Gali na Hali
Der Höhepunkt des Veranstaltungen zum Ehrenamtes in der Ehrung der besten Freiwilligen aus Wroclaw in 2014, ganz stilecht in der Mode der 20-ger Jahre. Und eine Differenzierung zwischen Freiwilliger im Deutschen und im Polnischen.
Gali na Hali – Kamma sagt, es klingt wie eine Castingshow. Ist es ja im Grunde auch. Das ganze Jahr über haben sich Einwohner in jedem Alter freiwillig für ihre Mitbewohner in Wroclaw eingesetzt. Und immerhin, der Freiwillige des Jahres 2013 war um die 75. Das ganze Jahr über haben sie Obdachlosen geholfen, mit Hilfe eines Video-Wettbewerbs auf die Folgen von Alkoholmissbrauch aufmerksam gemacht, Kinder aus armen Verhältnissen abwechslungsreiche Tage durch Spiel und Spaß geboten, andere Menschen durch Lieder für das Ehrenamt begeistert, geplant, getüftelt und viel Mühe und Zeit investiert.
Und dann war es endlich so weit. Die Gali na Hali am 6.12. war der Höhepunkt einer zweimonatigen Ansammlung von Aktionen, Diskussionen und Animationen rund um das Ehrenamt. Im Artikel „Meine Arbeitsstelle“ hatte ich von einem Fest des non-formalen Lernens berichtet, auf Polnisch ein „animatorium nieformalnie“ (wie bei Zielona Góra immer schön das r rollen und das i macht auch hier den Buchstaben n weich, es wird zu nje). Auf dem animatorium gab es … mmmh … überwiegend eigentlich Essen. Denn die EU hatte 30.000 PLN Fördergeld für Lebensmittel bereitgestellt. Und wenn man die nicht ausgibt, muss man rechtfertigen warum nicht, eventuell noch Strafe zahlen und man erhält beim nächsten Antrag mit Sicherheit weniger Mittel. Und da man mit Kassenbons belegen muss, dass das Geld tatsächlich nur für Essen ausgegeben wurde, konnten wir zwei Tage lang vom 17.10.-18.10. (und die nächsten drei Wochen die übrigen Sandwichs vom Sandwichmaker) für 30.000 PLN schlemmen. Zum Vergleich: Ich brauche rund 100 PLN pro Woche, wenn ich alles kaufe, was ich gerne essen möchte. Für das leibliche Wohl war also gesorgt. Doch auch Körper und Geist kamen nicht zu kurz. Am Vormittag fanden zahlreiche Workshops statt, wo ich zum ersten Mal Parcours in der angrenzenden Skateboard-Halle in zajezdnia ausprobiert habe. Am Nachmittag gab es Diskussionen und am Abend Theaterstücke. Auch wenn ich nach diesen zwei Tagen zum ersten Mal das Gefühl hatte eins mit der Sprache zu sein, kann ich nicht sagen worum es ging. Weitere Teile, die im Zuge des Monats der Freiwilligen über TRATWA stattfanden, waren eine Vorstellung des polnischen Ehrenamtes, aber auch mit mir dem Tagespunkt „Rolle Mentor und Freiwillige“, den ich mit Wojtek zusammen in Oława geführt habe. Am Vormittag der Gala gab es in zajezdnia noch eine Diskussionsrunde über Freiwilligendienste und ich habe einen eigenen Tisch zum Thema „International volunteering“ gehabt.
Übersetzt man das Wort „wolontariusz“(und wieder einmal ein kurzer Ausflug in die polnische Aussprache: Das v ist wie ein w und das sz ein sch und es wird fast immer die vorletzte Silbe betont) bzw. als Frau (hier könnt euch gleich einmal ausprobieren)„wolontariuszka“ (seht ihr, so schwierig ist Polnisch gar nicht) direkt, wäre es Freiwillige/r. Das ist im deutschen Verständnis allerdings jemand, der ein FSJ leistet. In Polen dagegen ist jeder ein Freiwilliger, der soziales Engagement leistet. Bis dahin hatte ich gedacht, sie ehren die polnischen FSJ‘ler aus 2014. Nun verstehe ich auch, warum die meisten Polen nicht verstehen, was ich hier eigentlich ein Jahr in ihrem Land mache. Denn nein, ich studiere nicht, wie sonst jeder in meinem Alter in Polen. „Jestem (und jetzt nochmal=)) wolontariuszka“. Das klingt in polnischen Ohren natürlich blöd, schließlich sind sie auch Freiwillige, studieren aber nebenbei und bekommen keinen Obolus für ihr Engagement. Die Form FSJ steckt erst noch in den Kinderschuhen in Polen. Und genau daran will TRATWA arbeiten.
Um das Ehrenamt attraktiv zu gestalten gibt es Veranstaltungen wie die Gali na Hali. Da TRATWA eine der größten NGO in Wroclaw ist, haben wir auch einen Großteil der Gala organisiert. Das ist schon lustig, wenn die sonst so aufgedrehten Jugendlichen seriös an der Garderobe stehen. Dazu hatten wir einen Cocktail-Stand, bezalkoholowy. Es gab einen Fotostand mit Modeartikeln der 20-ger Jahre. Mein persönlicher Höhepunkt war aber die Tischdeko. Schon im September hatte Wojtek gesagt, ich solle mich um kleine Andenken für die Gäste kümmern. Da ich aber nicht wusste, in welche Läden ich gehen kann und er auch nicht, ist das alles nichts geworden. Am Ende hat er Aisa gefragt, die im Sommer ein Fotoprojekt über die 20-ger organisiert hatte, alles war mal wieder auf den letzten Drücker und dementsprechend stressig. Wojtek hat seine irgendwie-Ideen Asia vorgestellt und war dann doch unzufrieden mit dem Ergebnis. Obwohl es natürlich nicht schön ist, sie fertig zu sehen, hat es mich beruhigt, dass es ihr in der Zusammenarbeit mit Wojtek genauso geht. Am Mittwoch, den 3.12., haben wir abends gebastelt, alles mit Heißklebe zusammengeklebt, da meinte ich, man müsste den Federschmuck fürs Haar (siehe Fotos) eigentlich nähen. Und da ich am nächsten nichts wirkliches zu tun hatte, habe ich es einfach mal ausprobiert. Freitagabend hatte ich dann 50 Stück fertig und war rundum zufrieden. Am Abend der Gala habe ich ganz viele Leute mit meinem Federschmuck im Haar gesehen, das kleine Mädchen schräg gegenüber sah so süß damit aus. Es wurden 45 Stück mitgenommen, so gut hat es den Leuten gefallen, dass sie es tatsächlich als Andenken mitnehmen wollten. Beim Aufräumen haben mir ganz viele Leute gesagt, wie schön das aussah und sogar Wojtek hat mich gelobt. Das erste Mal, dass er sagt, dass ich etwas Gutes gemacht habe. Das war schon fast wie Weihnachten.
Abschließend gab es noch eine super leckere Freiwilligentorte, dazu ein paar Cocktails und wir fühlten uns alle glücklich Freiwillige zu sein, auf polnische und deutsche Art. „Jesteśmy wolontariuszy“.