Europa, das sind wir alle
Vor den Europawahlen im Mai 2014 haben sich Kinder aus sechs europäischen Ländern gefragt, was Europa für sie bedeutet, wo ihnen Europa begegnet und wo es ihnen fremd ist.
Die Mädchen und Jungen überlegten auch, welche Worte aus ihrer Muttersprache in eine gemeinsame Europa-Sprache einfließen könnten. Vielleicht gibt es die, wenn sie erwachsen sind! Mitgemacht haben Charlotte, Tori, Kamila, Juan Diego, Antonio, Paul und Tuna.
Ihre Beiträge hat Tanja Kasischke aufgeschrieben.
„Ich bin beides, Schwede und Europäer. Mit meiner Familie verreise ich in Ferien oft nach Deutschland, außerdem war ich in Italien, Dänemark, Finnland und Tschechien. Fremd habe ich mich nirgends gefühlt, obwohl in jedem Land eine andere Sprache gesprochen wird. Am besten hat mir Italien gefallen. Italienisch klingt schön. Ich finde, man fühlt sich nicht fremd, wenn man die schönen Sachen in einem anderen Land beachtet. Auch das Bild von Schweden ist gut im Ausland. Viele denken an den Fußballspieler Zlatan Ibrahimovic, DJ Avicii, an Elche und Wikinger. Für Ikea sind wir auch bekannt. Schade ist, dass wir keinen Euro haben. Ich finde den Euro toll und wünschte, Schweden würde beitreten. Für die Europasprache schlage ich drei schwedische Worte vor: ungdom (Jugend), samarbete (Zusammenarbeit) und lagom („gerade richtig“, ist ein sehr schwedischer Ausdruck).“
Paul, 11 Jahre, Stockholm
„Ich fühle mich europäisch, obwohl die Türkei nicht zur EU gehört und die Umrechnung des Euro ganz schön schwer ist. Europa bedeutet für mich, dass alle Länder zusammenarbeiten und Grenzen nicht mehr so wichtig sind. Das gefällt mir. Grenzen machen Menschen einander fremd. Ich weiß aber, wie man sie abbaut: Indem man voneinander lernt. Mir fallen zwei Orte in Istanbul ein, die den Namen Europa tragen, das Europa-Hotel und die Europa-Passage. Dort kann man einkaufen. Istanbul hat sechs europäische Partnerstädte: Berlin und Köln in Deutschland, Venedig in Italien, Barcelona in Spanien und Rotterdam in den Niederlanden. Leider war ich noch nie dort. Als Grenze empfinde ich, wenn jemand eine fremde Sprache spricht und man sich nicht versteht. Ich finde es blöd, dass die Europäer viele Sprachen sprechen. Eine einzige Sprache wäre besser, dann würden sich alle verstehen. Aus dem Türkischen müssen folgende Worte darin vorkommen: teşekkürler (danke) und bir şey değil (gern geschehen).“
Tuna, 12 Jahre, Istanbul
„Spanier bewerten die Menschen im übrigen Europa als nett und lustig, aber auch sehr traditionell, zum Beispiel wegen der Stierkämpfe. Tatsächlich reden unsere Eltern und Lehrer ständig über die Krise. Wir haben in der Schule über Europa gesprochen und wissen, dass viele junge Spanier weggehen, weil sie in anderen Ländern Arbeit finden. Es ist einerseits gut, dass das geht. Andererseits ist es traurig, dass Menschen ihr Zuhause verlassen müssen. Fremd sein ist wie Heimweh haben. Das ist nicht schön. Aber wenn mehrere Spanier in dasselbe Land gehen, haben sie weniger Heimweh. Wir würden auch gemeinsam weggehen. Bloß kümmern sich die erwachsenen Politiker nicht darum, was Kinder denken. In der Europasprache müssten als spanische Worte vorkommen: „Brotes verdes“ (grüne Knospen am Baum) und „la crisis“ (die Krise). Brotes verdes sind typisch für unsere Stadt! Wir finden es schöner, wenn man an sie denkt statt an die Krise.“
