EVS in Brüssel- Europa und mehr
In einer multikulturellen Stadt wie Brüssel hat man die Chance, zahlreiche Menschen aus der ganzen Welt und ihre Kultur kennen zu lernen.
„Héros. Correspondance Bus trente-huit, quarante-et-un, quarante-trois, nonante-huit.
Helden. Aansluiting buslijnen achtendertig, eenenveertig, drieënviertig, achtennegentig.
Connection Busses thirty-eight, forty-one, forty-three, ninety-eight“.
Dreisprachige Ansagen zu zweisprachigen Haltestellen und Straßennamen weisen schon deutlich darauf hin, dass Brüssel weder eine einsprachige noch eine monokulturelle Stadt ist.
Zuallererst fallen natürlich die zahlreichen Touristen auf, die nach Brüssel strömen, um Sehenswürdigkeiten wie das winzige Manneken Piss oder das nicht ganz so winzige Atomium zu bewundern oder die zahlreichen kulturellen Angebote wie das Nationaltheater, die Nacht der Museen oder eine Ausstellung im BOZAR, dem Museum für Schöne Künste, zu genießen.
Bei einem Spaziergang durch die Brüsseler Innenstadt ist das Ohr einer Kakophonie verschiedener Sprachfetzen ausgesetzt: Von Deutschen, die lautstark die beste Kneipe mit dem besten Bier suchen über Kanadier, die lallend ihre Nationalität anpreisen zu Japanern, die tausende Erinnerungsfotos auf dem Grand Place schießen.
Dieser Satz ist zugegebenermaßen sehr von Vorurteilen geprägt, beruht aber auf wahren Erfahrungen. Da sich negative Erfahrungen bekanntlich besser einprägen als positive, dienen diese hier aber leider als Beispiel. Natürlich hört man auch oft ziemlich normale Gespräche.
Touristen kann man sehr leicht kennen lernen, vor allem natürlich an touristischen Hochburgen wie der Bar „Delirium Tremens“ in der „Rue de Bouchers“ (Schlachterstraße) oder vor dem Manneken Piss und dem Atomium. Deutlich wichtiger und prägender für das Stadtbild sind jedoch die zahlreichen Einwanderer, die zum großen Teil aus Marokko und der Demokratischen Republik Kongo, Belgiens ehemaliger und einziger Kolonie, stammen.
Es gibt es auch ganze Viertel ehemaliger Einwanderer, beispielsweise das Matongé im Stadtteil Ixelles, einem afrikanischen Viertel. Dort leben größtenteils Afrikaner, es gibt afrikanische Märkte, Frisöre und Perückenläden und aus den Discos erklingt abends afrikanische Musik.
Die größte Migrantengruppe ist jedoch die der Marokkaner. Es leben momentan etwa 40 000 Menschen marokkanischer Herkunft in Brüssel. Ihre Kultur prägt das Stadtbild deutlich, beispielsweise kann man auf dem sonntäglichen Wochenmarkt am Gare du Midi (Bahnhof der Mitte) marokkanische Crêpes und Gebäckstücke kaufen, es gibt auch zahlreiche Metzgereien, die halales (für Muslime erlaubtes) Fleisch anbieten sowie marokkanischen Minztee.
Es lohnt sich auf jeden Fall, durch Matongé oder Molenbeek (marokkanisches Viertel) zu streifen, einen afrikanischen Friseur aufzusuchen, in einer marokkanischen Bäckerei einzukaufen und sich vom Verkäufer dazu überreden zu lassen, doch einen Tag am Ramadan teilzunehmen oder sich am Gare du Midi gegen Marktende eine übrig gebliebene Melone schenken lassen.
