Das Erdbeben als Retter in der Not
Wir ließen unser Leben hinter uns und wollten für immer in die Türkei auswandern. Es passierten einige Dinge, sodass eine Naturkatastrophe uns aus unserer ausweglosen Situation befreite.
Das Erdbeben als Retter in der Not
Auswandern?
Das ist doch ein schlechter Scherz, dachte ich.Nein, diesmal nicht.Dieser gut durchdachte Plan wurde beim Abendessen bei den alltäglichen Gesprächen nebenbei erwähnt.Mein Vater ist Türke, meine Mama kommt aus Deutschland und mein Bruder und ich lebten zwischen diesen beiden kontroversen Kulturen Christen und Muslime.Als ob dies nicht schon schwer genug sei, konnten wir in unseren frühen Kindesjahren mal eben das Land wechseln.Es ging alles recht zügig, die Familie meines Vaters hat uns schon sehnsüchtig erwartet.Die Koffer und Umzugswagen waren schneller gepackt, als der Mietvertrag unserer Wohnung unterschrieben war und dann ging die große Reise auch schon los.Selbst meine Mutter verließ zuversichtlich das Land, zumindest schien dies so, als sie ihre Eltern und Schwestern das letzte Mal umarmte, denn mein Vater versprach uns ein Leben ohne Sorgen.Es sei hundertmal schöner als wir es jetzt hätten.Am Flughafen angekommen, schauten wir noch ein letztes Mal zu unseren Lieben zurück und flogen dann in das neue Leben, welches wir von nun an in der Türkei verbringen sollten.Dort angekommen begrüßte die türkische Verwandtschaft uns schon mit offenen Armen. Sprachlich hatten wir keine Probleme, denn Türkisch konnten wir alle, bis auf meinen Bruder, er war noch zu klein.Von nun an hieß es Röcke und Kopftuch tragen für meine Mutter.. Da ich noch klein war, wurde ich davon noch verschont.So hatte sich meine Mutter ihr neues Leben aber nicht vorgestellt.Graubrot ? Das suchten wir in den Supermärkten vergeblich. Auch die nette Frau von RTL oder der Sandmann abends war nun nur noch Bestandteil unserer Erinnerung.Die türkischen Kinder waren zwar nett, ersetzen jedoch noch lange nicht unsere guten Freunde aus Düsseldorf. Heimat erfuhren wir nur dann, wenn Carepakete aus Deutschland kamen, mit Graubrot, einigen Süßigkeiten, Briefe und Schmelzkäsescheiben, welche wir früher sehr geliebt haben.Ab und zu gab es auch mal Telefonate, jedoch nur selten, da Handys noch nicht sehr aktuell und Telefonate teuer waren.Auf dem Boden essen, zu fünft an einem kleinen Tisch mit vielen anderen Kindern, so sahen die meisten Mahlzeiten bei uns aus. Die Familie meines Vaters hatte nicht viel Geld, sodass man immer schnell essen musste, um etwas ab zu bekommen. Manchmal versuchte meine Mama uns etwas wegzustellen, damit wir überhaupt etwas zu Essen bekamen, da wir sowas nicht kannten.
Je länger die Zeit verging, desto unwohler fühlten wir uns. Die monatlichen Carepakete war jedes Mal ein kleines Geschenk Heimat.Auch der Kindergarten war eine tägliche Tortur für mich, weinend fiel ich in die Arme meiner Mama als sie mich täglich abholte.Wir alle wussten, dass wir dort nicht bleiben wollten, außer meinem Vater… Er wollte dort bleiben und ihm zu liebe taten wir es, obwohl das Heimweh täglich größer wurde.Die Herzlichkeit meiner Verwandten konnte das starke Heimweh einfach nicht kompensieren.Zuversichtlich wie mein Papa war, sei all dies Gewöhnungssache, aber nach einem Jahr haben wir uns nur täglich mehr und mehr Fehl am Platz gefühlt.Als meine Mutter keinen Ausweg mehr wusste, geschah unser Glück im Unglück.Es fing mit einem dumpfen Geräusch nachts an. Irgendwas brummte und donnerte, aber es war kein Gewitter. Das Geräusch war unter meinem Bett, unter unserer Wohnung und unter unserem Haus. Es kam aus dem Boden. Was war das? Ich habe einige Sekunden überlegt, bis mir etwas die Antwort gab. Ich wurde von jetzt auf gleich durch mein Bett geschüttelt, hin und her. So stark, dass ich kaum noch atmen konnte. Es war ein Erdbeben.Plötzlich packte mich jemand und riss mich aus meinem Bett.Ich wurde bei dem ganzen schütteln aus dem Haus getragen und sah in der Aufregung das Gesicht meiner Tante, welche bei uns schlief.Mein damals 2 Jähriger Bruder und meine Eltern schliefen in einem anderen Zimmer. Durch das gerüttelt fiel der Schrank auf ihr Bett, welches sie am Aufstehen hinderte. Mein Vater erlang in dieser Situation immense Kräfte in sodass er diesen Hochstemmen konnte. Bei unserem Umzug haben dies mit Mühe und Not fünf Männer bewältigen müssen.Wir konnten alle sicher aus der Wohnung gelangen.Nach einigen Minuten war, der Spuck. Mit nichts außer unseren Schlafsachen standen wir da, vor dem zerstörten Haus, mitten in der Nacht.Von überall hörten wir Sirenen und Menschen schreien.In den darauffolgenden Tagen, schliefen wir auf einer großen Wiese und hofften einen Rückflug zu bekommen.Zu diesem Zeitpunkt dachte unsere Familie in Deutschland wir seien unter den 30000 Toten, welches das Erdbeben aus 1999 das Leben nahm.Umso größer war die Überraschung und Freude als wir mit dem Flugzeug zurück flogen und ihnen in die Arme fielen.In den nächsten Wochen erbeten wir so viel Courage wie noch nie. Freunde und Bekannte, jeder von ihnen gab uns etwas, sei es Klamotten oder Möbel gewesen. Denn wir hatten nichts außer uns, als wir zurückkamen.So eine Herzlichkeit habe wir nie wieder erfahren…Wir lebten einige Zeit bei meinen Großeltern bis wir uns eine eigene Wohnung leisten konnten.
Es war Glück im Unglück und so konnten wir wieder zurück nach Deutschland, wo wir bis heute wohnen.