Besuch im Flüchtlingscamp
Mein erster Besuch im Flüchtlingscamp in Serres
Gestern durfte ich zum ersten Mal das Flüchtlingscamp besuchen. Es ist eigentlich sehr schade, dass ich nur im Zuge der Dreharbeiten für einen Dokumentarfilm, die Erlaubnis bekam, das Camp zu besuchen und dass die Anträge vorher abgelehnt wurden. Es ist generell ein sehr komisches Gefühl, dass wir den Flüchtlingen bei der Integration helfen sollen, sie gleichzeitig aber abgeschottet werden. Es kam mir etwas scheinheilig vor, die Flüchtlinge mit der Kamera besuchen zu können, sonst aber nicht.
Das Camp hier nahe Serres ist ein Containerdorf. Es sind viele weiße Container auf einer leeren, staubigen Fläche. Sie alle sind spartanisch eingerichtet. Viele der Flüchtlingsfamilien haben daraus aber ein gemütliches Häuschen gemacht. Es sieht aus wie ein kleines Dorf. Manche der Flüchtlinge haben angefangen, ein paar Blumen oder Kräuter anzupflanzen, und die Wäsche flattert auf der Leine.
Wie mir ein Mitarbeiter gestern erzählte, ist dies ein 5-Sterne-Hotel unter den Camps. Viele der anderen Camps in Griechenland haben keine festen Behausungen, sondern nur Zelte, somit sind die Bewohner Wind und Wetter nahezu unmittelbar ausgeliefert. Doch auch hier im Camp gibt es immer noch viele Probleme. Da das Camp auf sehr staubigem Boden errichtet wurde, haben alle Kinder Asthma und die älteren Leute Durchfall. Das Gras wird nie geschnitten und beherbergt so Schlangen und Skorpione, die eine Gefahr für die Kinder sind. Außerdem ist das Camp weit außerhalb von Serres und die Flüchtlinge müssen jeden Tag in die Stadt laufen.
Als wir dort ankamen, wurden wir extrem freundlich empfangen. Viele der Leute, die wir aus dem Camp kennen und die regelmäßig ins Office kommen, haben uns begrüßt und alle Kinder kamen angerannt. Die Kinder waren erstaunlicherweise extrem zutraulich. Für sie waren wir Fremde, aber sie kamen alle angerannt und wollten unbedingt unsere Hand halten und mit uns spielen. Manche Eltern sagten im Spaß, dass wir doch ihre Kinder mit nach Deutschland nehmen sollten, doch irgendwie war es ein trauriger Spaß, da die Eltern wirklich alles tun würden, um ihren Kindern eine Zukunft zu ermöglichen.
Ich denke, dass ist das größte Problem. Die Menschen, die dort leben, haben keine Perspektive. Sie wissen nicht, ob sie das Camp jemals verlassen dürfen, ob sie überhaupt bleiben dürfen. Und gleichzeitig haben sie grauenhafte Dinge erlebt. Erinnerungen, die sie niemals vergessen können.
Trotz allem wurden wir extrem gastfreundlich begrüßt. Auch wenn wir wegen den Dreharbeiten leider nicht alle Leute besuchen durften, die wir kannten, manche fühlten sich dadurch etwas vor den Kopf gestoßen, sondern nur eine bestimmte Familie. Die Familie war jedoch extrem freundlich, gab uns Tee und Kuchen und ließ sich auch nicht von den Kameraleuten aus der Ruhe bringen, die versuchte, sie herum zu scheuchen. Im Gegenteil: die Eltern waren sehr stolz, dass ihr Sohn das arrangiert hatte und auch bei uns im Radio war.
Insgesamt war es ein sehr eindrucksvoller Nachmittag, den ich nicht vergessen werde. Und der nochmal sehr deutlich gezeigt hat, dass es unsere Aufgabe ist, nicht immer nur über die Krise zu reden und die Menschen, die neu kommen, sondern dass wir uns um die ganzen Menschen, die nun da sind, kümmern müssen und sie integrieren müssen. Natürlich ist es die Aufgabe der Politiker den Rahmen dafür zu schaffen, aber im Kleinen sind wir alle gefragt.
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