Akuter Schlafmangel
Die Arbeit im Jugendzentrum von Covasant läuft gut und Henderson plant ein neues und vielversprechendes Projekt. Während dabei der Schlaf für sie eh zu kurz kommt, meldet sich auch noch Besuch an.
Mittlerweile ist es schon ein wenig her, dass ich meinen letzten Artikel geschrieben habe. Das lag vor allem daran, dass es so viel zu tun gab. Aber es hatte sich auch hoher Besuch angekündigt.
Die Aktivitäten laufen recht gut. Es sind so ziemlich zu jeder Action irgendwelche Kinder da. Ok, die Jungs aus dem Youthcenter wollen keine Englischstunden, in unserer Hausaufgabenbetreuung sitzen wir immer alleine und bei unseren Deutschstunden sind maximal zwei Leute da. Von denen eine die englische Freiwillige und der andere unser Projektkoordinator ist. Diese Sachen sind also noch nicht so richtig angenommen worden. Aber die Turnhalle ist immer gut besucht. Irgendwie auch verständlich, wenn die in ihrer Freizeit lieber Sport machen wollen.
Sowas muss man dann halt erstmal akzeptieren. Vielleicht wird das später mit unseren Lernaktionen was.
Die Aktionen in der Sporthalle machen auch richtig Spaß. Kaum zu glauben, dass die früher ohne ausgekommen sind. Oh, es gibt immer noch Verständigungsprobleme. Die Kinder verstehen noch nicht immer, was wir von ihnen wollen. Aber na ja, andersherum geht es ihnen ja genauso. Muss schon deprimierend sein, wenn man mit jemanden redet, der aber nicht in der Lage ist einem zu antworten.
Die Zwischenfälle nehmen auch immer weiter ab. Am Anfang hatten wir noch Probleme mit eingeschmissenen Fenstern, mittlerweile nur noch damit, dass die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen...
Aber dieses kleine Problemchen werden wir auch noch in den Griff bekommen.
Man merkt auch langsam einen Wechsel in ihrem Verhalten. Man wird jeden Tag gefragt, wann den wieder etwas in der Sporthalle ist und langsam merkt man auch, dass ihnen das Ganze am Herzen liegt und sie nicht wollen, dass irgendjemand das zerstört.
Als bei einer Aktion ein Fenster im Vorraum mit einem Stein eingeworfen wurde, wollten sie wirklich, dass wir das mit demjenigen klären.
Es war kein wildes aufeinander einstürmen, sondern schon fast so was wie ein Gespräch.
Die ganze Situation war allerdings ein wenig schwierig. Eins unserer „Problemkinder“ (wobei es kein Wunder ist, dass man ein Problemkind wird, wenn die Mutter Alkoholikerin ist, der Vater nicht mehr auffindbar und die Großmutter sich einen Scheißdreck um einen kümmert. Vor allem, wenn die gesamte Gesellschaft einen nur „nerviges Kind“ nennt und möglichst wenig mit dir zu tun haben will. Dann ist es eigentlich kein Wunder, dass man zu einem so genannten Problemkind wird.) hat gesehen, wie ein Mädchen den Stein geworfen hat.
Die saß aber, als ich dann endlich verstanden habe, was er mir sagen wollte, schon im Auto und war so gut wie weg. Trotzdem gab es dann noch eine kleine Diskussion zwischen dem Jungen, der sie dabei gesehen hatte und den ich denke mal Verwandten, die sie grade besucht haben. Ich konnte nicht ein Wort verstehen. Stand also da rum und hab mich gefragt was hier grade abgeht. Irgendwann ist eine ältere Frau dann auf den Jungen losgegangen und wollte ihm mal ordentlich eine klatschen. Da wurde es mir dann ein wenig zu wild. Also dazwischen wild auf Englisch rumschimpfen und mit dem Jungen abhauen.
Blöd nur, dass diese ältere Dame meine Nachbarin ist. Die grüsst mich jetzt irgendwie nicht mehr so freundlich...
Das war mal wieder so eine Situation, wo ich einfach völlig überfordert war. Ich habe kein bisschen verstanden, was da grade eigentlich abgegangen ist. Stand nur einfach daneben und war nicht in der Lage irgendwas zu klären. Vor allem, weil es jetzt auch eine schlechte Erfahrung für den Jungen war. Jetzt wollte er mal etwas auf einem anderen Weg klären und dann geht eine ältere Dame auf ihn los und ich bin nicht in der Lage das mit ihnen zu klären. Doch trotzdem war es der letzte Vorfall dieser Art, seit bestimmt zwei Wochen.
