Du bist verwarrt
Ankunft in Spanien
„Du bist verwarrt!“, sagte meine Oma im tiefsten erzgebirgisch, als ich ihr von meinen Reiseplänen erzählte (Übersetzung: Du bist verrückt). „Und was willst du dort machen? Urlauber sein? Wollte ich auch immer.“
Mit Punkt eins hat sie auf jeden Fall recht: So normal es heute für Menschen in meinem Alter oft auch ist, ein Auslandsjahr zu machen, ich finde es verrückt. Ich lebe und arbeite (nein, ich werde keine Urlauberin sein) zusammen mit Leuten, die ich vorher noch nie gesehen hab, geschweige denn gesprochen, war noch nie so lange von Zuhause weg und habe auch keine Arbeitserfahrungen und auch nur etwas über das Fortgeschrittenen-Level hinausgehende Sprachkenntnisse. Trotzdem mochten sie die Art wie ich bin (nach meinem Bewerbungsgespräch via Skype erhielt ich tatsächlich eine E-Mail, die begann mit „We really like the way you are“) und konnten auch die EU davon überzeugen ihre Fördergelder beizutragen, wofür ich auch sehr dankbar bin.
Meine Gasteltern Virginia und Juampe (Kurzform für Juan-Pedro) holen mich vom Flughafen ab, bereits in weiser Voraussicht ausgerüstet mit Sandwiches und Wasser, was ich auch dankbar annehme, denn ich war zu nervös um irgendwas zu essen. In der Nacht vorher habe ich auch nicht geschlafen, was zur Folge haben wird, dass mir der abendliche Einkauf mit meiner Gastmutter in einer spanischen Mall eher surreal vorkommt.
Doch zuerst wurde ich von Juampe und Virginia durch die trockene Landschaft zwischen Madrid und Toledo gefahren. Toledo liegt 70km südwestlich von Madrid entfernt, soll für Architektubegeisterte eine wahre Fundgrube sein, ist die Hauptstadt des Bundeslandes Castilla y La Mancha, was die Heimat von Don Quijote ist. Die spanischen Straßenschilder und die Hitze erinnern mich so sehr an frühere Urlaube, dass ich mir gar nicht vorstellen kann hier für elf Monate zu sein. Es fühlt sich eher an, als wäre ich nach sechs Wochen Sommerferien wieder zu Hause und müsse in die Schule gehen, was (glücklicherweise) aber nicht der Fall ist.
„This is you new home!“, sagte Juampe als wir in der Einfahrt eines modernen Backsteinreihenhauses in Olías del Rey stehen, ein kleiner Ort nur zehn Kilometer von Toledo, wo ich an einer Schule arbeiten werde, entfernt.
Sie machen einen Rundgang mit mir durch das dreistöckige, sehr schön eingerichtete Haus. Im Dachgeschoss wohne ich und zum Glück hat mein Zimmer auch eine Klimaanlage, sonst würde man im Sommer ersticken.
Mein Zimmer ist sehr groß und alles steht für mich bereit. Es war vorher das Spielzimmer meiner Gastbrüder, weshalb ich von meinem Schreibtisch aus auf ein Playmobil- Piratenschiff, kleine Rennautos und eine große Sammlung spanischer Kinderbücher schaue. Letzteres freut mich sehr, denn sie sind kurz und super zum Auffrischen der Spanisch-Kenntnisse, da sie in leichter Sprache verfasst worden. Ansonsten gibt noch neben meinem Zimmer eine Art Hausbar und Fernsehraum, wo meine Gastbrüder manchmal Wii spielen.
An meinem ersten richtigen Tag in Spanien geht es an den Pool, der zur Siedlung gehört. Es ist, trotz der Hitze, sehr ruhig dort, da die meisten im Urlaub sind. Meine Gastbrüder haben ganze drei Monate Sommerferien, wahrscheinlich weil bei der Hitze sowieso nichts geht. Außerdem wird mir der Ort gezeigt, der zwar klein aber fein ist, mit einem Supermarkt, vielen kleinen Geschäften und einer Bushaltestelle mit Bussen nach Toledo und Madrid.
In den nächsten Tagen werde ich sicherlich nach Toledo fahren, um mal im Colegio vorbei zu schauen und die Stadt anzusehen.
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