Ein etwas anderer Geburtstag
Nachtrag aus dem November
Ein Jahr im Ausland bedeutet auch, einen Geburtstag dort zu verbringen und sich mit der Frage herumzuschlagen, ob man feiert und wenn, wie. Mit den anderen Praktikantinnen auf der Arbeit hatte ich ausgeheckt, dass wir an meinem Geburtstag zum KTV, Karaoke TV, gehen. Ein sehr beliebter Ort für Feiern jeglicher Art unter jungen Leuten. Am Abend des besagten Tages haben wir uns alle bei der nächstgrößeren Shoppingmeile getroffen. Zwei meiner Freundinnen, Expertinnen im Bereich KTV und jeglicher anderer cooler Sachen für junge Leute, hatten eines ausfindig gemacht und führten uns hin. Wie ich es schon oft erlebt habe, befand sich das KTV verborgen auf der Hinterseite eines riesigen Hochhauses, so, dass ich es alleine niemals gefunden hätte.
Das ist das unerwartete in diesen Hochhäuserdschungeln. Von außen sieht es wie ein anonymes Hochhaus aus, und wenn man auf eine beliebige Etage fährt, entdeckt man statt Wohnungen etliche kleine Läden; Friseure, Massagestudios, Nagelstudios, einzelne Hotelzimmer, Töpferstudios und ausländische Restaurants. Deswegen denke ich, dass das Angebot immer viel größer ist, als es für einen Outsider auf den ersten Blick wirkt. Man tut also gut daran, jemanden zu haben, der einem die Geheimtipps zeigen kann. Das KTV an diesem Abend entpuppte sich als wirklicher Palast. Es war wie im Spiegelkabinett. Überall Spiegel, Discokugeln und kleine Mosaiksteine, auf denen sich die vielen Scheinwerfer spiegelten. Es handelte sich aber nicht, wie ich dachte, um einen großen Raum wie eine Bar, wo alle Gruppen sich mischen, sondern um einen Raum für jede Gruppe, so dass man jederzeit unter sich ist. Der kleinste Raum, den man mieten kann, ist für zwei Leute, da ist man dann sehr oft mit singen dran. Unser Raum war für die 12 Leute perfekt, eine Bank zum Sitzen, gegenüber ein Bildschirm für die Lyrics und Musikvideos und an der Seite ein Screen, über den man die Lieder auswählt. Vorne steht noch ein Singer Songwriter Barhocker und es gibt genügend Platz für eine kleine Performance.
Als Gastgeberin musste ich völlig peinlich berührt den Anfang mit dem Singen machen. Von meinem „Au Revoir“ hat man sicherlich nur die Hälfte deutlich gehört, ich war froh, als dann meine sehr viel talentierteren Freunde übernommen haben.Von chinesischen Schnulzen, über Spice Girls und einige Punksongs und Songs wie „Your Song“ von Elton John und „Morning has broken“ von Cat Stevens ist glaube ich alles gelaufen. Wobei die hellstimmigen chinesischen Liebeslieder definitiv überwogen. Völlig überrascht war ich dann, als zwei Freundinnen auf einmal einen Kuchen mit Kerzen und allem für mich hereingeschoben haben. Plötzlich haben alle Happy Birthday gesungen und ich war sehr gerührt. Ab da wurde dann gesungen und Kuchen gegessen, der übrigens zu einem Viertel aus Stinkfrucht bestand. Eine sehr beliebte Frucht hier, die tatsächlich stinkt und vor der ich bisher lieber Abstand gehalten habe. Um elf Uhr verabschiedeten sich die meisten Gäste, was nicht untypisch ist, da in Chongqing und auch vielen anderen Großstädten die Bahnen nur bis 23 Uhr fahren. Mit vier hartnäckigen Freunden hatte ich dann aber noch einen sehr schönen Mitternachtssnack, Chuan Chuan, also Spieße, die in einem Topf mit heißem, scharfen Öl gekocht werden. Sicherlich nicht die beste Mahlzeit für die Nacht, aber doch eines der leckersten Essensarten, die Chongqing zu bieten hat. Bei so einem schönen, chinesischen Geburtstag hat es das Heimweh wirklich schwer.