Die Chișinăueni und ihr Weihnachtsbaum
Weihnachten ist für uns zwar schon zwei Wochen her, in der christlich orthodoxen Kirche, wird allerdings erst am 7. Januar gefeiert. Im Folgenden Bericht geht es um den Weihnachtsbaum auf dem Piața Mare in Chişinău, der zu Beginn einige Kritiken erleiden musste.
„Der Tannenbaum ist nicht schön.“, „Der Weihnachtsbaum möchte nach Europa!“, „Seht was für einen schönen Tannenbaum die Bewohner von Tiraspol haben und wie schief unser Tannenbaum in Chişinău ist!“
Als ich Anfang Dezember durch meinen Facebook News-Feed ging, war er voll von solchen oder ähnlichen Posts. Überall wurden Vergleiche zwischen dem Tannenbaum in Chişinău und dem in Tiraspol gezogen. Und in der Tat. Der Weihnachtsbaum auf dem Piața Mare in Chişinău ist kein symmetrisches Perfektionsstück. Aber dafür ist er echt. Der Tannenbaum in Tiraspol dagegen ist aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzt und leuchtet in einem unnatürlich grellen grün mit weißen und blauen LED-Lichtern. Der Weihnachtsbaum in Chişinău ist ein natürlicher Nadelbaum mit (für meinen Geschmack etwas zu vielen) weißen Lichterketten, leuchtenden Eiszapfen und blinkenden Weihnachtskugeln. Aber auch als ich im Jahr zuvor, im Advent 2013, in der Moldau war, war der Tannenbaum kein perfekter Baum und gerade war er auch nicht wirklich. Warum wurde also in der Vorweihnachtszeit 2014 so viel darüber diskutiert?
Der Weihnachtsbaum wurde am 29.11.2014 aufgestellt und am 01.12.2014 wurden feierlich die Lichter des Baums und die weihnachtliche Straßenbeleuchtung eingeschaltet. Dabei hielt der Bürgermeister Dorin Chirtoacă eine Rede und startete mit den Kindern, die mit ihm auf der Bühne standen zusammen einen Countdown und zählte mit ihnen von zehn abwärts. Soweit ist nichts anders als im Jahr zuvor. Woran sich aber einige stören, ist, dass der Weihnachtsbaum dieses Jahr nicht nur schief ist. Er ist zwar schief, aber allein das ist nicht das Problem. Er zeigt in eine entscheidende Richtung für das Land – gen Westen. Richtung Europa. Vielleicht wäre es manchen gar nicht so aufgefallen, wären nicht am 30.11.2014 die Parlamentswahlen in der Moldau gewesen und wäre die Frage der Annäherung an Europa nicht noch präsenter gewesen, als sie sonst schon ist.
Die Diskussion um den Weihnachtsbaum ist natürlich nicht an Dorin Chirtoacă (der einer pro-europäischen Partei angehört) vorbeigegangen. Auf seiner Facebookseite hat er die Beschwerden aufgegriffen und einige Statements dazu abgegeben.
Z.B. über den Preis: Für einen künstlichen Weihnachtsbaum zahlt die Regierung in Transnistrien 2 Mio. Lei (105 263 €). Für einen echten Weihnachtsbaum zahlt die moldauische Regierung gerade einmal 14.000 Lei. In einem weiteren Statement geht es um die Ausgaben für die Entwicklung in den suburbanen Gebieten Chişinăus (darunter fällt Kanalisation, Transport, Gas, Ausbau und Reparaturen von und in Schulen und Kindergärten), welche sich auf 4 Mio. Lei belaufen. Das entspricht derselben Summe, die Transnistrien für seine drei Weihnachtsbäume in Tiraspol, Tighina und Rîbnița ausgibt. „Was ist wichtiger?“, fragt er.
Weiter schreibt er, dass der Baum zwar nicht perfekt ist, aber dafür perfekt natürlich. Und dass „All wir Menschen unterschiedlich sind und niemand von uns ist perfekt. In der EU sagt man: „In Diversität vereint“. Wichtig ist, dass mit dem Weihnachtsbaum eine weihnachtliche Atmosphäre aufkommt und nicht, dass der Baum mit irgendetwas im Wettbewerb steht!“ Jeder Baum soll für sich in seiner Einzigartigkeit schön sein.
Das Thema wurde vor allem Anfang Dezember viel diskutiert. Als ich Mitte Dezember in der Moldau war, hatten sich die Chișinăueni wohl schon an den schiefen Baum gewöhnt und mir wurde die Geschichte zwar erklärt, aber ein Thema zum Aufregen war es anscheinend schon nicht mehr. So haben die Chișinăueni wohl trotz des gen Westen geneigten Baum eine besinnliche Vorweihnachtszeit und die richtige Weihnachtsatmosphäre genießen können.