Die Sonne scheint, komm lass uns streiken!!
Ich wage mich auf politisches Terrain: Ein kurzer Bericht über die Franzosen und ihren "Cher Président".
Es ist mal wieder so weit: Die Franzosen streiken! Seit Anfang September rollt eine Protestwelle gegen die neue Rentenreform von Präsident Nicholas Sarkozy durchs Land.
Das macht sich auch in meinem kleinen, paradisisch abgelegenen Dörfchen Burlats bemerkbar, spätestens aber, wenn man mit einer Horde Kinder in Paris festsitzt und auf den nächsten Zug hofft bevor der Streik anfängt oder an einem Streiktag versucht, mit dem Auto in die nächste Stadt zu kommen. Was sonst nur ein Freitagnachmittag-Phänomen ist, hat sich in größeren Maßen auch am Dienstag gezeigt: Die Straßen von Castres waren mit Autos verstopft und Polizisten, die versuchten, das Chaos zu kontrollieren. Wenn man sonst innerhalb von 5 Minuten die Stadt umrundet, musste man da schonmal eine Viertelstunde einplanen.
Auch geht jetzt die Angst um, dass das Benzin knapp wird, weil derzeit in zehn der zwölf Raffinerien Frankreichs gegen die Reform gestreikt wird. Da hat mich mein Chef natürlich schnell nochmal tanken geschickt und spätestens an der Tankstelle merkte ich, dass auch noch viele andere auf diese Idee gekommen waren...
Im Kern geht es bei der Rentenreform darum, im Rahmen der Sparbeschlüsse das Eintrittsalter von 60 auf 62 Jahre zu erhöhen. Im Vergleich: Das gesetzliche Renteneintrittsalter in Deutschland beträgt zur Zeit 65 Jahre und soll ab 2012 noch erhöht werden, da haben es die Franzosen dann doch noch etwas komfortabler.
Aber wie mir ein französischer Bekannter anvertraut hat, sind die Franzosen ja "nie zufrieden". Oder sie lieben es einfach zu sehr, zu streiken. Das tun sie nämlich besonders gerne, wenn schönes Wetter ist! Warum sollte man auch an einem kalten Regentag auf die Straßen gehen? Ein Spaziergang in der Sonne ist doch viel schöner! Wie heute zum Beispiel: ein angenehmer, sonniger Herbsttag. Grund genug für tausende Franzosen, den dritten Tag in Folge zu streiken. Das betrifft vor allem den Schienenverkehr und die Treibstoffproduktion.
Die Regierung lässt sich davon jedoch nicht beeindrucken und will die Reform weiterhin durchsetzen. Klar, dass da einiger Unmut im französischen Volk entsteht. So habe ich schon von einer Anti-Agressions-Gruppe gehört, die versucht, ihre Wut auf den Präsidenten auf eine humorvolle Art und Weise zu therapieren: Wer sich am Telefon meldet, hängt als Begrüßung vor das obligatorische "Bonjour, ca va?" noch ein nettes "Nicholas Sarkozy est un salaud" (Nicholas Sarkozy ist ein..."Mistkerl" - für weitere Varianten dieses Schimpfworts einfach unter www.leo.org nachschauen).
Doch natürlich gibt es auch einige, die die Arbeit des Präsidenten befürworten, auch wenn sie sich eher versteckt halten. Wie kann man erkennen, ob jemand den Präsidenten befürwortet oder nicht? Ganz einfach, es gibt diejenigen, die ihn "Monsieur Sarkozy" oder "Monsieur le Président" nennen und ihn auch als solchen haben wollen, und es gibt diejenigen, die es gern auf "Sarko" reduzieren...Dazu muss ich sagen, dass ich in meiner Umgebung öfters "Sarko" höre...
Oft wird kritisiert, dass Sarkozy eine "Politik der Reichen" betreibe und die Armen immer ärmer werden, die Sparmaßnahmen an den falschen Stellen stattfinden und Ungerechtigkeit im Steuersystem herrscht. Auch hat er die Arbeitsverträge reformiert, was zu einigen Komplikationen in meiner Organisation führte, denn so hätten die Animateure hier beinahe innerhalb von zwei Monaten ihren Job verloren. Glücklicherweise gab es ein paar Schleichwege, dem zu entkommen...
Ich möchte mich jetzt natürlich auch nicht zu weit aufs politische Terrain wagen, da ich selbst nur wiedergeben kann, was ich so in meiner Umgebung und auf der Arbeit höre, und deshalb nicht genügend objektiv sein kann. Trotzdem finde ich es sehr interessant, durch meinen EFD hier ein wenig Einblick in die französische Innenpolitik zu bekommen, vor allem mitten drin zu sein und zu hören, was die Franzosen und Französinnen selber davon halten, und zu merken, wie dies alles selbst meinen Alltag und meine Arbeit hier in der Moulin Des Sittelles im friedlich versteckten Burlats beeinflusst.
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