Dienstag bis Freitag, 09. - 12.09.2014: Von Arbeitsroutinen und Gedenkstellen
Da meine Arbeit im Kindergarten sehr strukturiert ist, weil die Kinder Struktur brauchen, fühlte ich mich schnell in meine Arbeitsroutine hinein. Und nutze natürlich das umwerfend warme und sonnige Wetter, um nach meiner Arbeit die schönen Ecken Warschaus auf eigene Faust zu erkunden.
Am Dienstag fand ich den Weg zum Kindergarten allein. Ich war viel zu zeitig da und half deshalb bei der Betreuung der Kinder vor um 9:00 Uhr. Alle Kinder, die eher gebracht werden (müssen), haben eine Art Frühhort. Hier sind auch Kinder von allen Gruppen zusammen. Sie können einfach spielen und Herumtollen. Um 9:00 Uhr beginnt dann das Frühstück. Es gibt kanapki, Schnitten, die jeden Tag verschieden belegt sind, mal mit Wurst, mit Käse, mit einer Art Fisch oder auch mit Marmelade oder nur Butter und Tomate. Dazu gibt es für manche Kinder Milchreis oder Grießbrei und für alle einen sehr süßen, kindgerechten Tee. Nach meinem ersten Probieren zog ich es dann doch vor, mir schwarzen Tee zu kochen … bzw. kochen zu lassen. Bis 10:00 haben die Kinder dann Zeit zu spielen. Je nachdem, wie lange sie zum Frühstücken brauchen, ist das länger oder kürzer. Um 10:00 Uhr beginnt dann der Unterricht. Wir schauen, wer alles da ist und begrüßen jeden. Dann gehen wir den immer gleichen Tagesablauf durch. Für die Kinder ist es wichtig, eine tägliche Routine zu haben. Jede Aktion des Tages hat eine bestimmte Handbewegung oder Geste, die die Kinder möglichst zeigen sollen, wenn wir den jeweiligen Punkt durchnehmen. Das klappt je nach Behinderungsgrad allein oder auch mit Hilfe. Danach lernen wir die Wochentage und Farben und schauen auch immer nach dem Wetter. Eine kleine Wetterkarte kann dann auf die große Wochentafel geklebt werden. Das können die Kinder auch selbst machen. Jede Woche gibt es auch ein Thema, zu dem gearbeitet wird. In jener Woche war das Thema Urlaub, weil es gerade die erste Woche nach den Ferien war (nun, die erste Woche, in der der „Unterricht“ anfing). Wir haben zum Beispiel ein Bild mit Kleber bestrichen und Sand bestreut und dann einen Himmel mit blauer Farbe dazu gemalt. Manche Bilder werden dann auch im Kindergarten ausgehangen.
Nach dem Unterricht haben die Kinder individuelle Therapien. Es gibt Einzeltherapie mit z.B. Sprachtherapeuten, aber auch Gruppentherapie. Ich habe bis jetzt bei der Gruppentherapie mitgeholfen, wo die Kinder bestimmte Dinge auf Kommando nachmachen sollen, z.B. sich ausstrecken, dann die Arme strecken, sich auf die Seite drehen, sich ein Säckchen auf den Kopf legen und so weiter. Wenn ich ein bisschen mehr über die verschiedenen Therapien herausgefunden habe, werde ich euch mehr darüber berichten.
