Eigentlich perfekt
Chaotische, faule und neue Anfangstage in Elche
Das erste Mal habe ich die Zeit und die Ruhe gefunden, um gemütlich an meinem Laptop zu sitzen und ein bisschen zu sichten, was für liebe Nachrichten mich erreicht haben in der letzten Zeit. Diese letzte Zeit, die ersten 6 Tage hier in Spanien, die sich gleichzeitig lang und kurz anfühlen. Kurz, weil ich jeden Tag merke, dass ich noch nicht richtig angekommen bin, dass ich etwas schneller ins Grübeln und Sorgen komme und dass ich immer noch einen kleinen Knoten Aufregung im Bauch habe. Lang, weil ich schon so viel gelacht und gemacht habe, am Strand war (im Oktober!!!), diverse Marienprozessionen gesehen habe und mich so unwahrscheinlich gut mit den anderen Freiwilligen verstehe.
Auf die aufgeregt Frage einer Freundin, wie es mir gehe, kam mir in den Sinn: Hier ist eigentlich alles perfekt. Nach 12 langen und auch schönen Jahren Schule mache ich endlich etwas was ich mir ausgesucht habe zu tun, und egal wie es wird, ich bin selbst verantwortlich. Wider den Erwartungen fühle ich mich schon sehr heimisch und angenommen, ich verstehe mehr Spanisch als gedacht und habe viel Spaß. Allerdings hat der "ernste" Teil auch noch nicht begonnen, mit dem Arbeiten soll man ja nicht übertreiben. Das ist jetzt keine Kritik an der angeblich so lockeren Arbeitsmoral der Spanier, ich denke es ist fundamental wichtig, nie zu vergessen, dass es ein Leben gibt neben der ganzen Arbeit, sehr viel Leben sogar. Die Spanier scheinen das zu wissen, das ist alles. Wir haben also viel Zeit, uns und die Stadt kennenzulernen. Vor allem die viele Zeit, die ich mit den anderen Mädchen (keine freiwilligen Jungs hier) verbringe hat mir viel geholfen und auch sich einfach die Zeit nehmen zu können, eine nette Pflanze für den Schreibtisch zu kaufen, hat für mich einen großen Unterschied gemacht.
Denn all das und auch noch mehr brauche ich, hier ist es eigentlich perfekt, aber eben auch nur eigentlich. Die große, manchmal übermächtig scheinende andere Seite der Medaille ist nämlich, dass so gut alles hier läuft, meine Laune trotzdem nicht unentwegt ganz supidupitoll ist. Es ist in Ordnung, nicht mehr in Karlsruhe zu sein, und es ist auch ok, nicht mehr meine Eltern so viel um mich herum zu haben, aber es ist irgendwie gar nicht ok, von Valentin getrennt zu sein. Für alle, die nicht Familie oder Freunde sind: Das ist mein Freund in Karlsruhe.
Ich habe mit vielem gerechnet, mit Sorgen wegen den Freiwilligen und dem Spanisch gemacht, aber ich habe es geschafft, vollkommen zu verdrängen, wie es wohl für mich sein wird, den Menschen, den ich die letzten eineinhalb Jahre so gut wie jeden Tag gesehen habe, mit dem ich mein ganzes Leben und halbes Gehrin teile, nicht mehr zu sehen. Und genau das ist nicht supidupitoll.