Der Alltag im Altenheim
Bingo, Volkslieder und kurze Spaziergänge - Von meinem Alltag in meinem Projekt, einem Altenheim in der litauischen Provinz.
Eine meiner Lieblingspatientinnen, Inna, sitzt schon am Frühstückstisch als ich den Speisesaal betrete, und fängt direkt an, auf Litauisch auf mich einzureden. Davon verstehe ich leider nicht allzu viel, beinahe nichts, aber wir kommunizieren auch ohne eine gemeinsame Sprache: Ein Lächeln erweckt das andere, und den Schmerz in ihren Augen, wenn sie zu lange steht, verstehe ich auch wenn sie mir das nicht verbal mitteilen kann.
Diese Beziehungen verschönern meinen Alltag, der manchmal ganz schön hart sein kann. Insbesondere die Pflege hat mich zunächst viel viel Überwindung gekostet: Fremde Menschen anzufassen, sie zu waschen und zu säubern, ihnen die Zähne zu putzen oder sie auf Toilette zu begleiten ist am Anfang sehr schwer. Es ist vor allem aber eine Übungssache, und eine Frage der Perspektive: Schließlich ist all das menschlich, und sie brauchen die Hilfe. Ich merke vor allem, dass viele ältere Menschen hier so lange wie möglich ihre Würde bewahren wollen, und wenn man dann mit Ekel reagiert, verletzt es sie und ihre Hilflosigkeit ist ihnen peinlich.
Ich lerne hier sehr viel, über mich zum Beispiel, aber auch viel über das Leben: Zeit gewinnt eine andere Bedeutung hier und angesichts des nahenden Endes werden materielle Güter oder soziale Anerkennung immer bedeutungsloser. Was wirklich zählt, ist Liebe, Familie und Freundschaft. Gerade mit dieser Erkenntnis macht es mich dann traurig, wenn manche Patienten hier kaum von ihren Familien besucht werden. Natürlich weiß ich auch, dass sie wahrscheinlich einfach nur sehr beschäftigt sind und es ihnen vielleicht auch schwer fällt, ihren Angehörigen in diesem Zustand zu sehen, aber es bedeutet ihnen so viel.
Ich glaube, die Art und Weise wie wir mit unserer älteren Generation umgehen sagt sehr viel darüber aus, was für Menschen wir sind. Und daran gemessen, sieht es in unseren modernen, europäischen Gesellschaften nicht gut aus - Ich hoffe aber wirklich, mich in Deutschland weiterhin in dem Bereich engagieren zu können und etwas zu verändern!