Arbeit nur für Deutsche
Die EU soll ein "Raum der Freiheit" sein. Das Reisen sowie Waren-, Dienstleistungs- und Geldaustausch
sind zwischen allen Mitgliedstaaten ohne Beschränkung möglich. Klingt gut. Doch wie bei jeder Regel gibt es Ausnahmen.
Karolina aus Polen ist 24 Jahre alt und gerade mit der Universität fertig. Wie jeder junge Mensch möchte sie nun gern arbeiten. Darf sie aber nicht. Zumindest nicht in Deutschland.
Vor einigen Monaten ist sie mir ihrem deutschen Freund nach Berlin gezogen. Nun sitzt sie trotz Hochschulabschluss und guten Sprachkenntnissen zu Hause. Den Übergangsregelungen zum polnischen EU-Beitritt im Jahre 2004 sei Dank. "Ich bin ausgebildete Polnischlehrerin und würde in Berlin sicherlich eine Anstellung finden. Hier gibt es sogar bilinguale Schulen mit Polnisch als Zweitsprache", berichtet Karolina.
Eine klassische Form der Diskriminierung, die aber gewollt ist. Die Bundesregierung hat diese sogenannte "2 plus 3 plus 2-Regelung" zum Beitritt der "neuen" EU-Staaten im Mai 2004 ausgehandelt. Besonders das deutsche Arbeitsministerium war damals dafür. Die Regelung besagt, dass maximal bis zum Jahr 2011 kein Pole in Deutschland abhängig beschäftigt sein darf. Auch für Arbeitnehmer aus den übrigen neuen EU-Ländern bleibt die sprichwörtliche Tür zu.
In Polen kann dagegen jeder Deutsche legal arbeiten. In den Jahren 2006 und 2009 hat die Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission jeweils um Verlängerung der Ausnahmeregelung gebeten. Begründung: Es sei zu befürchten, dass "billige polnische Arbeitskräfte" den deutschen Markt überschwemmen würden. Keine Partei an der Macht will sich vorwerfen lassen, den Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt noch zu verschärfen.
Für die Deutsch-Polnische Industrie- und Handelskammer sind die Beschränkungen nach Aussage ihres Hauptgeschäftsführers Lars Bosse ein "Ärgernis". Die Kammer berät in beiden Ländern tätige Firmen. Bosse betont, dass die Regelungen den Ruf Deutschlands in Polen nicht verbessern würden. "Wir haben schon früh gefordert, die Übergangsregelungen nicht bis 2011 zu verlängern. Leider ohne Erfolg."
Karolina möchte nicht so lange warten. Sie möchte nützlich sein in einem Land, das sie sehr mag. "Deutschland habe ich zunächst als Au-Pair kennen gelernt. Nach dem Abi war ich einige Monate in Westfalen. Dort hat es mir sehr gefallen." Für die nächsten Monate hat die umtriebige junge Frau eine Möglichkeit gefunden: Sie möchte einen Europäischen Freiwilligendienst (EFD) in Berlin absolvieren. Der wird zwar nur gering entlohnt, ist aber besser als Arbeitslosigkeit.
"Zu Hause fühle ich mich unnütz", erzählt sie. Das EU-finanzierte Angebot ist mit dem Zivildienst vergleichbar. Unbürokratisch ermöglicht der EFD einen einjährigen Aufenthalt in einer gemeinnützigen Einrichtung im europäischen Ausland. Eine ähnliche Option nutzt die 30-jährige Jagoda aus Polen. Sie macht in einem Jugendzentrum ein Berufspraktikum im Rahmen des EU-Programms LEONARDO. Eine Notlösung. "Ich würde gerne einen richtigen Job haben. Viele meiner Freunde arbeiten in Großbritannien. Dort ist es einfacher." Auf der Insel und in Irland hat man 2004 umgehend den Arbeitsmarkt für Menschen aus den neuen Mitgliedsländern geöffnet.
Für ältere Polinnen und Polen in Deutschland sind auch die Angebote der EU keine Option mehr. Viele von ihnen arbeiten im Pflegebereich. Ihre Arbeitgeber sind polnische Firmen, die Dienstleistungen im Nachbarland anbieten. Langfristig dürfen polnische Altenpflegerinnen jedoch nicht nach Deutschland "verliehen" werden. Eine Ausnahme gibt es für Saisonarbeiter im Obst- und Gemüsebau - sie dürfen drei Monate bleiben.
Karolina, Jagoda, aber auch die illegal in Deutschland arbeitenden Polinnen und Polen müssen sich noch gedulden. Erst im April 2011 fällt die Übergangsregelung endgültig. Karolina muss vorher nachweisen, dass kein Deutscher ihren Job machen kann. Zusätzlicher Papierkrieg, aber als Sprachlehrerin hat sie Chancen auf eine Sondergenehmigung. Weniger gut steht es für Jagoda: "Mein Praktikum endet in einem Monat. Schwarzarbeit oder unbezahlte Praktika kommen für mich nicht in Frage. Bis 2011 bleibt mir daher nur die Rückkehr nach Polen", erklärt Jagoda. Dabei wäre sie gerne geblieben.
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