Alleine als Frau durch arabische Länder reisen?
Ein Disclaimer direkt am Anfang: Ich beziehe mich in dieser Überlegung auf meine eigenen Erfahrungen im Libanon und Palästina, natürlich sind Verallgemeinerungen immer unzureichend, es gibt immer Ausnahmen und Verhalten hängt von vielen Faktoren ab, trotzdem möchte ich meinen Gesamteindruck teilen, auch um mich selber nochmal intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Da ich bereits viel in der Türkei gereist bin, allein oder zusammen mit einer Freundin, dachte ich, ich wüsste wie man sich in mehrheitlich muslimischen Ländern als ausländische Frau verhält. Dass man die Türkei wirklich nicht mit anderen arabischen /muslimischen Ländern vergleichen kann, wurde mir allerdings relativ schnell klar: Tatsächlich war ich gewohnt, mich gerade in eher konservativen Gebieten bedeckt zu halten und nicht direkten Augenkontakt mit Männern auf der Straße zu haben, allein um nicht unnötig Aufmerksamkeit zu erregen. Trotzdem habe ich mich nie wirklich groß eingeschränkt gefühlt und bin auch sehr viel gereist: Sei es per Anhalter, mit Nachtbussen oder in Mitfahrgelegenheiten, nie gab es Aufdringlichkeiten oder größere unangenehme Situationen. Auch Couchsurfing alleine und sogar im eher konservativen Osten der Türkei war mehr als angenehm, ich wurde unglaublich respektvoll behandelt.
Bei meinem Aufenthalt im Libanon war das aber leider ganz anders, auch wenn ich wirklich keine populären Vorurteile für mich bestätigen wollte, ein paar Sachen haben sich für mich doch bestätigt: Ich wurde eigentlich permanent angesprochen, beim Gehen, während des Einkaufens, im Café. Und leider war es manchmal richtig aufdringlich und unangenehm, was mir wirklich ein wenig die Lust nahm, alleine als Frau rauszugehen.
Ein Faktor, der mich besonders gestört hat, war vielleicht meinen Wohnumständen geschuldet, da ich in beiden Ländern in Gastfamilien wohnte und damit auch stark im Sozialgefüge eingebunden war. Für mich konkret bedeutete das, dass ich unglaublich aufpassen musste, kein schlechtes Licht auf meine Familien zu werden – beispielsweise dadurch, dass ich mich in unserem Viertel mit Jungs unterhalten würde, mit Kindern auf der Straße spielen würde, mich nachts noch rumtreiben würde, Männern zulächeln würde oder irgendwie anders öffentlich Kontakt suchen würde. Natürlich verstehe ich, dass für sie eine ausländische Gastschülerin/Freiwillige eine Einnahmequelle oder eine finanzielle Entlastung bedeuten und ich selbstverständlich mit meinem Verhalten nicht ihr Geschäftsmodell zerstören möchte, aber ich habe mich selten so eingeschränkt gefühlt.
Tatsächlich war das Anlächeln eines der größten Probleme, gerade in Palästina: Meine Gastgeberin hatte allergrößte Sorge, dass ich einfach durch meine freundliche und offene Art als "leichtes Mädchen" eingestuft werden würde und wurde über mein Verhalten richtig wütend. An dieser Frage sind dann immer wieder Diskussionen eröffnet worden, wie viel Adaption und Assimilation nötig ist. Ich kann aber einfach nicht anders, als zu denken dass solche sozialen Normen auch hauptsächlich von Frauen mitgetragen werden, die sich gegenseitig vorrauseilend einschränken.
In den palästinensischen Gebieten war die richtige Bekleidung auch von großer Relevanz: Eine Jeans, die auch die Umrisse des Hinterns erkennen lässt, ging gar nicht sowie alles, was nicht mindestens die Schultern und Ellenbogen bedeckt. Ich persönlich habe kein Problem damit, mich aus religiösen Respekt bedeckt zu kleiden, aber diese derartige Bevormundung bloß um überhaupt keine Aufmerksamkeit zu erregen hat mich unglaublich wütend gemacht – vor allem, weil sich immer wieder auf kulturelle Begebenheiten bezogen wurde, und darauf, dass arabische Männer halt einfach so sind. Also im Grunde genommen dieselbe Argumentation, mit welcher Zeitschriften wie die Bild, Stimmung gegen Geflüchtete macht.
Man muss sich auch als allein reisende Frau darauf einstellen, dass man in männlicher Begleitung direkt als "Ehefrau, Freundin oder Affäre" angesprochen wird. Das kann Vor- und Nachteile haben, aber ich habe mich dann immer nicht ganz ernst genommen gefühlt. Man kommt auch nicht um das obligatorische Eingeladen-Werden herum, alles andere wird fast beleidigend aufgefasst.
So war ich nach diesen Erfahrungen eher erleichtert, mich wieder in liberaleren Kreisen zu bewegen, aber es motiviert mich umso mehr, Arabisch zu lernen und mich intensiv mit der arabischen Kultur auseinanderzusetzen – auch wenn ich mir daran oft die Zähne ausgebissen habe.