Comprende
"Comprende?" Nein, eigentlich versteht grey nicht viel von dem, was der Gärtner Pepe ihr erzählt, aber mit seiner ruhigen und freundlichen Art ist er ihr gleich sympathisch.
Er sitzt da, ein ganzer Schwall an Worten sprudelt aus ihm hervor - eine Quelle, die scheinbar nie versiegt – und schließt ein obligatorisches "comprende?" an. Ma neben mir nickt, einen meiner dicken Wälzer von Ken Folett auf dem Schoß. Was ich dieses Jahr nicht lese, liest sie dafür.
Sie ist zu einem Spanischverstehwesen geworden. Dabei spricht sie kaum ein Wort. Aber wie jede andere Mutter wohl auch, besitzt auch sie die Fähigkeit, auch ohne Worte zu verstehen. Pa besitzt diese Fähigkeit nicht. Er sitzt zwischen Ma und Pepe, hält sich an seinem Glas Wasser fest und wechselt zwischen einem Ausdruck des ernsthaften Zuhörens und einem verlegenen Lächeln.
Ich sehe seinem Gesicht an, das er genauso viel versteht wie ich. Und dieses viel ist in unserem Fall sehr wenig. Meine Latein- und Französischkenntnisse bringen mich hier nicht weiter. Ich verkrieche mich stattdessen wieder in meine Buchstaben und lausche weiterhin mit einem Ohr, wie Pepe Ma von seinem großen Anwesen und irgendeinem Patronus de Fernando erzählt.
Pepe ist unser Gärtner auf Zeit. Auf Zeit, weil er hier noch immer Gärtner sein wird, wenn wir schon längst wieder im kalten Deutschland sitzen. Er ist ein kleiner, stämmiger Mann mit der sonnengegerbten, dunkeln Haut eines Spaniers und dunklen kleinen Augen, die hinter einer schmalgeränderten Brille sitzen. Ich schätze ihn auf etwa 60.
Es ist daher schon etwas verwunderlich, dass er, der Patronus de Fernando – ihm gehört unser Feriendomizil –, nicht lieber auf seinem Anwesen sitzt und sich ein paar gute Oliven schmecken lässt und stattdessen mit dem Wasserschlauch über das Anwesen flitzt und die Hecken wässert.
Dabei ist er immer gut gekleidet: Weißes Hemd, das er bis zu den Ellbogen nach oben krempelt, eine dunkelbraune Anzugshose mit geradem Schnitt, saubere Lederschuhe, eine Mütze, unter der das kurze, grau melierte, einstmals dunkle, kräftige Haar hervorlugt. Na ja, eigentlich trägt er immer das gleiche. Aber es steht ihm gut und darauf kommt es ja an.
Bis vor kurzem hat er auch immer dasselbe nach seiner Arbeit getrunken. Ein Servesa. Man sehe mir an dieser Stelle etwaige Rechtschreibfehler nach, ich tippe hier ganz ohne spanisches Wörterbuch.
Das hat ihm jetzt aber sein Arzt verboten. Also trinkt er Wasser und sprudelt dabei wie ein Wasserfall, unterstreicht seine Worte mit den ausladenden Gesten eines Südländers. Er lächelt sein freundliches, offenes Lächeln, als er von seinen fünf Enkeln erzählt und davon, dass er eine ganze Stunde braucht, um seinen Garten zu gießen, und ist mir gleich sympathisch. "Una hora...una hora" und hebt einen Zeigefinger.
Er würde auch klasse in eine jener Szenerien passen, die man des öfteren in spanischen Kleinstädten sieht: Ältere Männer hocken auf einem freien Platz zusammen auf einer Bank, schwatzen und beobachteten das Leben um sie herum. Da würde er wirklich gut hinpassen.
Nach ein paar Minuten verabschiedet er sich fröhlich, steigt in seinen kleinen Elektroflitzer – der nicht einmal ein Nummerschild trägt, weil es zu langsam fährt – ein, der draußen vor dem Tor geparkt steht, und macht sich auf zum nächsten Anwesen.