Das Fleisch im Müsli
Billige Wasserbetten und kleine Asylantenheime
Sechs Monate - fünf Blogeinträge. Diese unglaubliche Bilanz wird nur getoppt von der Anzahl meiner Mentortreffen, von denen ich immerhin schon ganze vier hatte. Manch einer mag jetzt behaupten, dass mich bestimmt wieder meine nicht vorhandenen Schokoladenvorräte vor den Laptop treiben, doch das stimmt diesmal nicht. Ein bisschen vielleicht schon, aber ich habe mir fest vorgenommen mindestens einmal im Monat ein Update zu verfassen und wirklich viel Zeit bleibt mir dafür ja nicht mehr. Auch in Rumänien ist mittlerweile der Frühling ausgebrochen, ich hatte schon Angst, dass meine Haut den Kontakt mit Sonne nicht mehr gewohnt ist und schwere Schäden davontragen wird. Dies ist zum Glück nicht eingetreten, aber ich befürchte zum Bräunen eignet sich meine derzeitige Heimatstadt dann doch nicht.
Im Kindergarten geht alles seinen gewohnten Gang. Alexandru werde ich schon eine Weile nicht mehr genannt, die derzeitigen Favoriten sind Vlad und Floare (heißt meines Erachtens Blume- ein durchaus maskuliner Name also!). Diese beiden Spitznamen sind immerhin schon näher dran am "Original" als Alexandru. Mein Rumänisch reicht inzwischen schon für erste Konversationen- die Kinder wurden nämlich auch langsam misstrauisch, da meine Standardantwort da lautete. Die im letzten Blogeintrag angesprochene Romanze zwischen mir und dem 3-jährigen Norbi ist etwas ins Stocken geraten, da Norbi und ich relativ oft krank waren- leider nie zur gleichen Zeit. Mein Plan ihn zu adoptieren steht allerdings nach wie vor, ich denke mit Bananen als Lockmittel dürfte das kein Problem werden. Eine bisher nicht erwähnte Aufgabe ist das Einordnen der Bilder in Mappen der Kinder. Man mag erahnen, dass in einem Kunstkindergarten Bilder relativ häufig entstehen. Die Bilder werden dabei selbst beschriftet, worin auch schon das Problem besteht. Jedes Kind wählt dabei seine eigene Methode: Nachname, Spitzname, Spiegelschrift, rückwärts geschrieben oder auch wahllos aneinandergereihte Striche. Hat man diese Hieroglyphen erst einmal entschlüsselt muss man ihnen noch klarmachen, dass es nicht gänzlich hilfsbereit ist, meine angehäuften Bilderhaufen wild im Raum zu verteilen. Mein Kindergärtner hat zudem derzeit auch die Vermutung, dass Deutsche ihr Müsli mit Fleisch essen. Auf ihre Frage nach Müsli (cereale) antwortete ich stolz verstanden zu haben, dass ich derzeit kein Fleisch esse- Sarmale ist hier ein bekanntes Fleischgericht. Sie wirkte völlig entgeistert, ich bemerkte meinen Irrtum erst später.
Die Arbeit an den Schulen macht nach wie vor Spaß. Gerade die Arbeit in der Dorfschule kann aber gelegentlich etwas frustrierend sein, da vor allem die 8. Klasse völlig lernresistent zu sein scheint und ich den Verdacht nicht loswerde, dass das Englischniveau der 1.-und 8. Klässler sich nicht gravierend unterscheidet. Das klingt gemeiner als es gedacht ist, da die Schüler aber einfach nicht gewillt sind neues zu lernen, ist das schon manchmal ermüdend. Als sie einen Text auf Englisch lesen sollten, überlegte ich minutenlang welche Sprache gerade gesprochen wird- ein englisches Wort konnte ich jedenfalls nicht heraushören. Diese nicht vorhandenen Lernfortschritte liegen meines Erachtens aber nicht an dem Lehrer, der wie ich finde einen guten Job macht. Der Deutschunterricht ist da nicht minder anspruchsvoll. Das Ignorieren meiner Wenigkeit ist nach wie vor eine beliebte Taktik - es ist aber schon verwirrend, dieselbe Frage 12 mal zu stellen, da man die bisherigen 11 Male freundlich angelächelt wurde. Das ist auch der Grund warum der Lehrerberuf wohl nicht für mich in Frage kommt- Geduld sollte man da schon mitbringen, eine Eigenschaft, an der ich noch etwas arbeiten muss. Rumänische Klassenzimmer sind aber ein guter Ort zum Üben!