Eine Möglichkeit für Leute, die einen längeren Aufenthalt in Brüssel planen, Menschen aus aller Welt kennenzulernen, ist es, an einen Sprachkurs teilzunehmen. Dort trifft man beispielsweise Syrer, Chinesen, Bulgaren, Bangladeshi, Polen oder Marokkaner. Ihre Motivation einen Sprachkurs zu besuchen ist sehr unterschiedlich, sei es, weil sie einen Job suchen, weil in ihrer Arbeitsstelle kein Französisch oder Niederländisch gesprochen wird oder weil sie zwar schon für längere Zeit in Belgien wohnen, sich aber immer noch nicht sicher in der neuen Sprache fühlen.
Aber es gibt ein Ziel, das alle verbindet, nämlich ebendiese Sprache so schnell und so gut wie möglich zu beherrschen. Sie ist dann ab einem gewissen Niveau natürlich auch die Lingua franca unter den Teilnehmenden des Kurses. Und in Gesprächen auf Französisch oder Niederländisch, durchmixt mit verschiedenen Akzenten, hört man die interessantesten Geschichten über den Krieg in Syrien, rumänische Volksfeste, das marokkanisches Rechtssystem, oder aber auch Schulen in Brüssel, Erlebnisse auf dem Wochenmarkt am Gare du Midi, belgische Sprachabsonderheiten.
Von all diesen Geschichten nimmt man nach jeder Sprachstunde ein kleines Stück mit.
Das altbekannte Couchsurfing ist in Brüssel auch eine exzellente Gelegenheit, Menschen aus der ganzen Welt kennen zu lernen, sei es beim surfen oder bei regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen wie einem Salsa-Abend oder dem Multi-Language-Meet-Up, bei dem sich Menschen in einer Bar um verschiedene Tische herum einfinden und mit den unterschiedlichsten Leuten in verschiedensten Sprachen diskutieren und Spaß haben können.
Besonders interessant wird es dann natürlich auch bei Großereignissen wie der Fußball-WM: Je nach Spiel trauern und feiern von Viertel zu Viertel unterschiedliche Migrantengruppen. Seien es Algerier, die beim Einzug Algeriens bei der WM auf der Treppe des zentralsten Gebäudes Brüssel, der Bourse (Börse) singen und tanzen, Portugiesen, die am Place Flagey um das Ausscheiden ihres Teams weinen oder belgische Fans, die im Stadion ihre Mannschaft, die „Diables Rouges“ (Rote Teufel) farbenfroh und lautstark unterstützen.
Dort ist es auf jeden Fall möglich, neben den Menschen aus aller Welt auch Brüsseler Urgesteine zu treffen, die den Brüsseler Dialekt „Brusseleer“ sprechen und mit einem Touristen oder neu Zugezogenen gerne ein Mitraillette in einer Fritkot essen gehen und ein Pintje dazu trinken, (wahrscheinlich ein Jupiler) und dabei hoffentlich nicht von einer heftigen „Drache“ überrascht werden, wie es in Brüssel leider allzu häufig vorkommt.
Sollten es Studenten sein, werden sie ihn vielleicht zur ihrer nächsten Kotparty einladen, wobei er nur hoffen kann dass er ehrlich auf folgende Frage antworten kann: „C’est gai, quoi?“
Solltest du, werter Leser oder werte Leserin jetzt nur noch Bahnhof verstehen (und nicht „gare“ oder „treinstation“) empfehle ich es dir, schleunigst in den nächsten Zug zu steigen (Tipps, wie du von Deutschland am günstigsten nach Brüssel kommst, findest du in meinem Beitrag: http://www.youthreporter.eu/beitrag/vertauscht-verletzt-verlust-verbrechen.10533/#.VEETLMnMAcY) und zum Brüsseler Nord-, Mittel- oder Zentralbahnhof zu fahren und in das multikulturelle und multilinguale Universum eintauchen.
Übrigens, Tauchen kann man übrigens auch bei dem bei Touristen eher weniger bekannten Stadtteil Uccle, im Nemo33, dem mit 35 Metern Tiefe tiefsten künstlichen Tauchbecken der Welt. Das Nemo33 ist gleichzeitig auch ein Restaurant mit asiatischer Küche und beim Schmausen der deliziösen Speisen kann man durch große Glasfenster die Taucher beobachten.