Blick über den Schreibtischrand
Johannson hat seine erste Praktikumswoche hinter sich und zieht Bilanz. Die Arbeit ist gut, wäre da nicht das Sprachproblem. Und auch die Tasache, dass er Wäsche waschen will, stellt ihn vor eine Herausforderung.
Die erste Arbeitswoche
Morgen breche ich zur ersten Tour außerhalb der Stadt auf: nach Swidnica. Hier ein kurzer Eintrag davor. Zu allererst: die erste Woche Praktikum ist rum. Die Stelle hat bisher die besten Erwartungen übertroffen, insbesondere da ich mir schon Sorgen gemacht hatte, dass sich damals nicht mal wer dafür interessierte, was ich eigentlich studiere. Die Chefin ist spitze, kümmert und erklärt alles, gibt uns wichtige Aufgaben, bindet uns direkt in die laufenden Projekte ein, sagt auch an welchem Detail des Ganzen wir warum arbeiten und setzt uns gezielt dort ein, wo uns etwas interessiert. Darüber hinaus ist eine ehemalige Praktikantin extra einige Tage zurückgekommen, um uns zur Seite zu stehen.
Seltene Arten
Im Moment bereiten wir vor allem zwei Schulungen und über allem ein alljährliches Geschäftstreffen für ganz Niederschlesien vor. Vermutlich furchtbar spießig, mit Reden und Anzugträgern die versuchen locker zu wirken, dafür aber auch komplett mit Botschaftern, Konsulen und als Moderator niemand geringerem als Steffen Möller persönlich, dem Vorzeigedeutschen in Polen. Da werde ich den Anzug dann tatsächlich noch mal brauchen, muss mir nur noch irgendwo einen Schlips organisieren. Das alles habe ich auf einem Besichtigungstermin im Militärmuseum erfahren, wo die Feier stattfinden soll. Abgesehen vom schönen gotischen Gebäude habe ich dabei auch zum allerersten Mal den berüchtigten polnischen Handkuss in Aktion erlebt, die der Direktor den Damen der verschiedenen Handelskammern zukommen ließ. Ja, nach drei Jahren Polenreisen zum ersten Mal... wer immer geschrieben hat das wäre noch allgegenwärtig, glaubt ihm nicht.
Büro-Pony
Mit mir hat eine Deutschpolin angefangen, mit der ich mich soweit sehr gut verstehe, die mich allerdings als Praktikant durchgehend an die Wand spielt. Zwei Probleme nämlich sind dieselben wie schon in Torun. Nummer eins, das Schusselsyndrom, mit dem ich simple Sachen nicht verstehe und verwechsle, Aufträge abnicke deren Details ich nach zehn Sekunden vergessen habe. Nummer zwei, ich spreche noch kaum Polnisch. In Kneipen, im Alltag plappere ich wenn man mich nur lässt, doch im Büro hat man keine Zeit wichtige Sachen dreimal wiederholen zu lassen, und natürlich ist alles wichtig. Nur mit meiner Kollegin spreche ich Polnisch wenn es geht; wie es aussieht, werden wir wohl auch ein Tandem machen, von anderen Studenten ist nämlich in den Ferien tatsächlich nichts zu sehen.
Keine Wäsche für niemanden
Inzwischen verstehe ich auch wie das hier alles zusammenhängt. Die Studenten haben in den Ferien frei, können daher nach Hause und brauchen darum in Wroclaw keine Waschmaschinen. Deshalb gibt es auch keine Waschsalons außer für Anzüge, wie ich letztens in einem schrecklich frustrierten Suchmarsch mit Wäschetüte unterm Arm durchs gesamte Viertel endgültig akzeptieren musste. Dafür ist inzwischen mein Mitbewohner wieder aufgetaucht, Mariusz heißt er. Wie sich rausstellte, waren die bei der Wohnungsansicht Anwesenden nur Freunde, er kam erst vor einigen Tagen reinspaziert. Seitdem sitzt er vor dem Fernseher und zieht nächste Woche auch gleich wieder aus.
Weiß ja weiß sind alle meine Kleider, grün ja grün ist alles wo ich wohn'
Mit der Wäsche konnte er mir genauso wenig helfen wie meine Kollegin, aber zum Glück habe ich im Sprachkurs jemanden gefunden, der auch gleich die Straße runter wohnt. Da bin ich heute hin und habe jetzt wieder saubere Sachen, Informationen über ein wöchentliches Tandemtreffen im Zentrum und auf dem Weg auch mal gesehen, dass ich direkt neben dem riesigen Südpark wohne. Nuss- und Pflaumenbäume entlang der Straße.
Städtepracht bei Tag und Nacht
Touristisch habe ich seit dem Praktikumsbeginn wenig hinbekommen. Nur zur Jahrhunderthalle war ich mal, eine bombastische Versammlungs-/Fest-/Sporthalle nördlich vom Zentrum, auf der UNESCO Liste wegen, man höre und staune, dem kreativen Einsatz von Stahlbeton. Es ist trotzdem eine sehr entspannende Ecke mit einem langen efeuüberwachsenen Arkadengang, und gelegen zwischen Zoo und einem weiteren Park, der sowohl den Japanischen Garten als auch eine wunderhübsche kleine Holzkirche enthält. Trotz Beton also alles sehr schön grün.
Ach ja und gestern Abend bin ich im Dunkeln durch die Stadt gelaufen, ohne Ziel, am Ende vor allem die neu gemachte Promenade am Fluss lang. Aber wenn ich anfange davon zu erzählen, von den beleuchteten Gebäude der Uni, dem Spiegeln der Lichter im dunklen Wasser, den Menschen und der Musik am Fluss...lieber nicht. Jeder Quadratmeter wilde Wiese hat mehr Leben als Magdeburgs kombinierte Kneipen Samstagnacht.