Das Leben auf vier Rädern
Unter dem Hashtag #vanlife oder #modernnomads entdecken viele junge Menschen das unstetige Hippie-Leben wieder. Ist das nur ein Trend oder vielleicht wirklich mal einen Versuch wert?
Viele träumen davon, nur manche wagen es: Das moderne Nomadenleben. Zwei meiner Freund haben es tatsächlich versucht: Sie kauften sich einen alten Van und werkelten monatelang daran rum. Nachdem sie dann auch noch ihre Wohnung gekündigt und den Großteil ihrer Sachen verkauft hatte, ging es dann auch wirklich los, Richtung Süden. Seitdem schicken sie mir regelmäßig Bilder, aus Südspanien, aus Marokko oder Frankreich, und obwohl ich sie anfangs noch ein wenig belächelt habe, werde ich fast ein bisschen neidisch: Machen sie es vielleicht richtig? Einfach auf Reisen zu gehen, sich nicht um Verpflichtungen kümmern und das Leben genießen?
Das Aussteiger-Leben ist im Trend: Unter dem Hashtag #vanlife findet man über 4.850.700 Einträge auf Instagram, viele moderne Nomaden zeigen ihr Leben auf Youtube und es gibt unzählige Blogs, die sich mit der Thematik beschäftigen. Aber was bedeutet aussteigen heute überhaupt? Es bedeutet nämlich häufig nicht das, was es früher einmal war: Der komplette Abschied aus der Zivilisation. Während Schriftsteller wie Jack Kerouac sich damals in die Wälder aufmachten, um die absolute Stille zu erleben und nur mit dem nötigsten auszukommen, ist es heute eher essenziell, sich online mit möglichst vielen Menschen zu verbinden. Gleich geblieben ist aber häufig die Nähe zur Natur: Nur wenn man in einem Van oder kleinen Bus lebt, kann man jeden Tag in anderen Landschaften aufwachen oder auch mal im Winter campen.
Soziale Medien sorgen aber leider auch dafür, dass der Lebensstil romantisiert wird: Natürlich sieht man auf Instagram nur wunderschöne, ausgeschlafene Menschen in perfekt eingerichteten Vans vor eindrucksvollen Landschaften. Die negativen Seiten des mobilen Lebens sieht man eher nicht. Tatsächlich ist das Leben nicht so einfach: Der Komfort hängt natürlich von der Ausstattung des Gefährts ab, ist aber natürlich geringer als in einem festen Haus. Die wenigsten Vans haben eine eigene Toilette und die Dusche ist in der Regel draußen - Man sollte also keine Scheu haben, sich auch mal in der Öffentlichkeit frisch zu machen! Da der Platz extrem begrenzt ist, muss jeder mitgeführter Gegenstand absolut notwendig sein, und das schränkt die Auswahl häufig ganz schön ein. Das Leben ist im allgemeinen sehr funktional, und man ist in vielerlei Hinsicht auch verwundbarer: Vieles ist abhängig vom Wetter, und es kann auch im Sommer sehr kalt werden. Außerdem sollte man immer seine Sicherheit bedenken, denn gerade an verlassenen Parkplätzen treiben sich manchmal seltsame Gestalten rum. Die Legalität eines Lebens am Straßenrand ist auch nicht immer eindeutig: In Deutschland ist es nicht unbedingt verboten, in einem Auto zu übernachten, es kann aber schon als Störung empfunden werden und ist nicht überall gerne gesehen. In vielen Ländern gibt es unterschiedliche Regeln, in den Niederlanden ist es zum Beispiel ausnahmslos verboten, daher sollte man sich immer vorher erkundigen.
Im Angesicht dieser eher negativen Aspekte kann man sich fragen, warum manche Menschen das überhaupt auf sich nehmen - Die Antwort liegt in der einmaligen Erfahrung. Es gibt wahrscheinlich wenig Erfahrungen, neben einem nomadischen Leben, was einem so viel Verbundenheit mit seiner Umwelt zeigt. Dadurch, dass man so abhängig von seiner äußeren Umgebung ist, lernt man sie auch besser kennen und setzt sich mit ihr auseinander. In dieser Extremsituation erkennt man, was wirklich wichtig ist und was man zum Leben braucht - Oder auch nicht. Man sagt, wer viel besitzt, der hat auch viel Gepäck. Das wird wahrscheinlich auch jeder bestätigen, der einmal mit einem Rucksack gereist ist, es stimmt aber auch im alltäglichem Leben: Denn unserer ganzer Krams belastet uns mehr, als dass er uns hilft. Ein Leben im Van, eine Reise auf vier Rädern könnte daher wirklich lebensverändert sein und uns helfen, uns zu fokussieren: Auf uns selber aber auch auf die Welt und ihre Bewohner.
Meine reisenden Freunde haben auch schon viele schlechte Tage durchlebt und eiskalte Nächte durchstanden, aber sie bereuen ihr Leben im Van nicht. Die Erfahrungen, die sie machen, wiegen das alles auf, aber vor allem das Gefühl, sein ganzes Leben bei sich zu haben und absolut frei zu sein. Natürlich kann sich nicht jeder leisten, einen Van umzubauen oder sich lange genug Urlaub zu nehmen um zu reisen, aber das ist auch gar nicht unbedingt nötig: Mit genügend Abenteuerlust und Mut kann man Abenteuer überall finden, wir müssen es nur wagen!
Wunderschöne und inspirierende Dokus und Filme, die Fernweh wecken:
- Weit. Die Geschichte von einem Weg um die Welt. (https://www.youtube.com/watch?v=KwNASyvE5jE)
- Motorcycle Diaries (https://www.youtube.com/watch?v=Uv9L3N8_hoo)
- Little Miss Sunshine (https://www.youtube.com/watch?v=oCAFPYOguI0)
- Darjeeling Limited (https://www.youtube.com/watch?v=lpdZecuJ2tA)