Eindelijk lekker weer!
Frühling in Amsterdam und viele liebe Menschen.
Mein Zeitgefühl ist nicht mehr existent. Die letzten Wochen sind rasend schnell vergangen, aber trotzdem gibt es Tage, an denen ich kaum etwas zu tun habe und die Zeit nicht zu vergehen scheint. Ich warte darauf, dass das Wetter konstant gut ist. Allerdings befinden wir uns noch in der Phase des Aprilwetters – von Regen zu Schnee zu Sonne zu Hagel zurück zu Sonne. In zehn Minuten oder weniger. Egal was ich morgens anziehe, um ins Büro oder zum mobilen Museum zu gehen – es ist immer die falsche Wahl für nachmittags. Und sobald ich rausgehe, um ein paar Sonnenstrahlen einzufangen kann ich nahezu wetten, dass eine plötzlich auftauchende Wolkenkette meine Pläne hinterhältig durchkreuzt.
Abgesehen vom wechselhaften Aprilwetter, kann ich mich allerdings nicht beschweren. Auch wenn die Museen, Geschäfte und Restaurants in den Niederlanden noch immer nicht öffnen dürfen, die „avondklok“ bleibt und sowieso alle Maßregeln auf ein Neues verlängert werden, habe ich doch genug zu tun.
Über meinen Geburtstag Ende März konnte ich ein paar Tage freinehmen und habe sogar Besuch aus der Heimat bekommen. Das Wetter war unverschämt schön und die Tage wurden hauptsächlich draußen verbracht – picknickend an der Gracht, im Park, am Strand und immer inmitten von vielen lieben Menschen. Eine Woche voller schöner Erlebnisse, bei denen man beinahe vergessen kann, dass wir uns noch immer in einer globalen Pandemie befinden. Nach Ostern war mein Herz voll und mein Vitamin-D Tank aufgeladen.
Im Museum wird die neue Ausstellung aktuell von visuell und auditiv eingeschränkten Menschen fleißig getestet. Die Ausstellung wird von den Testpersonen wie gewöhnlich besucht, allerdings gibt es danach ein Auswertungsgespräch, bei dem das Feedback gegeben wird und neue Impulse der Testpersonen notiert werden. Das Museum ist ohne Besucher noch immer bedrückend leer, allerdings sind es besondere Erfahrungen, die Tests mit den verschiedenen Personen zu machen und auszuwerten. Für sie ist es eine nahezu privilegierte Erfahrung, unter aktuellen Umständen eine Museumsausstellung besuchen zu dürfen – und dazu ohne andere Besucher. Die Begegnungen halte ich für sehr bereichernd und freue mich jedes Mal, wenn an einem Tag im Museum mal wieder ein Test ansteht.
Inzwischen bin ich beim mobilen Kindermuseum schon fast ein alter Hase. Die Handgriffe beim Vorbereiten des Anhängers sitzen und der Umgang mit den Kindern fällt mir jedes Mal etwas leichter. Ich überrasche mich jedes Mal selbst, wie ich mich traue, einfach auf Niederländisch drauf los zu quatschen, ungeachtet der Fehler, die ich sehr wahrscheinlich machen werde. Meine Kolleginnen sind allesamt unglaublich herzlich und somit gehe ich nach jedem Tag, den ich beim „Verzetsmuseum junior op wielen“ verbringe, mit einem Lächeln nach Hause. Erschöpft, aber mit dem guten Gewissen, den Kindern ein bisschen Wissen und Input vermittelt zu haben sowie mit vielen bereichernden Gesprächen im Hinterkopf. Es überrascht mich einfach jedes Mal, wie verschieden die Kinder mit den Geschichten und den Informationen umgehen. Meistens sprechen sie mich nicht auf meine Fehler, die ich manchmal beim Niederländisch sprechen mache, an. Offensichtlich wird es aber, wenn mir wirklich ein Wort fehlt. Ich wurde schon gefragt ob ich Belgierin oder Engländerin bin, aber wenn ich sage, dass ich Deutsche bin, höre ich oft ein mehr oder weniger betroffenes „Oh“. Scheinbar merkwürdig für die Kinder, da sie sich über eine Stunde lang mit der Besetzung der Niederlande während des Zweiten Weltkrieges beschäftigen, in denen hauptsächlich von den „Deutschen“ und nicht von den „Nazis“ gesprochen wird. Folglich die Gleichung „Deutsch = böse“. In einem Teil der Kinderausstellung gibt es eine Geschichte über einen „guten“ deutschen Soldaten, der die Söhne einer Familie nicht mit zum Arbeitseinsatz nach Deutschland nimmt, sondern sie warnt und zum Verstecken auffordert. Oft höre ich den Satz: „Ein guter Deutscher?! Das kann nicht sein!“. An dieser Stelle schreite ich gerne ein und erkläre, dass es wohl einen Unterschied zwischen „Deutschen“ und „Nazis“ gibt und dass dieser Unterschied aus niederländischer Perspektive vielleicht nicht immer ganz klar ist, beziehungsweise zur Zeit des Krieges nicht immer klar war. Vor allem mit älteren Kindern komme ich an dieser Stelle ins Gespräch, aber jüngere Kinder schalten häufig ab. Vielleicht ist die Komplexität dann doch noch zu hoch.
Das Verzetsmuseum op wielen ist für die Kinder, gerade mitten im vierundneunzigsten Lockdown, etwas sehr Besonderes. „Ich habe total vergessen, dass ich mich auf unserem Schulhof befinde“, hat ein Mädchen letzte Woche kurz bevor sie ging zu mir gesagt. Das freut mich sehr zu hören, denn ich finde es unheimlich bewegend zu sehen, wie interessiert die Kinder mitarbeiten und den Geschichten folgen. Seit dieser Woche ist das Kindermuseum nun auch virtuell zu besuchen – als 3D-Version und mit allen Informationen, dich ich persönlich hochgeladen habe, bis mein Gehirn matschig vom ständigen Bildschirm-Schauen war. Bildung zugänglich machen, zeigen, dass Geschichte niemals vorüber ist und sehen, was das Wissen mit den Menschen, und vor allem mit Kindern, macht. Für diese Erfahrungen während meines FIJs hier in Amsterdam, bin ich sehr dankbar.
Die Sonne scheint gerade in mein Zimmer und heizt es auf wie einen Backofen – Zeit für mich, an die Gracht zu gehen und den Frühling endlich zu genießen. Hoffentlich werde ich nicht von einem plötzlichen Regen oder gar Schnee überrascht.