Das ist schon mal ein Erfolg!
Aus diesem Grund haben wir uns dann auch noch dazu entschlossen ein „Youth in Action Project“ zu schreiben. Das ist eine Kampagne der EU. Sie stellen Gelder für Jugendveranstaltungen zur Verfügung. Das EFJ ist z.B. ein Teil dieser Kampagne. Das ganze unterliegt gewissen Normen und Formvorgaben. Eine davon war, dass das Project um im Februar anfangen zu können, zum 1. November da sein muss. Das hieß 2 ½ Wochen Zeit um das gesamte Projekt zu planen und zu schreiben. Denn sonst können wir nicht im Februar anfangen.
Ok auch wenn wir im Februar anfangen, werde ich noch mindestens drei Monate länger hier bleiben müssen. Aber das wollte ich wahrscheinlich sowieso. Die Entscheidung ein Projekt zu schreiben hat uns zu einer echt arbeitsintensiven Zeit verholfen. Der Plan ist, einen Zirkus in Covasant aufzubauen. Ein Projekt, das insgesamt über drei Monate geht. Zuerst gibt es ein Wochenende, in dem die Kinder alles ausprobieren können. Danach wird dann sechs Wochen lang in Gruppen gearbeitet. Am Ende der sechs Wochen gibt es dann eine Aufführung. Dort sind dann alle herzlich zu eingeladen. Dieses recht einfach klingende Projekt hat uns verdammt viele schlaflose Nächte eingebracht. Es waren zwei Wochen, in denen wir durchschnittlich grob zwölf Stunden am Tag gearbeitet und geplant haben. Eine richtig heftige Zeit.
Das Ganze wurde dann auch noch ein wenig problematischer, weil sich Besuch angekündigt hatte. Meine Eltern wollten kommen und mit mir durch Rumänien reisen. Also waren es noch mal ein paar Tage weniger Zeit. War echt ein nicht so geniales Timing. Aber nutzt ja nichts. Also sah die Planung aus, tagsüber mit meinen Eltern abzuhängen und nachts zu arbeiten. Könnte zu einem gewissen Schlafmangel führen, lässt sich aber erstmal nicht vermeiden. Die Planung hat für den ersten Tag bzw. Nacht auch hingehauen. Danach ging es auf eine kleine Reise. Erst nach Arad, dann nach Timisoara. Dort haben wir uns erst die Stadt angeguckt und dann dort die erste Nacht verbracht. Von dort aus ging es weiter nach Sarmezegetusa. Ein kleines Dorf an den Füßen der Karpaten. Dort haben wir uns ein paar schöne Römerruinen angeguckt und ausgiebige Spaziergänge gemacht. Die Landschaft da ist echt umwerfend!
Von dort aus ging es dann noch weiter nach Sibiu, oder auf deutsch Hermanstadt. Eine alte deutsche Stadt der Sachsen. Die Stadt ist echt richtig schön. Wenn man da mal war, kann man verstehen, dass sie zur Europäischen Kulturhauptstadt 2007 gewählt worden ist.
Insgesamt war es eine wirklich schöne Reise, bei der wir eine Menge Spaß hatten.
Doch die Erholung reichte nicht lange. Schon am Tag der Wiederkehr wurde weitergearbeitet. Wie auch die folgenden drei Tagen und Nächte. Doch das Projekt wurde noch rechzeitig fertig. Im Moment ist es beim Millennium Center, oder Ofensiva Tinerilor, oder wie auch immer man meine Aufnahmeorganisation nennen will. Von dort geht es dann direkt zur Nationalagentur. Ich hoffe wirklich darauf, dass wir das nicht alles umsonst gemacht haben und das genehmigt wird. Zumindest haben wir geschafft es zu schrieben. Jetzt haben wir uns wirklich nichts mehr vorzuwerfen. Entweder es klappt, oder nicht.
Ansonsten sind wir mal wieder dabei einen Urlaub zu planen. Ich hatte ja schließlich schon mindestens eine Woche keinen Urlaub mehr...
Da muss man schon mal wieder anfangen zu planen. Dieses Mal soll es nach Bukarest und ins Donaudelta gehen. Beides liegt im Osten von Rumänien. Von dort soll es dann irgendwie durch den Süden wieder zurück nach Covasant gehen.
Es besteht allerdings ein gewisses Restrisiko, dass unser Projektkoordinator uns umbringt, weil wir nie da sind. Aber das werde ich dann wohl bald herausfinden…
Also wenn ich nicht umgebracht wurde melde ich mich dann noch mal nach dem Urlaub.