Angoulême, Bordeaux, Chambon
Nicht nur eine schöne Abfolge von Städten in der alphabetischen Reihenfolge, sondern auch auf wundersame Weise die von mir bereisten Städte in den Frühlingsferien
Montag, 11.04.2016
In aller Frühe geht es für mich heute auf nach Bordeaux. Obwohl unser Seminar erst morgen beginnt, haben wir heute frei bekommen. Und da ich sowieso schon immer mal nach Bordeaux wollte, kam mir die Tatsache, dass das Seminar in der Nähe der besagten Stadt stattfindet ganz gelegen. Netterweise bringt mich B. Noch vor dem Morgengrauen zum Bahnhof, von woaus ich die achtstündige Bahnfahrt antrete. Dadurch werde ich Zeuge von der aberwitzigen Zentralisierung Frankreichs. Alles läuft über Paris. Sei es die Politik, der Handel oder auch der Zugverkehr. Im Prinzip könnte man von uns aus einfach geradeaus nach links fahren und befände sich quasi in Bordeaux. Aber nein, ich fahre erst nach Paris um dort den Bahnhof wechseln zu müssen – eine interessante Erfahrung. Ich war vorher noch nie in Paris und finde zunächst die Bushaltestelle von der mein Bus abfahren soll nicht. Als ich ihn dann endlich gefunden habe, macht der Busfahrer sich auch noch halb über mich lustig (Ich frage wie teuer das Ticket ist und er antwortet „Zwanzig Euro“. Nun ja, mit den blöden Touristen kann man‘s ja machen, nicht wahr?). Ich fühle mich in dieser Riesenmetropole etwas verloren. Wenn ich die Wahl zwischen Paris und meinem jetzigen Leben auf dem Land hätte, würde ich Letzteres eindeutig vorziehen. Paris ist groß und hektisch. Die Menschen hetzen aneinander vorbei. Keiner achtet so wirklich auf den anderen. Alle sind gestresst. Das wäre keine gute Umgebung für mich, dass wird mir auch der halbstündigen Busfahrt klar. Zwar weiß ich auch eindeutig die Vorzüge einer richtigen Stadt zu schätzen, aber alles hat eben seine Vor- und Nachteile.
Die Zugfahrt verläuft ansonsten ohne Probleme. Dank meiner sehr zuvorkommenden Gastgeberin in Bordeaux, bin ich bestens darüber informiert welche S-Bahn ich bis zu welcher Station nehmen muss. So bekomme ich bereits einen ersten, sehr positiven Eindruck von der Stadt.
Bei E. Angekommen werde ich sehr herzlich empfangen. Sowohl von ihr, als auch von ihrem dicken, faulen und sehr orangenen Garfieldartigen Kater. Ich fühle mich direkt wohl. Allerdings bin ich nicht nach Bordeaux gekommen um bei schönstem Wetter drinnen zu sitzen. Nein, ich möchte die Stadt erleben. Darum mache ich mich mit einem Stadtplan in der Hand und natürlich ohne Regenschirm auf den Weg zu einem riesigen öffentlichen Park, der mir wärmstens von E. empfohlen wurde. Als ich dort ankomme, wird mir klar, dass E. Nicht zu viel versprochen hat. Ich betrete einen magischen Park. Überall ist es grün, Leute flanieren über die Sandwege. Ich spaziere über eine Brücke. Um es ganz klischeehaft zu machen, schwimmt wie gerufen ein Schwan an mir vorbei. Plötzlich setzt aber ein unglaublicher Regen ein, der mir die Lust an einem ausgedehnten Parkspaziergang etwas nimmt. Nach einer noch rechtzeitigen Rettung unter einem riesigen Baum, wage ich mich ins Stadtgetümmel. Hier ist erstaunlich viel los. Die Gebäudelandschaft von Bordeaux ist zauberhaft. Es gibt viele alte Häuser im Barockstil. Daneben neuartige Konstruktionen. Und zwischen den Gebäuden wuseln ganz viele junge Leute herum. Ich laufe sehr viel. Zum einen, weil ich zu geizig bin die Bahn zu bezahlen, zum anderen weil sowieso sehr gutes Wetter ist und ich nach dem langen Winter jeden Sonnenstrahl mitnehmen möchte.
Vor dem Theater stoße ich auf ein Musikanten-Duo, dem ich eine ganze Weile lausche. Danach entdecke ich eine Brücke/ein Schloss im Disney-Stil und schlendre an der Garonne entlang. Auf E.s Raten hin, überquere ich pünktlich zum Sonnenuntergang die Brücke und habe somit einen gigantischen Blick auf Bordeaux im Sonnenuntergang. Ich setze meinen Spaziergang noch weiter fort und mache es mir schließlich am Ufer bequem. Dort oute ich mich durch das Verschicken von Sprachnachrichten als Deutsche. Eigentlich dachte ich nicht, dass es so auffällig sei. Als dann aber die Familie rechts neben mir auf mich zukommt, weiß ich, dass sie gleich ihr Deutsch an mir testen werden. Das kleine Mädchen wird vorgeschickt, ist aber zu schüchtern um mit mir zu reden. Daraufhin unterhalte ich mich mit dem Vater. Es stellt sich heraus, dass die Familie erst seit kurzem in Bordeaux ist. Sie sind aus Syrien geflohen und nun hier. Das Gespräch lässt mich den ganzen Abend nicht mehr los. Sie alle machten einen glücklichen Eindruck, obwohl sie sich momentan vermutlich in einer nicht unbedingt einfachen Situation wiederfinden.
