Camping mit den Wikingern
eine sehr schöne und aktive Schwestern-Woche
Guten Morgen :) Ich versuche mich an meinen Vorsatz, etwa einmal pro Woche etwas zu schreiben, zu halten – schon allein wegen der wunderschönen Bilder, die ich euch einfach nicht vorenthalten kann! Nach dem Toni sich ein wenig von ihrer langen Reise erholt hatte, brachen wir direkt zu unserer ersten Wanderung auf - die Besteigung der Rødtinden (deutsch: Rote Zinne). Regen und eisiger Wind konnten unsere Laune kaum trüben und beim Abstieg wurden wir mit dem überraschenden Fund von Moltebeeren belohnt. Wenn ihr euch jetzt fragt, was bitte Moltebeeren (auch Multebeeren oder Sumpfbrombeeren, im Englischen Cloudberries genannt) sind, keine Angst: diese seltensten aller wildwachsenden Beeren sind nur im hohen Norden anzutreffen. Hier stehen sie allerdings als Wahrzeichen Lapplands, sind auf der finnischen 2-Euro-Münze abgebildet und der ganze Stolz der Nordländer – Vorkommen werden anscheinend (so wie bei uns im Schwarzwald unsere Pilzsammelplätze) streng geheim gehalten und nur innerhalb der Familie weitergegeben. Der Geschmack dieser orange-gelben Beeren ist recht eigentümlich, eher säuerlich-herb.
Am Abend desselben Tages waren wir zwei dann noch in einer norwegischen WG zum Essen. Isak, mein norwegischer Buddy, hatte uns fünf Internationale, die er betreut, zu sich nach Hause eingeladen (Toni mitzubringen war überhaupt kein Problem) und er und seine drei Mitbewohner tischten uns ein fürstliches Mahl und jede Menge Wein (das ist hier in Norwegen echt eine große Geste, da eine Flasche bei 15 Euro anfängt und dann ist es noch nicht einmal besonders guter) auf. Wir waren sehr beeindruckt, mit welcher Gastfreundschaft uns die vier Norweger in ihrer schicken Privat-WG aufnahmen und beschlossen nach dem lustigen Abend ihnen bald ein Internationales Dinner in unserem Wohnheim zuzubereiten.
Die restlichen Tage bis zum Wochenende verbrachten wir zwei dann sehr gemütlich: ich zeigte Toni die Innenstadt, wir fuhren zum Strand (Telegrafbukta genannt), saßen dort im Abendlicht und bestiegen den kleinen Hausberg. Am Freitag hatte ich dann noch ein Seminar an der Uni, wo Toni einfach mit geschmuggelt wurde :D Es ging um Unsicherheiten in Diagnosefindung und Therapieentscheidung, die einem im klinischen Alltag einer Hausarztpraxis oft begegnen. Anhand von drei Fällen sollten wir Schritt für Schritt unser Vorgehen erarbeiten. Obwohl das Seminar im Nachhinein sich nicht als verpflichtend darstellte (ich habe hier im Gegensatz zu Freiburg kaum Pflichtveranstaltungen, es wird sehr viel mehr Eigeninitiative vorausgesetzt), war ich froh, es besucht zu haben, da die Dozentin, eine britische GP, es wirklich motiviert und lehrreich gestaltete.
Am Abend ging es los zu unserem Übernachtungs-Trip in Brensholmen: das ist ein Ort an der äußeren Küste der Insel Kvaløya, danach kommen nur noch ein paar kleine Inselchen und dann das offene Polarmeer. Organisiert wurde das Ganze von den Studentengruppen Fjellgruppa (Bergsteigergruppe), Tull (das heißt auf Deutsch sowas wie Blödsinn, sie organisieren im Winter gemeinsame Skitouren) und Trulle (Kajakgruppe) und wir waren sehr glücklich einen der begrenzten und begehrten Plätze erhalten zu haben. Mit einem Bus fuhren wir fast bis zu unserem Campingort, das letzte Stück legten wir schwer bepackt zu Fuß zurück. Die Organisatoren hatten Zelte für alle Teilnehmer und reichlich Verpflegung dabei und nachdem wir in einem Kampf mit dem Wind unsere Zelte errichtet hatten, wurden wir mit Burgern und Würstchen vom Grill belohnt. Die Norweger, waschechte Outdoormenschen und halbe Wikinger, hatten trotz nassem Holz und Regen problemlos ein Feuer in einer Felsspalte entfacht. Die Kälte und Nässe scheint ihnen überhaupt nichts auszumachen, zumindest liefen viele von ihnen die meiste Zeit barfuß durch die Gegend und kraxelten so auch über die Felsen. Als wir nach einem langen Abend am Lagerfeuer am nächsten Morgen verschlafen aus unseren Zelten krochen, wurden wir mit blauem Himmel und einem einzigartigen Panorama belohnt. Unser Lager befand sich direkt an einem schneeweißen Sandstrand und das Meerwasser glitzerte im Sonnenlicht türkisfarben und klar. Da passt das auf Instagram angepriesene Image als „Karibik Norwegens“ schon irgendwie. Zumindest wenn man die Bilder nur online sieht - die Temperaturen im echten Leben sagen einem dann schon, dass man sich weit nördlich des Polarkreises befindet. Als unsere abgehärteten norwegischen Begleiter aufwachten, rannten sie direkt nackt und fröhlich ins Meer – wir Ausländer trauten uns dann schließlich auch in unseren Badesachen hinterher und waren froh uns danach am Feuer mit einer Tasse Kaffee aufwärmen zu können. Der wunderbar sonnige Tage wurde dann noch entspannt genutzt – wir fuhren eine Runde mit dem Kajak aufs Meer hinaus, manche hatten ihr Equipment dabei und kletterten an den Felswänden rund um die Bucht, es wurde gewandert, Spiele gespielt, gemütlich in der Sonne gesessen und ein Haufen Nutellabrote verdrückt – wobei die Norweger bevorzugt zur deftigen Variante von Leberwurst und Kaviarpaste aus der Tube griffen. Am Abend wanderte ein Teil noch weiter zur nächsten Insel Sommarøy, Toni und ich waren jedoch ganz froh dem einsetzenden Regen entkommen und am Abend wieder in unseren Betten liegen zu können. Man muss sich in Portionen an das Leben hier gewöhnen, finde ich :)
Wir nutzten den letzten Tag ihres Aufenthalts dann natürlich doch noch einmal für eine Bergtour, diesmal auf den sogenannten Kjølen. Dort oben sah es trotz seiner nur ca. 800 m Höhe richtig alpin aus und wir konnten noch einmal das tolle Bergpanorama bestaunen – in einer gemütlichen Schutzhütte auf dem Gipfel (mit Fußbodenheizung!!) aßen wir in Gesellschaft einiger netter norwegischer Wanderer unser Vesper, bevor es wieder abwärts ging und dann am nächsten Tag ganz früh für Toni zurück in den Süden. Ich habe die Zeit mit ihr sehr genossen!!