Zwischen Engelchen und Teufelchen
Über meine Arbeit in Rapatac, einem bunten Aktivitätscenter, das zum alltäglichen Zufluchtsort für Kinder aus aller Welt wurde
„Was genau machst du jetzt eigentlich in Schweden?“ (Habe leider aufgehört zu zählen, wie oft ich das schon von meinen in Deutschland Zurückgelassenen gefragt wurde.) Nun gut, wo soll ich anfangen? Vielleicht damit, dass ich in einem Aktivitätscenter arbeite oder damit, dass ich mit Kindern zusammenarbeite, die laut und aus aller Welt bunt zusammen gewürfelt sind… Egal, wo man anfängt zu erzählen, alles dreht sich schlussendlich um „unsere Kinder“, wie sie in Rapatac liebevoll genannt werden. Und egal wie sehr „liebevoll“ oftmals nicht auf sie zutrifft, diese Kinder sind unsere Aufgabe und unsere Verantwortung.
Spiel und Spaß sind hier nur eine nette Verkleidung für das „größere Ganze“, das wir mit den Kindern vorhaben. Denn, wie mein Chef einmal sagte, „Kinder können auch ohne uns Spaß haben“, bringt eigentlich ziemlich gut auf den Punkt, dass Kinderbespaßung nicht unser eigentlicher Job ist – aber was mach ich dann eigentlich hier in Schweden? Nun, wir werden „Leader“ genannt… die deutsche Übersetzung ist etwas irreführend, deswegen hier eine kleine Erklärung. Leader (oder „ledare“ im Schwedischen) leitet sich von „leading“ ab, was sich neben „führen“ vielleicht mit „auf dem richtigen Weg leiten“ am besten übersetzen lässt. Wir wollen den Kindern zeigen, wie sie mit der richtigen Einstellung und der richtigen Art und Weise Gemeinschaft erleben, Ziele erreichen und zu einem Teil der Gesellschaft wachsen können. Das ist ein genialer Plan, und ein Plan, der viel Geduld und Nerven kostet, wie ich erfahren musste…
„Unsere Kinder“ sind keine „normalen Kinder“. Neben kulturellen Differenzen müssen sie sich mit Nachwirkungen von Flucht und Migration auseinandersetzen. Sie sind laut und bunt, hören oft nicht und an manchen Tagen treiben sie dich an den Rand der Verzweiflung. Wiederum an anderen Tagen jedoch zeigen sie dir ein vollkommen anderes Gesicht von sich und du kannst kaum glauben, wie das Teufelchen von gestern sich in dieses engelsgleiche Kind verwandeln konnte. Möglicherweise macht gerade das den Reiz und den Fluch dieser Arbeit aus: Du weißt nie, was dich heute erwarten wird, wenn du morgens Rapatac betrittst. So ist auch für mich jeder Tag eine neue Bewährungsprobe, eine neue Chance, die Beziehung zu den Kindern zu verbessern und die Balance zwischen Freund, Vorbild und Erzieher zu finden. Denn am Ende des Tages zählt jedes einzelne Kind, das seinen Weg zu Rapatac gefunden hat und jedes Lächeln ist ein neuer Ansporn, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen und eine neue Erinnerung, wofür man arbeitet und an „was ich eigentlich hier in Schweden mache“.
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