Wieder bei E. Bin ich unglaublich müde. Ich bin schließlich aber auch schon etwas länger wach. Als ich schließlich im Bett liege, kommt „Garfield“ angerannt und schmeißt sich in mein Bett. Von dem Zerren an der Bettdecke lässt er sich nicht beirren. Nur mit vereinten Kräften kann ich ihn schließlich vor mein Bett setzen und schlafe schnell nach diesem Tag mit vielen Eindrücken ein.
Dienstag, 12.04.2016
Heute geht es sehr früh aus den Federn. Netterweise hat sich E. Dazu entschlossen gemeinsam mit mir aufzustehen. So kommt es dazu, dass ich mit einem Kaffee und einem Pläuschen überrascht werde. Es ist total interessant sich mit E. Zu unterhalten. Sie plant momentan nach Asien zu gehen und ist das alles am Organisieren. Nach dieser Morgenkonversation heißt es für mich aber auch schon Abschiednehmen.
Ich mache mich auf den Weg zum Bahnhof, mache einen Spaziergang durch das Bahnhofsviertel, welches dem typischen Bild eines Bahnhofsviertels entspricht, und sitze schließe im Zug nach Angoulême.
In Angoulême angekommen muss ich feststellen, dass es nicht die beste Idee war mit einem Rollkoffer oder überhaupt einem Koffer in eine bergige Landschaft zu reisen. Da Bordeaux direkt am Atlantik liegt, hatte ich nicht erwartet, dass ein paar Kilometer ins Landesinnere Berge vorhanden sein könnten. Nun, daran kann ich aber nichts ändern. Da es am Bahnhof leider keine Spinde gibt, in denen ich meinen Reisebegleiter einsperren könnte, muss ich ihn wohl oder übel mitschleppen. Bergauf, bergab. Aber zu der geografischen Herausforderung, kommt auch noch ein klimatischer Umschwung, sodass mir bereits Morgens extrem warm ist.
Nachdem ich die sehr schöne Fußgängerzone ein Mal hoch und runter gelaufen bin, mache ich mich auf die Suche nach dem Touristenbüro. Und obwohl überall Schilder stehen, welchen ich sehr folgsam folge, finde ich das Touristenbüro nicht. Die Tatsache, dass ich keinen Stadtplan habe – diesen wollte ich schließlich in dem besagten Büro holen – macht den Umstand nicht einfacherer… Nachdem ich drei Mal das Schloss in der Stadtmitte umrundet habe, was mit Koffer nicht so einfach ist, da die ganze Stadt mit Kopfsteinpflaster ausgelegt ist, gebe ich den genialen Plan schließlich auf.
Statt mit dem Büro Verstecken zu spielen, beschließe ich die Stadt auf eigene Faust unter die Lupe zu nehmen. Die Mittagszeit bricht an und in allen Gassen bereiten sich die Restaurants auf den Ansturm der Leute vor. Irgendwann finde ich dann doch das Touristenbüro und werde dort mit Informationen überflutet. Ausgestattet mit einem Stadtplan, geht es wieder bergab geradewegs zu auf das Comic Museum. Angoulême ist nämlich schlichtweg die Stadt der Comics. Das erklärt auch, warum in der ganzen Stadt die Hauswände mit Comicausschnitten bemalt sind. Das Ganze sieht schön aus, einen tieferen Sinn darin habe ich bis jetzt aber nicht entdecken können. Mit den frisch erhaltenen Infos taucht der Sinn aber plötzlich glasklar aus dem Tief der Unklarheit auf.
Als ich mich ganz motiviert vor dem Museum befinde, stelle ich fest, dass der Eintritt doch etwas teuer ist. Dazu kommt auch noch, dass ich bald auch schon wieder am Bahnhof sein sollte, da es von dort aus dann mit den ganzen anderen Freiwilligen zum Seminar geht.
Darum quäle ich mich mit einer Lauf-Stopp-Strategie in unaushaltbarer Hitze den Berg wieder ins Stadtinnere. Dort finde ich ein sehr schön hergerichtetes Café (Die Hipster lassen grüßen…), welches ich direkt teste. Umgeben von Bücherbergen schwelge ich mit einem leckeren Kaffee in den Gedanken der Freigeistern, die hier ihre Seele baumeln lassen. Es ist herrlich. Hier lässt es sich wirklich gut aushalten.
Doch irgendwann gehen auch die schönsten Augenblicke zu Ende. Darum finde ich mich nach einiger Zeit wieder am Bahnhof. Wartend auf die anderen Freiwilligen.
Ehrlich gesagt bin ich etwas aufgeregt. Außer M. Kenne ich auf diesem Seminar keinen. Das hat zwar den positiven Aspekt, dass ich viele neue Menschen kennenlernen werde, zieht aber auch den Nachteil mit sich, dass ich die Freiwilligen vom ersten Seminar nicht so ohne Weiteres schnell mal wieder sehen werde.
Ich sitze also am Bahnhof, den Blick immer auf den Ausgang gerichtet in der Hoffnung, das bald jemand, der verdächtig nach Freiwilliger aussieht, aus dem Bahnhofsgebäude kommt. Mit mir wartet ein Mädchen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es sich bei ihr um eine Freiwillige handelt, darum spreche ich sie nicht an.
Das Wetter ist richtiges Aprilwetter. Intensive Sonnenstrahlen und heftige Regengüsse wechseln sich im Minutentakt ab. Diese Tatsache bringt mich dazu mich ständig zu bewegen. Erst sitze ich auf der Bank vor dem Bahnhofsgebäude, dann unter dem Bahnhofsdach, dann wieder auf der Bank. Und das alle mit meinem Koffer.
Schließlich tritt eine Gruppe junger Menschen mit Trekkingrucksäcken aus dem Gebäude und schaut sich um. Da weiß ich: Das Abenteuer „Freiwilligenseminar“ beginnt!
Fortsetzung folgt...