Auf den Spuren von Jesus
Wie es sich anfühlt, den Advent im "Heiligen Land" zu verbringen
Das Heilige Land. Das ist, laut Kathpedia, das Gebiet, in dem Jesus zu Lebzeiten "gewirkt" und eben gelebt hat. Dies umfasst bekanntlich Israel und Palästina, aber auch Teile Jordaniens, Syriens, des Libanon und Ägyptens, also recht weite Teile des Nahen und Mittleren Ostens. Und genau dort befinde ich mich gerade.
Weihnachten, Advent. Davon habe ich mir hier ehrlich gesagt nicht besonders viel versprochen. Ich dachte, dass mir die so angenehme, schöne Weihnachtsstimmung, die man von Zuhause kennt, hier fehlen wird, fand es aber nicht weiter schlimm. Dass die Geschehnisse in der Bibel, Altes und Neues Testament, sich genau hier abspielten, hatte ich irgendwie regelrecht verdrängt. Diese Orte, diese geheimnissvollen Plätze, erschienen einem doch immer so fern und unerreichbar, beinahe unecht. Doch es gibt sie wirklich. Es gibt Bethlehem, es gibt Nazareth, es gibt all diese Orte mit den fremden, klangvollen Namen, die mir seit früher Kindheit als etwas Unbekanntes, Fernes und doch so Schönes in den Ohren klingen.
Die Nähe zu diesen Orten wurde mir zum ersten Mal so wirklich bewusst, als ich Ende Oktober mit ein paar Freundinnen von hier die Stadt Madaba besucht habe, die berühmt für die vielen Mosaikmuster ist, die die Kirchen dort und die Stadt an sich wunderbar verziehren. Teil unseres Besuches der Stadt, war nämlich auch der Berg Nebo, der daneben liegt. "Berg Nebo, Nebo... was war das noch?", geisterte es bei der Erwähnung des Namens durch meinen Kopf. Aber keine Chance: ich wusste es nicht mehr. Nebo, sollte ich später, als wir dann vor Ort waren, erfahren, ist jener Berg, auf dem Moses gestorben ist, und von dem aus er das Gelobte Land (Das Gebiet, das Abraham all seinen Nachfahren versprach; Israel) erblickte, aber dann eben niemals betrat. Einer der heiligsten Orte des Christentums. Ziel unendlich vieler Pilger. Und da war ich nun. Ich bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken. Dieser Ort war so ruhig und schön, und man fühlte sich regelrecht gesegnet, wenn auf dem Gipfel des Berges entlanglief.
Das war also Ende Oktober. Der November verstrich ohne den Besuch weiterer religiös historischer Orte. Dann kam der Dezember. Der Advent begann, und wie gesagt stellte ich mich auf nicht viel Weihnachtliches ein, schließlich befinde ich mich in einem muslimischen Land, und im Islam ist Jesus zwar ein wichtiger Prophet, aber nicht Gottes Sohn, und wird nicht als Heiland anerkannt. Weihnachten (der 25. Dezember) ist hier, wie auch der Geburtstag des Propheten Mohammed, der übrigens auch vor Kurzem war, zwar ein Feiertag, aber nicht mehr. Überraschenderweise wurde mir nach einiger Zeit aber bewusst, dass die westliche Weihnachtskultur auch hier im Dezember etwas übergegriffen hatte. So gibt es hier in Amman im Stadtteil Abdoun am sogenannten Boulevard ganz wundervolle Dekoration und einen riesigen, leuchtenden und geschmückten Weihnachtsbaum, und die passende Musik fehlt natürlich auch nicht. Auch ein paar richtige, wenn auch kleine, Weihnachtsmärkte hat die Stadt zu bieten. Daran sieht man wieder einmal, wie unglaublich international und -kulturell Amman ist.
Das absolute Highlight sollte aber erst noch kommen: Seit ich hier bin, habe ich des Öfteren mal gehört, wie Leute "the baptism site of the Jordan river" erwähnten, habe jedoch nicht wirklich über den Begriff nachgedacht. Erst als ich dann bei einer Weihnachts-Veranstaltung des "Friends of Jordan Festivals" helfen durfte, die genau dort stattfand, habe ich mich damit ausseinandergesetzt. Und es ist nämlich genau das: "the baptism site", die Taufstelle Jesu, am Jordanfluss, in der Nähe des Toten Meeres. Bevor wir dort hinfuhren, war ich regelrecht aufgeregt und freute mich wahnsinnig. Und wieder konnte ich es irgendwie gar nicht glauben, dass es diesen Ort wirklich gibt. Dass diese biblische Stelle wirklich existiert, bringt mir auch die Geschichte des Neuen Testaments an sich näher. Mit einem echten Ort wird aus einer Geschichte in meinem Kopf schnell eine wahre Begebenheit. Und der Glaube fällt einem wieder leichter.
Das Event war wunderbar. Sobald wir bei dem Ort ankamen, hatte ich wieder dieses "gesegnete" Gefühl. Es war quasi mitten in der Wüste, trotz der vielen Menschen, die mit uns beim Aufbau halfen total ruhig, umgeben von Sand, nur einige Kirchen gab es in der Umgebung, und der Ort an sich von Bäumen eingekreist. Und eben diese Wasserstelle. Ungaubliche Vorstellung. Und trotz der Jahreszeit wunderbar warm, da es sehr tief liegt, nicht weit entfernt vom tiefsten Punkt der Erde am Toden Meer. So bauten wir bei angenehmen 20 Grad die Stühle für die Besucher auf, und als diese dann kamen gab es erst Tee, Kaffee und Gebäck, und dann den Hauptteil der Veranstaltung: Zuerst sprach ein Priester (auf arabisch, deswegen hab ich leider nicht viel verstanden) und dann sangen nacheinander zwei wunderbare Chöre Weihnachtslieder.
Übrigens habe ich an dem Abend auch den schönsten Sonnenuntergang betrachten dürfen, den ich jemals gesehen habe.
Und obwohl es warm war, obwohl der Weihnachtsbaum seltsamerweise knallrot war, obwohl ich nichts verstand und obwohl alles so anders war, hatte ich noch nie in meinem Leben eine weihnachtlichere und liebevollere Atmosphere gespürt, als an diesem Abend. Und noch nie hatte ich mich meiner eigenen Religion, und gleichzeitig allen Religionen und allen Glaubensrichtungen näher gefühlt.