Die oben angesprochenen Mentortreffen sind in einem europäischen Freiwilligendienst leider Pflicht, aber ich finde sie relativ unnötig und gehe ihnen mit -wie man lesen kann- Erfolg aus dem Weg. Meine riesige Wohnung hat inzwischen Zuwachs bekommen- nein, niemand ist schwanger! Eine Weißrussin und ein Türke sind nun eingezogen- falls noch jemand kommt, dürfen wir uns offiziell Asylantenheim nennen. Bei einer gefühlten 2 Quadratmeter Küche und einem Bad, sollte man jegliche Berührungsängste ablegen. Die Organisation beeindruckt mich auch immer wieder mit dem Mut zur Kreativität. Aus einer brüchigen "Couch" (man könnte es auch Holzkasten mit Überzug nennen) wurde kurzerhand ein Bett gemacht. Bei der Beschreibung Bett sollte man allerdings vorsichtig sein, mit dem fehlenden Lattenrost und einer Matratze, die geringe bis äußerst starke "Gebrauchsspuren" aufweist, könnte man das ganze wohl als billiges Wasserbett bezeichen- der Einsinkeffekt ist jedenfalls vorhanden. Mein Balkon wurde mittlerweile als Abstellkammer umfunktioniert- ohne meine Zustimmung - Ich benutze ihn zwar nicht wirklich, aber trotzdem wirkt das ganze für mich äußerst einsturzgefährdet.
Die im letzten Eintrag angesprochene Präsentation haben wir erfolgreich gehalten- ohne Karnevalskostüm und zum Glück auch ohne Bonbons. Eigentlich wollten wir in schwarz-rot-gold präsentieren, doch ich war der einzige der sich daran hielt. Die anderen beiden kamen in knallgelb und weiß (?!). Derzeit arbeite ich an einer Präsentation, was trotz Übersetzungshilfe nicht ganz einfach ist. So wurden in meinem Text die Menschen im 2. Weltkrieg nicht getötet, sondern eingelegt.
Nach 6 Monaten habe auch ich es geschafft die rumänische Hauptstadt Bukarest zu besuchen. Was dort als erstes auffällt, ist der beständige Kontrast zwischen Schönheit und Verfall. Dort stehen einsturzgefährdete "Häuser" (bzw. Steinansammlungen) neben beeindruckenden Kirchen. Der Besuch dort hat sich jedenfalls gelohnt. Einzig negativ aufgefallen ist die wohl für Großstädte typische Freundlichkeit der Menschen. Fragt man in einem Restaurant nach einem Toilettenbesuch wird man mit einem simplen "Nein" bedient- man möchte ja, dass die Person wiederkommt. Dies ist natürlich auch für deutsche Städte typisch, aber bisher waren wir eben einfach anderes aus Rumänien gewohnt. Morgen fliege ich dann mit 3 Mitfreiwilligen für 3 Tage nach Dubai und treffe anschließend meine Schwester. Dieser Besuch sorgt auch dafür, dass ich mich nun wieder dem Aufräumen widmen sollte. Seit dem Besuch meines Vaters- der diese gefühlt wochenlang (manch einer mag von einer Stunde sprechen) andauernde Putzaktion nicht zu würdigen wusste- hat sich dieses Zimmer wieder in ein Krisengebiet verwandet. Mich beschleicht ein wenig die Angst, dass sie bei diesem Anblick dafür sorgen würde, dass ich nie wieder alleine wohnen werde.
PS: Ich bin großzügig. Wer immer meinen zweiten Handschuh hat, darf ihn jetzt behalten.
PPS: Hat jemand Interesse an 5 einzelen -gewaschenen- Socken? Sie sind Single und fühlen sich einsam.
PPPS: Unser Interesse an einem Staubsauger besteht nach wie vor!