Arztbesuche und andere Grausamkeiten
Lange konnte Amselle es vermeiden, doch jetzt half alles nichts: Sie musste zum Arzt. In Spanien ein besonderes Vergnügen. Allerdings immer noch besser, als Briefmarken kaufen zu müssen.
Hiermit schreibe ich nun wieder ein paar Zeilen, kurz bevor ich mich heute Nacht schon in die Osterferien verabschiede. Ich werde mit dem Bus nach Jerez de la Frontera fahren, um dort Stefan aus Österreich zu besuchen. Er war ja kurz vor Weihnachten auch schon zu Gast bei uns in Madrid. Aus Jerez kommt übrigens der berühmte Sherry, der seinen Namen auch von jenem Ortsnamen bezieht. Allerdings sprachen die Engländer den Namen so schlecht aus, dass letztendlich „Sherry“ daraus wurde.
Dieses Wochenende verbringe ich also komplett dort und werde hoffentlich auch noch einen Abstecher nach Cádiz machen können. Am Montag geht es dann immer der Nase nach weiter per Mietwagen, samt Stefan und einem Schweden, der gerade in Sevilla seinen Freiwilligendienst ableistet. Ich rieche jetzt schon förmlich die Freiheit. :) Wir haben weder ein festes Ziel noch feste Aufenthaltsorte geplant, nur an der Küste Andalusiens Richtung Valencia soll es entlang gehen. Mit Zelt, Isomatte und Schlafsäcken bewaffnet.
Den Reiseplänen entsprechend, schleppte ich vorhin meinen riesigen Wanderrucksack, Tüten, Taschen, Zeltausrüstung und was man noch alles so braucht in die Sprachschule. Gar nicht so einfach, wenn man nur humpeln kann. Das tue ich im Moment nämlich, weil mir mein Hautarzt eine fiese, tiefe Dornwarze aus dem rechten Fuß geschnitten hat. Eigentlich tat es nicht sonderlich weh, am Anfang. Jetzt dafür um so mehr.
Das war übrigens das erste Mal, dass ich als Europäische Freiwillige meine gelbe Axa Karte gebrauchen musste. Bisher war ich erfreulicherweise nie so krank, dass ich zum Arzt gemusst hätte. Auf der anderen Seite hat mich das spanische Gesundheitssystem auch davon abgehalten, die Karte nicht schon früher zu benutzen. Hier gibt es kaum private Praxen, sondern nur Gesundheitszentren, wo viele verschiedene Ärzte in einem Gebäude viele verschiedene Kranke behandeln. Da ich aber weder über den E-111 noch eine Europäische Versichertenkarte verfüge, hätte man mich dort sowieso nie behandelt. Besser so – denn auf Wartezeiten von bis zu drei Stunden oder sogar mehreren Monaten bei Operationen kann ich gerne verzichten. Spanische Ärzte sind übrigens Beamte.
So blieb mir auch für die Warzenentfernung keine andere Wahl, als mir einen privaten Arzt zu suchen. Das war zum Glück nicht so schwer, wie beim letzten Mal, als ich wegen eines Hustensaftrezepts zu einem Arzt für allgemeine Medizin bin, der sich als Spezialist für Fettleibigkeit herausstellte. Sandrine kannte den Hautarzt schon, also verließ ich mich auf ihr Urteil und begab mich in die „Clínica del Sur“. „Clínica“ klingt zwar nach Klinik, doch stellte sich die „Praxis“, in der gleichzeitig auch noch ein Zahnarzt arbeitet, als sehr klein heraus. A propos Zahnärzte: in Spanien werden zahnärztliche Leistungen nicht von der normalen Krankenversicherung abgedeckt. Leider merkt man daran auch, wer Geld hat (= schöne Zähne) und wer keines hat.
Eigentlich war ich mit der Behandlung ganz zufrieden und bin es auch noch: der Arzt ist nett. Allerdings bin ich etwas erschrocken über die Zustände in den Praxisräumen. Als ich einen Tag nach der Operation zum Begutachten der Wunde wieder kam, klebten auf dem Boden noch Blutflecken – die Schere, mit der der Arzt mein Pflaster abschnitt, war exakt die selbe (samt Blutspuren), mit der er am Vortag den Rest meiner Warze entfernt hatte. Iiiiiieh, kann ich da nur sagen.
Auch sonst habe ich mir nicht zum ersten Mal deutsche Zustände gelobt. In manchen Dingen muss ich einfach sagen, dass Spanien seeeehr „spanisch“ ist, Vorurteile also durchaus einen wahren Kern haben. Man nehme zum Beispiel die spanische Post: genau wie die Deutsche Post war sie früher ein staatlicher Konzern, der privatisiert wurde. Um einen Brief abzuschicken, beziehungsweise die Briefmarke zu kaufen, brauche ich durchschnittlich eine halbe Stunde. Selbst die Nummern, die man seit Neustem aus einer Maschine ziehen kann, helfen da nichts. Ich fühle mich also bei jedem Gang auf die Post wie im Amt für öffentliche Ordnung, generell Amt halt. Wenn nun aber vier Schalter gleichzeitig offen sind, warum dauert es trotzdem so lange, bis ich eine kleine, verdammte Briefmarke kaufen kann?
Nuuun, die Sachbearbeiter lassen sich einfach gerne viel Zeit beim Arbeiten, halten Schwätzchen mit den Kunden, stehen auch einfach so mal auf, um anderen Kollegen zu helfen, oder mit diesen zu reden, obwohl ein Kunde am Schalter wartet. Immer alles mit der Ruhe! Da ich hier ja viel Zeit und schon selber ein wenig die „Mañana – Mentalität“ angenommen habe, hätte ich das gerade noch geschluckt. Nun kommt aber noch das überteuerte Porto dazu, weshalb die spanische Post von mir das Prädikat „mangelhaft“ bekommt. Während ich in Deutschland für ein Packet von 20 Kilogramm 32 Euro bezahle, sind es hier 64 Euro. Ein Grund, warum ich wahrscheinlich mit dem Bus nach Hause fahren muss. :)
Auch Elina hat sich gestern bei mir über die Arbeitsweise in ihrem Jugendzentrum beklagt. Sie meint, es gäbe dort Frauen, die an einem ganzen Tag soviel schaffen, wie sie in 20 Minuten – nämlich ein Schild zu gestalten. Trotzdem würden sie sich darüber beschweren, wie hart sie doch arbeiten müssen. Wenn ständige Kaffeepausen harte Arbeit sind, okay... Elina meinte, sie bräuchte nur mehr Einfluss und die Befugnis, um den ganzen Laden innerhalb von vier Wochen wesentlich besser zu organisieren und die Arbeitsabläufe effizienter gestalten. Gab es da nicht eine Studie, die besagt, dass Spanien das Land in Europa ist, wo am ineffizientesten gearbeitet wird? Tja...
Hier noch ein paar Bilder: