Christen im Libanon
Wenn man abends durch die Straßen Beiruts geht, kann es passieren, dass man die Rufe des Muezzins hört und kurz darauf Kirchenglocken läuten - Was zunächst paradox scheint, hier im Libanon aber Alltag ist.
Die Geschichte des Libanons reicht weit zurück, in vormuslimische Zeiten: Als eines der Ursprungsländer des Christentums bildeten Christen bis vor wenigen Jahrzehnten noch die religiöse Mehrheit im Land, heute liegt ihr Anteil immerhin noch bei 41%. Aufgrund dieses diversen Hintergrunds ist der Libanon auch das einzige Land im Nahen Osten, welches keine Staatsreligion vorschreibt – Und so unzählbar viele religiöse Untergruppen bei Muslimen wie Christen hat.
Diese Aufspaltungen sorgen häufig für Konflikte, immer wieder kommt es zu Ausschreitungen zwischen den Religionen, aber noch häufiger religionsintern. Ich lebe in Beirut im Viertel Baschar Al Houri, eine schiitische Nachbarschaft, die sich allerdings genau an der ehemaligen Front befindet: Während des libanesischen Bürgerkriegs verlief hier der Kampf zwischen Christen und Muslimen, heute erinnert nichts mehr an diese grausamen Zeiten und die Moscheen hier stehen neben christlichen Friedhöfen.
Diese Mischung findet man allerdings ausschließlich in den Städten, in den Bergen und auf dem Land sind die verschiedenen Religionsgemeinschaften klar getrennt, hier gibt es nur rein muslimische oder rein christliche Dörfer.
Die größte christliche Gruppe sind die Maroniten: Entstanden im 7. Jahrhundert in Syrien, fochten sie Jahrhunderte lang Kämpfe mit Arabern, Phöniziern und Griechen aus und zogen sich letztlich in das Gebirge zwischen Beirut und Tripoli zurück, welches noch heute eines der größten christlichen Gebiete in der Region ist. Immer noch stehen alte Klöster und Kirchen in den Bergen, und zeugen von der alten christlichen Tradition. Unter den Osmanen konnten die Maroniten ihre Unabhängigkeit bewahren, indem sie sich mit den Drusen verbündeten, einer mystisch-muslimischen Gruppe, und besaßen aufgrund ihres engen Kontaktes zur katholischen Kirche in Rom großen Einfluss. Beispielsweise führten die Maroniten auch die erste arabische Druckerpresse ein, die sie aus Europa importierten.
Die Geschichte der Christen im Libanon ist eng verknüpft mit der politischen Entwicklung und auch heute spielen sie noch eine Rolle im politischen Spiel der Mächte: Tatsächlich ist nämlich in der in der libanesischen Verfassung verankert, dass beispielsweise die Sitze im Parlament gleichermaßen zwischen Muslimen und Christen nach einem Proporzsystem aufgeteilt werden- Ohne auf den demografischen Wandel zu achten, nachdem Christen eigentlich prozentual weniger Sitze zuständen.
Auch im libanesischen Bürgerkrieg in den 1970er Jahren spielten die Christen, und insbesondere Maroniten eine entscheidende Rolle, sie kämpften auf der rechten, pro-westlichen Seite, aber auch zwischen den einzelnen Clans brachen blutige Fehden aus, die zahlreiche Opfer forderte.
Religion ist im Libanon durch das konfessionelle System stark an politischen Einfluss, gesellschaftliche Positionen und Macht gebunden, darüber hinaus entwickelt sich innerhalb der Religionen ein Nationalismus, der den Libanon allerdings nicht eint, sondern weiter spaltet. Heute sieht man nichts mehr von den konfessionellen Kriegen, außer die verfallenden Häuser aus der Bürgerkriegszeit und man hört noch die Geschichten der Alten, aber die Machtkämpfe sind die gleichen, nur spielen sie sich heute im Anzug und im Parlament ab.
Wegen unserer westlichen Perspektive finde ich es so spannend, die Geschichte der Christen im Nahen Osten, und insbesondere im Libanon zu betrachten: Vielen aus meinem Umfeld ist gar nicht bewusst, dass hier auch Christen leben und assoziieren die Region mit islamischen Fanatismus, Unterdrückung und inner-muslimischen Kämpfen. In der Realität jedoch wird Religion hier als Machtmittel missbraucht und zum politischen Instrument, von Christen und Muslimen.
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