ist für mich aber nicht nur der Austausch der beiden Sprachen, auch der Kulturen und Eigenarten - und vor allem: was denken Spanier über die deutsche Pünktlichkeit, Endloswörter wie „Telekommunikationsüberwachungsverordnung“ oder deutsche Essgewohnheiten? Und die Antworten überraschen mich. Tatsächlich haben sich viele Spanier in mein Land und meine Sprache verliebt und würden am liebsten sofort zurück. Sie schwärmen vom deutschen Bier, Nürnberger Rostbratwürstchen, Berlin und der deutschen Sprache. Einschränkungen gibt es wenige. Den grauen und kalten Winter in Deutschland vermisst hier keiner. Und was denken sie über die Deutschen an sich? Zu Beginn ein wenig reservierter als die Spanier, aber wenn man sich erst einmal kennen gelernt hat, ganz tolle Menschen!
Neben der spanischen Sprache habe ich mit „Cafétandem“ neue Freunde kennen gelernt, mit denen ich mich auch außerhalb der Gruppe treffe. Und nebenbei, erfahre ich viel über meine eigene Kultur und Sprache, warum deutsche Grammatik manchmal nur aus Ausnahmen zu bestehen scheint oder, dass das berühmte Oktoberfest bereits nach Madrid exportiert wurde.