Juan Diego und Antonio, 11 und 12 Jahre, Móstoles
„In Polen wurde dieses Jahr gefeiert, dass unser Land seit zehn Jahren EU-Mitglied ist. Das bedeutet, wir gehören dazu. Ich finde aber: Wir gehören noch nicht ganz dazu, weil wir keinen Euro haben. Fremd fühle ich mich deswegen nicht in Europa. Ob ich mich mit dem Euro europäischer fühlen würde, weiß ich nicht. Eher nicht. In meiner Heimatstadt Radom, eine Autostunde südlich von Warschau, gibt es ein Gymnasium das Schule der Europäischen Union heißt. Leider haben wir keinen Ikea, darauf warte ich sehnsüchtig. Als meine Oma und mein Opa so alt waren wie ich, bedeutete Europa für sie einfach Freiheit. Die gibt es jetzt, finde ich. Aus dem Polnischen sollten alle Kinder in Europa diese Worte kennen: chrząszcz (Käfer), rzeżucha (Gartenkresse) und Konstantynopolitańczykowianeczka. Das letzte Wort ist das schwierigste polnische Wort, das ich kenne. Konstantynopolitańczykowianeczka meint „Fräulein aus Konstantinopel”. In Polen ist das eine nette Anrede für eine Frau. Dazu muss sie nicht aus Konstantinopel kommen!
Kamila, 12 Jahre, Radom
„Meine Oma ist während des Zweiten Weltkriegs aufgewachsen, für sie war der Gedanke an ein vereintes Europa damals ganz fremd. Fremd ist, wenn ich etwas nicht verstehe. Ich gebe zu, Europa ist mir fremd, weil ich mich noch nicht so sehr für die EU-Politik interessiere. Den Euro finde ich aber gut, weil man beim Reisen kein Geld mehr in eine andere Währung umtauschen muss. Ich habe eine Freundin in Deutschland und eine in Belgien, aber wir sprechen über andere Themen als Europa. Nur eine einzige Europasprache fände ich doof, es ist doch cool, dass wir verschiedene Sprachen beherrschen. Wenn sich jemand fremd fühlt, liegt das nicht an der anderen Sprache.“
Charlotte, 12 Jahre, La Flèche
„Ich bin Tori. Richtig heiße ich Wiktoria, das ist die polnische Schreibweise von Viktoria. Meine Mama kommt aus Polen, mein Papa ist Ire. Ohne das vereinte Europa sähe meine Familie vielleicht ganz anders aus! Ich fühle mich in Irland zuhause aber in Polen auch nicht fremd. Die polnische Währung Zloty ist bunter als die Euro-Scheine. Deshalb sind Zloty für mich etwas Besonderes. Etwas Fremdes ist auch etwas Besonderes. Bei den Erwachsenen klingt Fremd sein nach etwas Schlechtem, warum? Mich macht es eher neugierig. In Irland sprechen die Menschen Englisch. In ein Wörterbuch wichtiger europäischer Worte würde ich die Wort „food“ (Essen) und „dog“ (Hund) aufnehmen. Ich bin ein Hundefan. Außerdem sollte jeder wissen, dass man Irland im Englischen mit einem e in der Mitte schreibt. So: Ireland.“
Tori, 10 Jahre, Dublin
ÜBER EUROKIDS: Vor den Europawahlen im Mai 2014 haben sich Kinder aus sechs europäischen Ländern gefragt, was Europa für sie bedeutet, wo ihnen Europa begegnet und wo es ihnen fremd ist.
Die Mädchen und Jungen überlegten auch, welche Worte aus ihrer Muttersprache in eine gemeinsame Europa-Sprache einfließen könnten. Vielleicht gibt es die, wenn sie erwachsen sind.