Alle anderen Kinder können spielen, wir lesen ihnen Bücher vor oder spielen ein bisschen Musik. Wenn gutes Wetter ist, gehen wir auch mal in den Park, der direkt neben dem Kindergarten ist. Und die Kinder lieben das Laub und die Sonne, die auf der Wiese funkelt … das ist soo schön! Um 12:00 Uhr treffen sich dann alle in einer Gruppe, immer abwechselnd in der grünen oder rosanen. Dann ist Musikunterricht. Es werden Kinderlieder abgespielt und jeder, der den Text kennt, singt lautstark mit. Die Kinder sollen zum Tanzen oder wenigsten „Schunkeln“ animiert werden. Manche tanzen wirklich gern, das ist unglaublich =) Danach gibt es um 12:30 Uhr Mittagessen, das im Kindergarten selbst gekocht wird. Es ist unglaublich frisch und lecker, ich esse auch im Kindergarten. Wir helfen also den Kindern, die Hilfe beim Essen brauchen, und füttern sie. Danach werden manche schon abgeholt, die anderen machen bis um 2 Mittagsschlaf. In dieser Zeit haben die Erzieherinnen und wir Freiwilligen ein bisschen Freizeit. Ich esse meistens in dieser Freizeit, weil ich dann mehr Ruhe habe. Außerdem bietet sich die Zeit gut zum Polnischlernen an. Um 2 gibt es dann eine Art Kaffeetrinken mit Apfelmus oder Fruchtgelee oder etwas in der Art. Bis 15:00 Uhr haben die Kinder dann noch mal Zeit zum Spielen und dann werden sie auch langsam abgeholt.
Am diesem Dienstag war das Wetter sehr sonnig und warm und ich entschied mich, das Denkmal des unbekannten Soldaten zu besuchen. Es ist am Eingang des Sächsischen Gartens. Zwei Soldaten der Polnischen Armee halten hier eine ständige Mahnwache und es brennt auch ein Feuer. Auf den Tafeln an der Wand stehen die Orte von Schlachten oder Kämpfen und deren Datum. Als ich dort kurz vor 16:00 eintraf, war gerade Wachwechsel.
Ich besuchte an jenem Tag noch drei Kirchen. Aber die werde ich euch ein ander mal vorstellen, wenn hier ein bisschen Ruhe eingekehrt ist und nicht jeden Tag etwas unglaublich aufregendes passiert. Dann stelle ich euch all die schönen Hauptkirchen hier vor, denn, bedenkt, in Polen ist jede Kirche Hauptkirche!
Auf meinem Heimweg hatte ich meine erste Begegnung der etwas anderen Art. Ich wartete ganz gemütlich an einer Ampel, als mich jemand fragte "Excuse me, do you speak English?" Na klar sprach ich Englisch und da der nette Herr in die gleiche Richtung wollte wie ich, nahm ich ihn einfach mit. Wir kamen ins Gespräch. Er war auf einer Tagung an der Universität, hatte sich ein bisschen die Stadt angeschaut und wollte nun zurück zum Festbankett. Er kam aus Paraguay und war studierter Computerlinguist. So mancher Leser wird jetzt wissen, dass ich da an ihn gedacht habe ...
Im Kindergarten bekam ich langsam eine Routine rein und so spare ich mir das Erzählen des immer gleichen Tagesablaufes und berichte mehr, wenn neue Dinge hinzukommen. Ja, ihr hört schon, der "immer gleiche Tagesablauf". Es war erstaunlich, wie schnell ich auf die Frage "Wie war's im Kindergarten?" zu antworten begann: So wie immer.
Der Mittwoch verlief also recht unspektakulär, außer dass der für den Abend angekündigte "Internetman" (absichtlich nur mit einem "m", in Anspielung an die Superhelden des Alltags) nicht kam.
Am Freitag verlies ich nach einer schönen und guten ersten Woche gegen 15:00 Uhr den Kindergarten gen Wochenende. Ich fühlte mich wohl und willkommen dort, hatte die Kinder schon lieb gewonnen und war gespannt auf die nächsten, gemeinsamen Monate. Wir setzen unsere erste Wäsche an, was wir dank englischsprachiger Waschmaschinenanleitung auch ganz gut hinbekamen. Am Abend trafen wir uns dann alle zusammen in der Stadt mit Vaskas Mentorinnen, die beide in Warschau studieren oder arbeiten und uns viele gute Tipps geben konnten. Außerdem war dieser Pub supergemütlich ... wenn auch sehr leer ... nun ja, viele saßen bei dem guten Wetter natürlich draußen, aber große Gruppen brauchen eben viel Platz.