Anderes Land – andere Kultur – andere Religion
Weißer Teppich in der Kirche? Kein wirklich angemessener Bodenbelag, vor allem, wenn mit rotem Messwein hantiert wird. Enli hatte Gelegenheit, mal bei einem griechisch-orthodoxen Gottesdienst zuzuschauen.
Endlich hatte ich die Chance, einen griechisch-orthodoxen Gottesdienst zu besuchen. Nach einem langen Videoabend bei Manos und nur zwei Stunden Schlaf hat er mich in seinem Dorf Lechios mit zum Gottesdienst genommen. Da wir nur so wenig geschlafen hatten, konnten wir uns nicht aufraffen, früher zu gehen und so sind wir erst 15 Minuten vor Schluss in der Kirche angekommen. Das hat aber eigentlich auch gereicht. Verstanden habe ich sowieso nichts, aber der Eindruck war sowieso viel wichtiger. Es waren so gut wie nur alte Leute da, Frauen links, Männer rechts. Alle haben uns natürlich angestarrt, nicht nur mich, sondern auch Manos, da er auch noch nie in seinem Dorf beim Gottesdienst war.
Der Boden der Kirche war mit weißen Teppichboden ausgelegt. Gegen Ende durften dann alle Kinder (d.h. etwa fünf Kinder zwischen zwei und sechs Jahren, die mit ihren Großeltern da waren) und die Leute, die mindestens eine Woche gefastet hatten, vorkommen und mit einem Löffel Wein aus einem Kelch trinken. Ein alter Mann hat zu sehr gezittert und Wein auf dem guten weißen Boden verschüttet. Alle sind gerannt, um Spülmittel und Küchenrolle zu holen (gibt es sowas in deutschen Kirchen auch in greifbarer Nähe??). Nachdem der Pfarrer mindestens fünf Minuten versucht hatte, den Fleck wegzuputzen, war er ganz schön sauer und der alte Mann tat mir voll leid. Wer legt auch weißen Teppichboden in eine Kirche?! Auf jeden Fall kann ich jetzt verstehen, warum so wenig junge Leute in die Kirche gehen, die Gottesdienste dauern mindestens zwei bis drei Stunden. Aber es war SEHR interessant für mich, die Chance zu haben, eine andere Religion zumindest zu einem kleinen Teil kennen zu lernen. Urteilen will ich darüber nicht, denn dazu verstehe ich zu wenig Griechisch und weiß zu wenig über die griechisch-orthodoxe Kirche.
Heute hatte ich mal wieder Tandemunterricht mit Vasiliki, die ich immer mehr ins Herz schließe. Sie ist so nett und wir lachen viel. Ob es viel bringt für mein Griechisch, weiß ich nicht, aber das ist auch nicht so wichtig. Und obwohl Vasiliki bestimmt schon weit über 50 und sogar schon Oma ist, verstehe ich mich sehr gut mit ihr. Sie hat mir selbst eingemachte süße Trauben geschenkt und mich letzte Woche zum Mittagessen eingeladen. Leider konnte ich nicht, da ich sonntags arbeiten musste, aber morgen will sie mit mir einen Kaffee trinken gehen. Für mich ist das eine tolle Möglichkeit, die griechische Kultur noch besser kennen zu lernen und mein Griechisch anzuwenden.
Außerdem war heute ein grooooßer Umschlag im Briefkasten – nur für mich. Vom liebsten Held der Welt. (Ja, Karen, ich hab Post gekriegt!! *g* Aber keine Sorge, Du auch. Komm also schnell wieder sto spiti, dann kann ich Dir Deinen Brief geben.) Hab mich so gefreut.
Mit Mozes gibt es mal wieder (wie immer) Probleme. Er macht immer mehr Terror bei seiner ungarischen Organisation und die Sache scheint immer mehr zu eskalieren. Mich geht es ja jetzt nicht mehr so viel an, denn es artet in einen Streit zwischen der ungarischen und der griechischen Organisation aus. Mozes macht die Griechen nur schlecht und mich würde es nicht wundern, wenn er seiner ungarischen Organisation Lügen auftischt. Leider wird Nora, die Freiwillige aus Ungarn, immer mehr mit rein gezogen und wir hoffen, dass sie hier bleiben kann und ihr Programm nicht abbrechen muss (was sie auf keinen Fall will). Nur weil Mozes Lügen verbreitet und die Kommunikation nicht ganz einfach ist. Mal sehen, wie sich das in der kommenden Woche entwickeln wird. Obwohl es nichts direkt mit mir zu tun hat, ist es trotzdem kein wirklich tolles Arbeitsklima für mich. Deshalb hoffe ich, dass bald eine Lösung gefunden wird.
Aber dafür haben wir jetzt eine Spanierin bei uns in der beach flat. Erikas Projekt ist zu Ende und sie ist heute zurück nach Ungarn geflogen. Es ist ganz schön komisch hier ohne sie. Obwohl wir uns nur zwei Monate gekannt haben und wir TOTAL verschieden sind, ist sie mir ans Herz gewachsen und fehlt hier wirklich.
Die neue Freiwillige aus Spanien heißt Arancha und wird zwischen Korinthos und Kiato, einem Nachbarort, hin und her pendeln. Mal arbeitet sie hier, mal dort. Allerdings wird sie wahrscheinlich morgens und wir mittags arbeiten, das heißt, wir werden sie gar nicht so oft sehen. Schade eigentlich, denn sie scheint sehr nett zu sein und ich würde gern mal wieder öfter Spanisch sprechen. Ende Dezember zieht Arancha dann nach Kiato (dort ist im Moment noch kein Zimmer frei) und Nora fliegt zurück nach Ungarn. Dann sind Karen und ich ganz allein in beach flat!! Ich geh mal davon, dass Mozes noch vor Dezember auszieht, sonst fliegt er auch Ende Dezember zurück. Das wird ganz schön komisch werden. Ich hab mich schon so dran gewöhnt, dass immer jemand da ist, man zusammen kocht, zusammensitzt und man stundenlang reden kann. Aber Gott sei Dank ist Karen dann noch da. Mit wem sollte ich denn sonst jede Nacht von Bett zu Bett bis mindestens drei Uhr morgens reden! :-)